Claudio Casula / 05.10.2023 / 13:00 / Foto: Pixabay / 102 / Seite ausdrucken

Ein Hauch von Weimar

Sind die Vorsitzenden der AfD jetzt auch zur Zielscheibe von Extremisten geworden? Was wissen wir bisher? Woran erinnert uns die Situation? Und was ist zu tun, damit wir nicht weiter in Weimarer Verhältnisse schlittern? 

AfD-Chef Tino Chrupalla wird nach Angaben seines Büros weiterhin intensivmedizinisch in einem Ingolstädter Krankenhaus behandelt. Noch immer weiß man so gut wie nichts über die Hintergründe des Vorfalls. Ein Attentat, wie man im rechten politischen Lager argwöhnt? Oder eine perfide Finte, wie man im linken Lager unterstellt? Sicher ist nur, dass es laut des Donaukurier eine Demonstration gegen die AfD-Wahlkampfveranstaltung gegeben haben soll, die von einer bemerkenswerten Einheitsfront aus CSU, SPD und Linkspartei unterstützt wurde. Der österreichische Publizist Gerald Grosz sagte der Jungen Freiheit, dass dem AfD-Chef schlecht geworden sei und er dabei auf zwei junge Männer gezeigt habe. Grosz und die AfD-Spitzenkandidatin in Bayern bestätigten der JF, dass am Ort eine Nadel gefunden worden sei. Ein Sprecher Chrupallas sprach von einer „Einstichstelle“. Es liefen Untersuchungen auf mögliche Substanzen im Körper, die Polizei ermittle.

Zuvor war berichtet worden, dass Chrupallas Co-Vorsitzende Alice Weidel auf einen geplanten öffentlichen Auftritt im bayerisch-thüringischen Grenzort Mödlareuth verzichtet hat. Es habe am vorletzten Wochenende einen „sicherheitsrelevanten Vorfall“ gegeben: „Frau Weidel und ihre Familie wurden von Sicherheitsbehörden aus ihrer privaten Wohnung an einen sicheren Ort verbracht, da sich Hinweise verdichtet hatten, die auf einen Anschlag auf ihre Familie hindeuteten“ (näheres hier).

Die grüne Bundestagsabgeordnete Renate Künast ließ es sich dennoch nicht nehmen, gestern Abend folgenden Tweet abzusetzen:

„Hat #AliceWeidel das Sicherheitsproblem passend zur #Wahl erfunden? Laut @derspiegel war/ ist sie munter auf #Mallorca. Ich trau ihr ein solch perfides Schauspiel zu.“

Tatsächlich hält sich Alice Weidel nach Angaben ihres Sprechers Daniel Tapp aktuell auf Mallorca auf, aber nicht aus Daffke:

„Nach dem, für die gesamte Familie, sehr aufrührenden Ereignis vom 23. September, ist sie mit ihrer Lebensgefährtin und den Kindern der Empfehlung gefolgt, einige Zeit ihrer häuslichen Umgebung fernzubleiben, welche ein mutmaßliches Anschlagsziel war.“

Klammheimliche Freude? Nein: ganz offene!

Im Blätterwald herrschte allerdings eher Schweigen. Im Fall Chrupallas vergingen sogar 16 Stunden, bis sich Bild bequemte, eine ziemlich nüchterne Meldung über den „Vorfall“ doch noch auf der Startseite zu platzieren. Derweil überbieten sich AfD-Hasser darin, die Partei wahlweise entweder der Lüge zu bezichtigen (Bedrohungen alle nur erfunden!) oder ihrer Zustimmung und Begeisterung darüber Luft zu machen, dass das Führungsduo der AfD offenbar zur konkreten Zielscheibe geworden ist. Es ist erschreckend, was man dazu in den (a)sozialen Medien lesen kann. Hate speech von links, aber heftig!

Und nicht nur Weidel und Chrupalla. Der Augsburger AfD-Politiker Andreas Jurca war im August von jungen Männern mit mutmaßlich „südländischem Aussehen“ übel zugerichtet worden. Auch da wurden sofort Stimmen laut, die den Vorfall als „inszeniert“ bezeichneten. „Mutmaßlich verprügelter AfD-Politiker nun selbst angezeigt“, titelte das Redaktionsnetzwerk Deutschland und insinuierte damit etwas, was sich bei genauerem Hinsehen nur als Vermutung eines „antifaschistischen Aktivisten“ aus dem Saarland entpuppte, der Jurcas Darstellung bezweifelte. Tatsächlich aber durchsuchte die Polizei gerade eben Wohnungen von zwei Tatverdächtigen.

