Von Anabel Schunke.
Wenn mir eine Aussage nach der vergangenen Bundestagswahl auf ewig im Gedächtnis bleiben wird, dann die Angela Merkels auf der Pressekonferenz der CDU einen Tag nach der Wahl. Während bei der Union nach dem schlechtesten Wahlergebnis seit 1949 nahezu geschlossen Katerstimmung herrschte, gab sich die Kanzlerin unwissend über die Ursachen des Debakels. Sie ließ auf die Frage einer Journalistin nach eigenen Fehlern verlauten:
„Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssten“.
Ich glaube bis heute, dass sie das tatsächlich so meinte. Es war der Offenbarungseid einer Frau, die zu lange schon regiert und deren eigene Filterblase, die Anzahl der bloßen Ja-Sager um sie herum zu groß geworden ist, um noch zu realisieren, was die Wähler umtreibt und wie weit man sich selbst von ihnen fortbewegt hat.
Das mag nicht zuletzt auch an einer Medienlandschaft liegen, die ihr das größtenteils durchgehen lässt. An einer Presse, die auch jetzt nach den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen den Schuldigen einzig bei den anderen sucht. Marietta Slomkas erzieherischer Ausbruch gegenüber Christian Lindner war gleichermaßen entlarvend wie grotesk.
Entlarvend, weil er offenbarte, wie sehr man beim Öffentlichen-Rechtlichen mittlerweile seine Kompetenzen überschätzt und nicht bemerken will, dass die Grenze zwischen Journalismus und Aktivismus allzu fließend ist. Grotesk, weil jener Aktivismus den Blick auf die eigentlich relevanten Fragen und Ursachen verschließt. Am Ende wird nahezu jeder einmal in die Mangel genommen.
Die FDP, die es geschafft hat, dass Prinzipientreue plötzlich etwas Schlechtes ist, genauso wie die SPD, die ihrer demokratischen Verantwortung nicht nachkommt, wenn sie nicht augenblicklich mit einer weiteren Auflage der Groko in den politischen Selbstmord springt. Einzig die Grünen und die Kanzlerin scheinen unfehlbar, als handele es sich um eine gottgegebene Symbiose, der sich keiner in den Weg zu stellen hat. Der Widerspruch wurde zur natürlichen Vereinigung und außer ein paar wenigen nichtgrünen Journalisten ist niemandem aufgefallen, dass genau in dieser Entwicklung der Grund für das aktuelle politische Dilemma liegt. Aber wie konnte es so weit kommen?
„Danke Merkel“, heißt es, wenn das Konto leer ist
Auch wenn es für Angela Merkel selbst unmöglich scheint, Fehler zu erkennen, so fällt es anderen umso leichter, mit dem Finger auf sie zu zeigen. Längst hat meine Generation einen Running-Gag aus der inflationären Schuldzuweisung gegenüber der Kanzlerin gemacht. „Danke Merkel“, heißt es, wenn gerade mal wieder das Konto leer ist, oder die Freundin Schluss gemacht hat. Eine Persiflage auf den Wutbürger, dessen Feindbild früh ausgemacht war.
Merkel ist also schuld und natürlich die deutsche Medienlandschaft, die sich schon viel zu lang mit ihr, den Grünen, Roten und Linken in weltanschaulicher Einigkeit befindet. Nicht zu vergessen auch die Hippie-Lehrer an den Schulen und die universitären Brutstätten des linken Firlefanzes vom Kulturrelativismus bis zur intersexuellen Toilette, ebenso wie die Justiz mit ihren laschen Richtern und die ganzen sonstigen Nichtsnutze in der Politik, die noch keinen Tag in der freien Wirtschaft überleben, die noch nie einen Cent Steuern zahlen mussten und es sich mit einer Karriere bei den JUSOS schon früh an der Titte des Staates bequem gemacht haben.
Sicherlich ist diese Liste polemisch und könnte hier und da noch um einige Gruppen ergänzt werden, aber sie trifft im Wesentlichen den Kern derer, die speziell in den vergangenen zwei Jahren als Schuldige in Teils brillanten Kommentaren großartiger Journalisten und Publizisten ausgemacht wurden. Prinzipiell ist daran auch nichts falsch und aus eigener Erfahrung weiß ich, wie gut es tut, den Irrsinn und seine Helfer, wenn man ihn schon nicht stoppen kann, zumindest zu beschreiben. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist jedoch etwas, mit dem wir Deutsche ohnehin unsere Schwierigkeiten haben: Die Eigenverantwortung.
Der Grund, weshalb ich einmal gesagt habe, dass ich nie wieder CDU wählen werde, ist nicht Angela Merkel und die Entscheidungen, die sie getroffen hat. Der Grund ist, dass ich all den anderen CDUlern nicht verzeihen kann, ihre Alternativlosigkeit erst möglich und sie in ihren fundamentalen Fehlentscheidungen von Eurorettungspolitik, über die Energiepolitik, bis hin zur Flüchtlingspolitik nicht gestoppt zu haben.
