Anabel Schunke / 28.11.2017 / 06:18 / Foto: Anabel Schunke / 56 / Seite ausdrucken

Ein “Konter-Marsch durch die Institutionen” ist fällig

Von Anabel Schunke.

Wenn mir eine Aussage nach der vergangenen Bundestagswahl auf ewig im Gedächtnis bleiben wird, dann die Angela Merkels auf der Pressekonferenz der CDU einen Tag nach der Wahl. Während bei der Union nach dem schlechtesten Wahlergebnis seit 1949 nahezu geschlossen Katerstimmung herrschte, gab sich die Kanzlerin unwissend über die Ursachen des Debakels. Sie ließ auf die Frage einer Journalistin nach eigenen Fehlern verlauten:

„Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssten“.

Ich glaube bis heute, dass sie das tatsächlich so meinte. Es war der Offenbarungseid einer Frau, die zu lange schon regiert und deren eigene Filterblase, die Anzahl der bloßen Ja-Sager um sie herum zu groß geworden ist, um noch zu realisieren, was die Wähler umtreibt und wie weit man sich selbst von ihnen fortbewegt hat.

Das mag nicht zuletzt auch an einer Medienlandschaft liegen, die ihr das größtenteils durchgehen lässt. An einer Presse, die auch jetzt nach den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen den Schuldigen einzig bei den anderen sucht. Marietta Slomkas erzieherischer Ausbruch gegenüber Christian Lindner war gleichermaßen entlarvend wie grotesk.

Entlarvend, weil er offenbarte, wie sehr man beim Öffentlichen-Rechtlichen mittlerweile seine Kompetenzen überschätzt und nicht bemerken will, dass die Grenze zwischen Journalismus und Aktivismus allzu fließend ist. Grotesk, weil jener Aktivismus den Blick auf die eigentlich relevanten Fragen und Ursachen verschließt. Am Ende wird nahezu jeder einmal in die Mangel genommen.

Die FDP, die es geschafft hat, dass Prinzipientreue plötzlich etwas Schlechtes ist, genauso wie die SPD, die ihrer demokratischen Verantwortung nicht nachkommt, wenn sie nicht augenblicklich mit einer weiteren Auflage der Groko in den politischen Selbstmord springt. Einzig die Grünen und die Kanzlerin scheinen unfehlbar, als handele es sich um eine gottgegebene Symbiose, der sich keiner in den Weg zu stellen hat. Der Widerspruch wurde zur natürlichen Vereinigung und außer ein paar wenigen nichtgrünen Journalisten ist niemandem aufgefallen, dass genau in dieser Entwicklung der Grund für das aktuelle politische Dilemma liegt. Aber wie konnte es so weit kommen?

„Danke Merkel“, heißt es, wenn das Konto leer ist

Auch wenn es für Angela Merkel selbst unmöglich scheint, Fehler zu erkennen, so fällt es anderen umso leichter, mit dem Finger auf sie zu zeigen. Längst hat meine Generation einen Running-Gag aus der inflationären Schuldzuweisung gegenüber der Kanzlerin gemacht. „Danke Merkel“, heißt es, wenn gerade mal wieder das Konto leer ist, oder die Freundin Schluss gemacht hat. Eine Persiflage auf den Wutbürger, dessen Feindbild früh ausgemacht war.

Merkel ist also schuld und natürlich die deutsche Medienlandschaft, die sich schon viel zu lang mit ihr, den Grünen, Roten und Linken in weltanschaulicher Einigkeit befindet. Nicht zu vergessen auch die Hippie-Lehrer an den Schulen und die universitären Brutstätten des linken Firlefanzes vom Kulturrelativismus bis zur intersexuellen Toilette, ebenso wie die Justiz mit ihren laschen Richtern und die ganzen sonstigen Nichtsnutze in der Politik, die noch keinen Tag in der freien Wirtschaft überleben, die noch nie einen Cent Steuern zahlen mussten und es sich mit einer Karriere bei den JUSOS schon früh an der Titte des Staates bequem gemacht haben.

Sicherlich ist diese Liste polemisch und könnte hier und da noch um einige Gruppen ergänzt werden, aber sie trifft im Wesentlichen den Kern derer, die speziell in den vergangenen zwei Jahren als Schuldige in Teils brillanten Kommentaren großartiger Journalisten und Publizisten ausgemacht wurden. Prinzipiell ist daran auch nichts falsch und aus eigener Erfahrung weiß ich, wie gut es tut, den Irrsinn und seine Helfer, wenn man ihn schon nicht stoppen kann, zumindest zu beschreiben. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist jedoch etwas, mit dem wir Deutsche ohnehin unsere Schwierigkeiten haben: Die Eigenverantwortung.

Der Grund, weshalb ich einmal gesagt habe, dass ich nie wieder CDU wählen werde, ist nicht Angela Merkel und die Entscheidungen, die sie getroffen hat. Der Grund ist, dass ich all den anderen CDUlern nicht verzeihen kann, ihre Alternativlosigkeit erst möglich und sie in ihren fundamentalen Fehlentscheidungen von Eurorettungspolitik, über die Energiepolitik, bis hin zur Flüchtlingspolitik nicht gestoppt zu haben.