Nun sind Attentate auf Politiker in Deutschland nicht gänzlich neu. Man erinnert sich an die schwer an Schizophrenie erkrankte Adelheid Streidel (sie hörte Stimmen, hatte Erscheinungen und schwadronierte von „Menschentötungsfabriken der Bonner Regierung“), die im April 1990 ein Attentat auf den damaligen SPD-Chef Oskar Lafontaine verübte, das dieser nur knapp überlebte; und an die Schüsse auf CDU-Politiker Wolfgang Schäuble, die Dieter Kaufmann, ebenfalls psychisch schwer gestört (er gab als Motiv an, Bürger würden mittels „elektrischer Wellen“ und „Lauttechnik“ gefoltert und ihnen „elektrolytisch erhebliche Schmerzen“ zugefügt), im Oktober desselben Jahres abgab. Gut, das waren zwei Wahnsinnige, aber auch politisch motivierte Anschläge, die RAF mal außen vor gelassen, wurden schon vor hundert Jahren verübt, man denke an die Ermordung des Zentrumspolitikers Matthias Erzberger 1921 und die des Außenministers Walther Rathenau im Jahr darauf.

Verbale Abrüstung täte not

Zweifellos haben es politische Extremisten heute zuallererst auf die allgemein verteufelte AfD abgesehen. Da diese vom politmedialen Komplex unisono als Partei von „Demokratiefeinden“, „Rechtsextremen“ und „Nazis“ diffamiert wird, sollte sich niemand wundern, wenn sich Leute dazu aufgerufen fühlen, den von oberster Stelle ausgerufenen „Kampf gegen rechts“ sehr wörtlich zu nehmen. Nach dem Motto: Wenn es gilt, die Demokratie zu retten und das Vierte Reich zu verhindern, ist es gerechtfertigt, die Spitzenkandidaten der vermeintlichen Demokratiefeinde und Nazis ins Fadenkreuz zu nehmen. Geistige Brandstiftung wird gern dem politischen Gegner vorgeworfen, aber dieser Vorwurf kann auch zum Bumerang werden.

Leider war diese Entwicklung abzusehen. Schon der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) wurde 2019 Opfer der vergifteten Atmosphäre im Land, zu der das Gerede von den „Volksverrätern“ ebenso gehört wie die Verunglimpfung des politischen Gegners als „Demokratiefeinde“ und „Nazis“. Verbale Abrüstung ist dringend angesagt, wenn es hier im Land nicht immer stärker nach Weimar riechen soll. Damals war die Demokratie wirklich in Gefahr, bedroht durch Kommunisten wie Nationalsozialisten gleichermaßen; sie machten auch gar keinen Hehl daraus und sie unterstrichen das durch die tägliche brutale Gewalt ihrer durch die Straßen marodierenden Schlägerbanden.

Das ist heute, um es klar zu sagen, nicht der Fall, also sollte man auch keine akute Gefährdung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung suggerieren. Aber die Befürchtung, dass die Lage früher oder später eskaliert, wenn die Politik nicht endlich zu einem halbwegs sachlichen Ton in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner zurückfindet und etwa dessen Verbot ins Spiel bringt, scheint nur allzu berechtigt. 

 

Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten.

Foto: Pixabay

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Markus Knust / 05.10.2023

Der Artikel illustriert wunderbar, weshalb dieses System existieren und in aller Ruhe agieren kann. Diverse Kommentatoren unterstreichen dies nochmal. Mancher entblödet sich nicht, gar GMX und ähnliche Mainstream Portale zu zitieren - denn auf die deutsche Qualitätspresse ist Verlass. Das sind übrigens die Gründe, weshalb ich das ehemalige Deutschland verlassen habe und solchen Personen, die sich noch darüber lustig machen oder von Lügen sprechen, gönne was jetzt kommt - als gelernter DDR Bürger weiß man es.  Und solche Artikel sind auch der Grund, warum ich Portalen wie Tichy und Achse nicht einen Cent spenden würde.  By the way: Was euch die deutsche Qualitätspresse, oder so vertrauenswürdige Portale, wie GMX (der Brüller überhaupt) nicht erzählen: Frau Weidel wurde, samt ihrer Familie, von der Schweizer Kantonspolizei gewarnt und weggeschickt. Und die handeln, im Gegensatz zu euren Truppen, nach Recht und Gesetz - nicht nach Anweisung von Verfassungsfeinden. Viel Spaß mit eurem “Alles nur halb so wild” Regime, welches die Verfassung gar nicht in Gefahr bringt. Und Qualitätsmedien, wie GMX. @Michael Müller: Was soll Frau Weidel Ihrer Ansicht nach tun? Weinend im Keller sitzen? Oder glauben Sie, die Linksextremisten fliegen dann auch nach Mallorca? Das hier ist kein James Bond Film, Sie Naivling?

Sabine Schönfeld / 05.10.2023

Wie soll man jene nennen, die ihre bösartigen und hinterhältigen Schergen auf die politische Konkurrenz hetzen, weil sie gerade erfolgreicher ist? Menschen kann ich sie jedenfalls nicht nennen. Die exakte Bezeichnung, sie wäre wohl justiziabel im heutigen verlogenen Deutschland.