Ich bin wütend auf die Feiglinge
Während der erste Punkt erklärt, weshalb ich die CDU aktuell nicht wähle, erklärt der zweite, weshalb ich sie nie mehr wähle. Ja, ich bin genervt von all den linken One-World-Apologeten, die mir Deutschland manchmal wie ein großes Kuriositäten-Kabinett erscheinen lassen, aber ich bin wütend und vor allem enttäuscht von jenen, die anders als diese Typen nicht für diese Politik sind. Die wie ich dagegen und trotzdem zu keinem Zeitpunkt aufgestanden sind.
„Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient“, schrieb Joseph Marie de Maistre einst und auch wenn der Spruch mittlerweile zu den Arschgeweihen der politischen Weisheiten gehört, so ist er doch wahr.. Man kann die Schuld sicherlich einzig bei Merkel, den etablierten Medien, den Linken im Staatdienst und sonstigen Asylprofiteuren suchen, oder man erkennt, anders als die Bundeskanzlerin, auch das Versagen des eigenen liberalen und konservativen Milieus.
Da sind nicht nur die vielen Konservativen in CDU und CSU, die angeblich allesamt die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin ablehnen und doch nicht den Schneid gehabt haben, dagegen vorzugehen oder auch nur einmal öffentlich wirksam den Mund aufzumachen. Die in den fetten Jahren unter Merkel geflissentlich dabei zugesehen haben, wie sie mögliche Konkurrenten ausschaltete und sich selbst alternativlos machte.
Da sind auch wir alle, die sich um die Zukunft ihrer Kinder fürchten, aber noch mehr vor den sozialen und beruflichen Sanktionen, die es bedeutet, wenn man den Mund aufmacht. Die Angst um ihre finanzielle Zukunft haben, ihre Existenz, die ihnen angesichts einer desaströsen Einwanderungspolitik ohnehin schon unter dem Hintern weggerissen wird. Für die alles schlimm ist, aber noch nicht so schlimm, dass man sich die Blöße geben würde, auf die Straße zu gehen und gegen dieses Unrecht zu protestieren.
Ein Regierungswechsel ändert nicht wirklich viel
Da sind die liberalen und konservativen Karrieristen, die Unternehmer, die Macher in diesem Land, die den ganzen Blödsinn von BER bis hin zu „minderjährigen“ Flüchtlingen hauptsächlich mit ihren Abgaben finanzieren, sich jedoch anders als das linke Milieu zu schade für die Politik sind und daraufhin beklagen, dass sich nur das gesellschaftliche Mittelmaß findet, um staatspolitische Verantwortung zu tragen. Die, auf die sie verächtlich blicken, weil sie nur nach Absicherung streben und in der freien Wirtschaft nichts geworden wären.
Wenn Rousseaus erziehungsdiktatorische Theorie auch nur einen guten Aspekt hatte, dann jenen des Citoyens – des Partizipativ-Bürgers, welcher der Liberale lange nicht sein wollte und der dem Linken ins Blut übergegangen ist.
Wer die große Karriere machen und viel Geld verdienen will, geht eben nicht an die Schule und wird Lehrer. Wird nicht Dozent für Geschichte oder Politik an der Uni. Wird nicht Behördenmitarbeiter, nicht Angestellter bei AWO und Caritas und letztlich auch nicht Politiker. Jemand wie Trump ist eine Wohltat. Nicht, weil er sich sonderlich geschickt anstellt, sondern weil er als Unternehmer den Schritt in die Politik gewagt hat. Er steht für einen Politikertypus wie er in den USA immer weniger und hier gar nicht mehr vorkommt.
Dabei wäre es umso wichtiger, dass auch hierzulande der Liberale, der Individualist, der erfolgreiche Karrierist seinen Weg zurück in die Politik findet. Das geht nicht über Anreize wie Geld, die auf dem freien Markt deutlich größere sind. Das geht nur über die Appellation an den inneren Citoyen. An die politische Verantwortung, die wir alle in uns tragen und die uns erst das Recht einräumt, uns über die herrschenden Verhältnisse zu beschweren, wenn wir selbst unsere Möglichkeiten der politischen Partizipation ausgeschöpft haben. Es wird immer wieder angeführt, dass der „Marsch durch die Institutionen“ der 68er für die heutige linke Übermacht im Staat verantwortlich ist. Also braucht es eine Art Kontermarsch, um eine Trendwende einzuleiten.
Ein Regierungswechsel allein ändert nichts an tiefgreifenden gesellschaftlichen Mentalitäten, an der Situation an den Schulen, den Unis, in den Ämtern, an den Gerichten und in der Politik. Sie ändert sich, indem wir wieder Teil dessen werden, was wir nur noch verächtlich von außen beobachten, weil wir es anderen überlassen haben. Mit der Politik ist es wie mit einer schlechten Beziehung. Es gehören immer zwei dazu. Ein Partner, der austeilt und einer, der es sich gefallen lässt. Hier wie auch da gilt es, rechtzeitig die Reißleine zu ziehen.