Ich bin wütend auf die Feiglinge

Während der erste Punkt erklärt, weshalb ich die CDU aktuell nicht wähle, erklärt der zweite, weshalb ich sie nie mehr wähle. Ja, ich bin genervt von all den linken One-World-Apologeten, die mir Deutschland manchmal wie ein großes Kuriositäten-Kabinett erscheinen lassen, aber ich bin wütend und vor allem enttäuscht von jenen, die anders als diese Typen nicht für diese Politik sind. Die wie ich dagegen und trotzdem zu keinem Zeitpunkt aufgestanden sind.

„Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient“, schrieb Joseph Marie de Maistre einst und auch wenn der Spruch mittlerweile zu den Arschgeweihen der politischen Weisheiten gehört, so ist er doch wahr.. Man kann die Schuld sicherlich einzig bei Merkel, den etablierten Medien, den Linken im Staatdienst und sonstigen Asylprofiteuren suchen, oder man erkennt, anders als die Bundeskanzlerin, auch das Versagen des eigenen liberalen und konservativen Milieus.

Da sind nicht nur die vielen Konservativen in CDU und CSU, die angeblich allesamt die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin ablehnen und doch nicht den Schneid gehabt haben, dagegen vorzugehen oder auch nur einmal öffentlich wirksam den Mund aufzumachen. Die in den fetten Jahren unter Merkel geflissentlich dabei zugesehen haben, wie sie mögliche Konkurrenten ausschaltete und sich selbst alternativlos machte.

Da sind auch wir alle, die sich um die Zukunft ihrer Kinder fürchten, aber noch mehr vor den sozialen und beruflichen Sanktionen, die es bedeutet, wenn man den Mund aufmacht. Die Angst um ihre finanzielle Zukunft haben, ihre Existenz, die ihnen angesichts einer desaströsen Einwanderungspolitik ohnehin schon unter dem Hintern weggerissen wird. Für die alles schlimm ist, aber noch nicht so schlimm, dass man sich die Blöße geben würde, auf die Straße zu gehen und gegen dieses Unrecht zu protestieren.

Ein Regierungswechsel ändert nicht wirklich viel

Da sind die liberalen und konservativen Karrieristen, die Unternehmer, die Macher in diesem Land, die den ganzen Blödsinn von BER bis hin zu „minderjährigen“ Flüchtlingen hauptsächlich mit ihren Abgaben finanzieren, sich jedoch anders als das linke Milieu zu schade für die Politik sind und daraufhin beklagen, dass sich nur das gesellschaftliche Mittelmaß findet, um staatspolitische Verantwortung zu tragen. Die, auf die sie verächtlich blicken, weil sie nur nach Absicherung streben und in der freien Wirtschaft nichts geworden wären.

Wenn Rousseaus erziehungsdiktatorische Theorie auch nur einen guten Aspekt hatte, dann jenen des Citoyens – des Partizipativ-Bürgers, welcher der Liberale lange nicht sein wollte und der dem Linken ins Blut übergegangen ist.

Wer die große Karriere machen und viel Geld verdienen will, geht eben nicht an die Schule und wird Lehrer. Wird nicht Dozent für Geschichte oder Politik an der Uni. Wird nicht Behördenmitarbeiter, nicht Angestellter bei AWO und Caritas und letztlich auch nicht Politiker. Jemand wie Trump ist eine Wohltat. Nicht, weil er sich sonderlich geschickt anstellt, sondern weil er als Unternehmer den Schritt in die Politik gewagt hat. Er steht für einen Politikertypus wie er in den USA immer weniger und hier gar nicht mehr vorkommt.

Dabei wäre es umso wichtiger, dass auch hierzulande der Liberale, der Individualist, der erfolgreiche Karrierist seinen Weg zurück in die Politik findet. Das geht nicht über Anreize wie Geld, die auf dem freien Markt deutlich größere sind. Das geht nur über die Appellation an den inneren Citoyen. An die politische Verantwortung, die wir alle in uns tragen und die uns erst das Recht einräumt, uns über die herrschenden Verhältnisse zu beschweren, wenn wir selbst unsere Möglichkeiten der politischen Partizipation ausgeschöpft haben. Es wird immer wieder angeführt, dass der „Marsch durch die Institutionen“ der 68er für die heutige linke Übermacht im Staat verantwortlich ist. Also braucht es eine Art Kontermarsch, um eine Trendwende einzuleiten.

Ein Regierungswechsel allein ändert nichts an tiefgreifenden gesellschaftlichen Mentalitäten, an der Situation an den Schulen, den Unis, in den Ämtern, an den Gerichten und in der Politik. Sie ändert sich, indem wir wieder Teil dessen werden, was wir nur noch verächtlich von außen beobachten, weil wir es anderen überlassen haben. Mit der Politik ist es wie mit einer schlechten Beziehung. Es gehören immer zwei dazu. Ein Partner, der austeilt und einer, der es sich gefallen lässt. Hier wie auch da gilt es, rechtzeitig die Reißleine zu ziehen.