Line Bachli / 05.10.2023

Man mag es kaum glauben, daß der Autor offensichtlich nach wie vor davon ausgeht, daß wir in einer “freiheitlich-demokratischen Grundordnung” leben. Echt? Nach allem, was in den letzten Jahren los war? Mit 99%-ig radikal linken Medien? Mit einer Justiz, die politisch auf Linie gebracht wurde? Mit einem Zwang, Wärmepumpen einzubauen und Häuser zu sanieren? Mit Urteilen, die Beleidigungen von Politikern mit 11000 Euro Geldstrafe ahnden und Vergewaltigungen mit Bewährungsstrafen? Mit einer Öffentlichkeit, die die einzige Partei, die Volksabstimmungen fordert, als “undemokratisch” bezeichnet? Aufwachen, würde ich sagen.

Jürgen Fischer / 05.10.2023

@A. Ostrovsky, »Ja, aber ich gebe auch zu bedenken, dass der gewöhnlich gut unterrichtete Doktor Hirschhausen von festgestellt hatte: “Irre - Wir behandeln die Falschen”.« Das war ausnahmsweise mal nicht der Hirschhausen, sondern der Lütz. Ist aber kein allzu großer Unterschied.

Jürgen Fischer / 05.10.2023

O hörts halt endlich auf, mit zweierlei Maß zu messen. Hätte sich beispielsweise Ricarda Lang einen Nagel abgebrochen, hätte man das Geplärr bis in den letzten Winkel des Landes vernehmen können. Hier auf der Achse wäre immerhin schnell geschrieben worden, was war: Ricarda Lang hat sich einen Nagel abgebrochen. Und hier? Hmnja, »man [sollte] auch keine akute Gefährdung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung suggerieren.« Die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist mithilfe von Corinna abgeschafft worden. Nis is mehr. Die is fort. Und unser ach so neutraler Bundespräsident, der so gerne gegen die AfD hetzt (das darf er nicht, zumal er laut Amtseid „Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde“, was er regelmäßig nicht tut) gießt alle naslang Öl ins Feuer und beschleunigt die Entwicklung, deren Resultate wir mit zunehmender Fassungslosigkeit bewundern dürfen.

Thomas Schmied / 05.10.2023

Noch gibt es keine (veröffentlichten) Beweise für einen Anschlag. Es gibt jedoch ein Foto von zwei Tatverdächtigen, die am Tatort bei der Polizei stehen. Es sind zwei Jüngelchen, wohl kaum älter als zwanzig Jahre, mit hellblonden Haaren und in schwarzer Kleidung. Beide Figuren grinsen breit und selbstzufrieden in die Kamera. Würde ein zu Unrecht von der Polizei festgehaltener junger Tatverdächtiger in einer solchen Situation derart freudig grinsen? Unwahrscheinlich. Chrupalla ist zudem ein grundsolider Typ mit guter Gesundheit. Ebenfalls äusserst unwahrscheinlich, dass er da jetzt eine Show abzieht, um sich in “eine Opferrolle” zu setzen, wie es ihm boshaft unterstellt wird. Die AfD hat gerade einen Lauf, haufenweise gute Argumente und Themen auf der Pfanne. Sie haben solche linken Winkelzüge gerade in keinster Weise nötig. Dann noch Frau Weidel… Frau Weidels Familie musste wegen einer, nach Einschätzung der Schweizer Polizei ernsten Bedrohungslage fluchtartig ihr Zuhause verlassen. Ihre Familie, darunter zwei kleine Kinder, belastet das schwer. Sie haben, dem Rat der Polizei folgend, das Land verlassen und sind nach Mallorca gereist. Medien drehen es jedoch so, als würde Weidel einfach mal locker auf Malle Urlaub machen… Was ist aus diesem Land geworden?

C. Schwede / 05.10.2023

Pfarrer Martin Niemöller: „Als sie die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler. Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“

P. Wedder / 05.10.2023

In Falkensee (bei Berlin) gab (Anf. Sep.?) auf den sozialen Medien eine Drohung („Diese scheiß afd will das hier in Deutschland krieg herrscht die sollen aus der stadtverordneten Versammlung verschwinden und aus dem Bundestag genauso die müssen getötet weden“) ggüber der AfD. Den Verfasser ereilte Hausverbot bei der Stadtverordnetenversammlung (SVV) und eine Strafanzeige. Der Schreiber soll behindert sein und einen Vormund haben. Dennoch wurden die Drohungen so ernst genommen, dass die Sicherheitsmaßnahmen zur SVV verstärkt. Wurden und auch die Polizei vor Ort war. Den „Mainstreammedien“  war es keine Meldung wert. Erschreckend ist die Atmosphäre, in der Menschen der Tod gewünscht wird und die Gleichgültigkeit, wenn es denn nur die vermeintlich „richtige“ Person trifft.

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