Ein Skandal, der keiner ist

Von Malca Goldstein-Wolf.

Künstliche Aufregung in Jerusalem. Hat Benediktiner-Mönch Nikodemus ein Judenproblem? Und warum springt ihm Spiegel-Redakteur Christoph Schult bei? Über einen Sturm im Wasserglas.

Pater Nikodemus, Abt der Dormitio, eines deutschen Klosters in Jerusalem, lässt die Presse bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit wissen, wie zuwider ihm die derzeitige israelische Regierung ist. Er werde als Christ beinahe täglich angespuckt, gibt er zum Besten. Schuld daran sind seiner Ansicht nach extremistische Juden, die auch in der Regierung sitzen.

Von Christen, die Israel besuchen, hört man nichts von derartigen Angriffen, sie fühlen sich dort sicher und willkommen. Pater Nikodemus zeichnet ein gegenteiliges Bild. Während er nicht müde wird, auf israelische Extremisten hinzuweisen, scheint er blind zu sein für Christenverfolgung durch Muslime.

Den täglichen Terror, den Israel durch palästinensische Attentäter erfährt, die Raketenangriffe der Hamas, scheinen für ihn kein erwähnenswertes Problem darzustellen. Diese Einseitigkeit mutet seltsam an für einen Menschen, der diesen Terror in Israel seit Jahren hautnah miterlebt.

Nun erzählt er auf Twitter eine neue Geschichte:

„Das leider nicht ganz so schöne Ende einer schönen Altstadt-Tour durch das morgendliche Jerusalem. Es ist schmerzhaft zu erleben, wie das Klima in dieser wundervollen Stadt sich unter der neuen Regierung immer mehr zum Unguten verändert. Jerusalem ist doch groß genug für alle!“

Besessen von Israel und den Juden

Für den Spiegel-Journalisten und kritischen „Israelfreund“ Christoph Schult ein gefundenes Fressen. Er springt seinem Bruder im Geiste sofort zur Seite, der die israelfreundliche Bildungs- und Forschungsministerin Stark-Watzinger begleitete.

Schult skandalisiert den Vorfall seinerseits in einem Tweet:

„Forschungsministerin @starkwatzinger erlebt am Mittwochmorgen in Jerusalem mit, wie Abt @PaterNikodemus auf dem Platz vor der Klagemauer (außerhalb der Gebetszone) aufgefordert wird, sein Kreuz abzunehmen.“

Wer Schults Wirken verfolgt (er war 2005 bis 2010 Korrespondent in Jerusalem, Anm. d. Red.), der weiß längst, wes Geistes Kind er ist. Israel und Juden scheinen für ihn zur Besessenheit geworden zu sein.

Die israelische Botschaft in Deutschland klärt den Vorfall bei Twitter auf:

„Die Stiftung für das Erbe der Klagemauer:

'Wir entschuldigen uns für die entstandenen Unannehmlichkeiten.

Die Klagemauer ist für alle zugänglich. Es sei darauf hingewiesen, dass es auf dem Platz an der Klagemauer keine diesbezüglichen Vorschriften gibt.

Die Ordnerin trat an die Besucher heran und fragte höflich, ob es möglich sei, das Kreuz abzudecken, um Unannehmlichkeiten zu vermeiden, wie es in letzter Zeit in der Altstadt geschehen ist, um sowohl den Besucher als auch die Stätte zu respektieren.

Als er dies ablehnte, wurde ihm der Zutritt natürlich nicht verweigert, und die Ordnerin respektierte die Entscheidung und setzte ihren Weg fort.“

Im Zweifel immer die Europäer fragen – und dann das Gegenteil tun

Überhaupt, Pater Nikodemus, der behauptet, dass das Ju­den­tum aus dem heu­ti­gen Irak kommt, sitzt offenbar eine Strafe ab, warum sonst nimmt er die schwere Hürde auf sich, freiwillig in einem Land zu leben, das für Christen seiner Ansicht nach zur Bedrohung werden kann? Er entblödet sich auch nicht, ausgerechnet Deutschland allen Ernstes dazu aufzufordern, Druck auf Israel auszuüben. Dass israelische Innenpolitik Sache der Israelis ist, mag er nicht verstehen. Er schwadroniert: „Da erhoffe ich mir gerade von der Bundesrepublik Deutschland außenpolitisch auch mehr Kante. Und, dass die Bundesrepublik Deutschland, ihre Repräsentanten mit der derzeitigen israelischen Regierung keine Werte teilt.“

Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Da hört Israel doch besser auf den klugen israelischen Gelehrten Dan Schueftan, der es besser weiß und an den jüdischen Staat folgenden Rat richtet: „Im Zweifelsfall immer die Europäer fragen – und dann das Gegenteil tun.“