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Claus Weiten / 28.11.2017

Vielen Dank Frau Schunke. Sie machen mir damit das Unerträgliche erträglicher.

Erika Schaeper / 28.11.2017

Wie treffend beschrieben, Frau Schunke, wie mitreißend Ihr Appell! Gehen Sie voran!

Paul Mittelsdorf / 28.11.2017

Na ja, Schuld sind auch all diejenigen, die in einer Tour Kritik äußern, aber dann nicht einmal den Mut aufbringen, anonym die AFD zu wählen, obwohl das die leichteste (und momentan einzige) Möglichkeit wäre, die anderen Parteien zum Nachdenken zu bringen. Nicht einmal das äußerst vernünftige und liberal-konservative Parteiprogramm dieser Partei (Stichworte: Abschaffung der Erbschaftssteuer, Abschaffung der GEZ, Volksabstimmungen) wird mal auf einem der kritischen Blogs vorgestellt, geschweige denn in einer normalen Zeitung.

Mike Loewe / 28.11.2017

Was einen Konter-Marsch durch die Institutionen zusätzlich erschweren dürfte, ist, dass die liberale Seite damit nicht alleine ist. Auch von islamischer Seite ist ein Marsch durch die Institutionen bereits in vollem Gange.

Frank Haury / 28.11.2017

Bravo!

Anna Guarini / 28.11.2017

Ich habe auch lange überlegt, worauf der totale Sieg der Linken zurückzuführen ist. Im Kern köchelt es vielleicht auf folgendes herab: Die Konservativen haben eben keine eigene entwickelte Ideologie - sie sind seit jeher Pragmatiker. Aber in einer Gesellschaft, in der die Wirtschaft grosso modo gut läuft und es wenig Armut, dafür ein soziales Netz gibt, besteht für Pragmatismus und Vernunft wenig Bedarf - es läuft ja alles. Da darf man sich dann auch Träume leisten.  Die hören sich spannend an, und Spannendes macht Schlagzeilen. So erobert man die Themensetzungen. Die anderen tolerieren das - man ist ja tolerant, und am Anfang nimmt man die Spinner nicht ernst. Bis es zu spät ist. Bis die Hofnarren der Wohlstandsgesellschaft das Staatsschiff übernommen haben - durch den Marsch durch die Institutionen, durch Besetzung der Schlüsselposten in den Medien. Die Mehrheit hat das geschehen lassen, und lässt es geschehen, weil die Mehrheit eben noch nicht von einem “Südländer” überfallen worden ist. Oder arbeitslos ist. Und weil eben bei uns durch die politische Korrektheit das entsprechende Einschüchterungsklima herrscht, wie früher in der DDR. Ist noch etwas zu tun? Vielleicht bietet das Internet die Hoffnung, dass das Meinungskartell aufgebrochen wird. Die zurückgehenden Auflagenzahlen für die grossen Zeitungen sind ein Hoffnungszeichen. Der linke Siegeszug hat in den 70igern auch mit alternativen Medien angefangen. Und die hatten wesentlich weniger technische Möglichkeiten damals als wir heute.

Tilman Riemenschneider / 28.11.2017

Das Verfassen eines solchen Textes bedarf großen Mutes. Diesen Mut muss man sich leisten können. Viele Berufstätige und viele Selbständige können sich nicht als Kritiker der Herrschenden bekennen, da sie mit Anfeindungen bis hin zu Berufsverboten und der Vernichtung ihrer Existenzen rechnen müssen. Die Diktatur des sogenannten Mainstreams hat alle Bereiche unserer Gesellschaft erreicht und unterstellt allen Zweiflern Nazis zu sein. Aber immerhin sind 87% der Wähler aufrechte Demokraten: Nur die dümmsten Kälber wählen ihren Schlächter selber (Bert Brecht).

Dr. Ralph Buitoni / 28.11.2017

Tja, und wenn sich die Konservativen dann tatsächlich zusammentun, um den Marsch in die Parlamente anzutreten, dann werden sie als “Nazis” und “Rechtspopulisten” beschimpft und diffamiert, gerade auch von den feinen Herrschaften, die so gerne “liberal” sehen und ihren alten linken Tagen nachtrauern, und sich jeden Tag geschmäcklerisch nach allen Seiten “abgrenzen”.... Und was die von Frau Schunke angesprochenen sonstigen Lebensbereiche so angeht: dort finden sich nicht etwa deshalb keine liberal-konservativen Kräfte mehr, weil die nicht wollten, sondern weil seit den 1970er Jahren mit den Instrumenten “Quote”, “Gleichstellungs” (oder war es Gleichschaltungs?) Politik Säuberungswelle um Säuberungswelle durch die Institutionen gelaufen ist….

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