Wenn zwei das gleiche tun, ist es für den Hirten aber nicht dasselbe. 2016 verdeckten der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischof Heinrich Bedform-Strohm, und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Marx, beim Besuch des Tempelbergs ihre Kreuze ebenfalls. Auf Nachfrage des Domradios bei Pater Nikodemus ergoss er sich in größtem Verständnis für die respektvolle Geste seiner Glaubensbrüder:

„Es ist immer interessant zu sehen, je weiter die Menschen von Jerusalem weg wohnen, desto stärker ist ihre Meinung. Ich lade ein, mich als Mönch, der kein Brustkreuz trägt, durch Jerusalem zu begleiten und zu erleben, welche Reaktionen ich da bekomme. Die Bischöfe waren als solche mehr als erkennbar, ebenso die Vertreter der Evangelischen Kirche im Lutherrock. Hier wurde nichts verleugnet. Die Frage ist die, wie ich mich bewege. Bewege ich mich im Respekt vor den Heiligtümern der anderen? Die Kreuze hatten die Würdenträger ja die ganze Zeit auf dem Tempelberg an. Nur beim Betreten der Moschee wurden sie verdeckt. Dasselbe betrifft unten die Westmauer, die heilige Stätte des Judentums. Noch einmal: Das ist für mich eine Frage des Respekts.“

Wird hier mit zweierlei Maß gemessen?

Warum die Kreuze verdeckt wurden, erklärte Jan Fleischhauer daraufhin im Spiegel:

„Das Entscheidende an dem Bild ist das, was man nicht sieht. Beide Kirchenvertreter tragen Kleidung, die sie als Männer des Glaubens ausweisen. Aber wenn man genau hinschaut, stellt man fest, dass das Kreuz fehlt, das sie sonst um den Hals tragen. Das ist kein Zufall, wie man erfährt, wenn man die Geschichte zu dem Foto liest. In der Mitte gibt es einen dritten Herren, den ich zu erwähnen vergaß: Scheich Omar Awadallah Kiswani. Die muslimischen Autoritäten hatten die Bischöfe gebeten, das Symbol ihres Glaubens abzulegen, als sie die heilige Stätte betraten; eine Aufforderung, der die beiden umstandslos nachkamen.“

Heißt das, wenn ein muslimischer Geistlicher darum bittet, die Kreuze zu verdecken, findet das die Zustimmung des Paters, aber wenn eine Jüdin, die beauftragt wurde, für die Sicherheit an der Klagemauer zu sorgen, ihn bittet, wird diese Aufforderung zum Skandal? Die aufgeheizte Stimmung am Ort des Geschehens hat sich auch zwischen 2016 und 2023 nicht verändert. Misst der Benediktiner-Mönch etwa mit zweierlei Maß?

Bedford-Strohm, dem Pater Nikodemus 2016 zugestimmt hatte, erklärte damals: Es habe sich in keinster Weise um eine Verleugnung des Kreuzes gehandelt, normalerweise trage er dieses auch bei Moscheebesuchen, sagte Bedford-Strohm nach seiner Rückkehr. In der besonderen Situation in Jerusalem wäre es aber falsch gewesen, dem Wunsch der Gastgeber nicht nachzukommen: „Wir haben aus Respekt vor den Gastgebern gehandelt.“ Verweigert Pater Nikodemus diesen Respekt, wenn kein muslimischer Geistlicher zugegen ist? Mehr muss man über den „Skandal“, der keiner ist, nicht wissen.

Dass sich der Jude Jesus von solchen Hirten vertreten fühlen würde, darf aber mit Recht bezweifelt werden.

 

Malca Goldstein-Wolf ist eine deutsch-jüdische Aktivistin und Publizistin, die sich gegen Judenhass einsetzt. Neben ihrem Aktivismus als ehrenamtliches, geschäftsführendes Mitglied des deutschen Präsidiums von Keren Hayesod, Israels größter Spendenorganisation, sammelt sie Gelder für israelische Menschen in Not. Mehr finden Sie auf ihrer Facebookseite.

Foto: Tapfer im Nirgendwo

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Leserpost

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Thomas Szabó / 21.07.2023

Das Kreuz abnehmen eine Frage des Respekts? Ist es etwa ein Akt der Respektlosigkeit (vor anderen/vor sich) ein Christ zu sein?!

Thomas Holzer, Österreich / 21.07.2023

Das Bodenpersonal ist schon seit Jahren das größte Problem der christlichen Kirchen

Ludwig Luhmann / 21.07.2023

Geben Sie die Hoffnung nicht auf! Denn jede Rakete, die er hautnah miterlebt, könnte - insh’Allah! - seine letzte sein.

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