Thilo Schneider / 10.10.2018 / 15:00 / Foto: Timo Raab / 76 / Seite ausdrucken

Dr. Wolfgang Michael Gedeon. AfD. Mal wieder.

Ich hätte auch über Frau Dr. Rottmann von den Grüngendersterncheninnen, der Petitionsverhörerin und Miss-Versteherin der Ein-Kessel-Buntes-Regierung schreiben können. Hätte ich machen können. Aber weil sie ja nicht die Einzige ist, die von Wenig bis Nichts eine Ahnung hat, widme ich diesen Artikel einem – nennen wir ihn freundlich – „aufrechten Demokratieverfechter“, der tatsächlich wie überhaupt so gar kein Anderer für Meinungsvielfalt und Pluralismus in der – es tut mir leid – „Alternative für Deutschland“ sein deutsches Wesen treibt.

Ich möchte ferner vorausschicken, dass der Held meiner unrühmlichen Betrachtung selbstverständlich lediglich ein klitzekleiner Einzelfall ist, von dem man auf keinen Fall auf die komplette Partei schließen kann, so etwas wäre ja auch unanständig. Von einem Einzelfall auf eine Allgemeinheit oder gar einen perfiden Plan zu pauschalisieren. 

Ja, die Rede ist von Dr. Wolfgang Michael Gedeon. Mal wieder. „Einen pro Jahr“ muss er ’raushauen, der Wolfgang. 

Gut, Herr Gedeon ist als Mitglied des baden-württembergischen Landtags und mehr oder weniger geduldetes AfD-Mitglied jetzt nicht in einer so herausragenden Position, als dass er etwas zu sagen hätte (was er trotzdem leidenschaftlich gern tut) oder man ihn kennen müsste. Immerhin waren weniger als zwei Drittel aller AfD-Mitglieder der Meinung, dass sich Herr Gedeon aus der AfD verabschieden sollte, aber er ist eben wie ein politischer Verkehrsunfall, der Wolfgang. Es graust einen, aber man kann auch nicht wegsehen.

Ein Parteiausschlussverfahren gegen Gedeon wurde „aus formellen Gründen“ eingestellt, die AfD hat schlicht die Frist für die Vorlage beim Landesschiedsgericht verbaselt, was ja schon einmal vorkommen kann, wenn man mit der Rettung Deutschlands vor dem Untergang alle Hände voll zu tun hat. Das haben andere Parteivorsitzende in gleicher verzweifelter Situation früher konsequenter endgelöst, wie Ernst Röhm und Gregor Strasser bestätigen könnten, so sie noch lebten. Aber die AfD ist schließlich auch nicht die NSDAP. Das sei hier ausdrücklich betont! Bevor es wieder „soundso“ heißt…  

Selbstverständlich hat Herr Gedeon nichts gegen Juden

Nachdem also Herr Gedeon von der AfD in der Vergangenheit ja schon über diverse Steine gestolpert ist, hat ihm nun eine ganz speziell zu integrierende Gruppe einen wahren Felsen Horeb in den Holzweg gelegt: „De Jodn“ sind es mal wieder.

Selbstverständlich ist es so, dass sich „die AfD von Antisemitismus und Rassismus in jeglicher Form distanziert“. Sagt jedenfalls die Vorsitzende der „Juden in der AfD“, Vera Kosova, und die muss es ja wissen. Leider hat sie dieses Wissen nicht mit Herrn Gedeon geteilt, denn der hat, was Juden im Allgemeinen und in der AfD im Besonderen angeht, eine leicht divergierende Meinung.

Selbstverständlich hat Herr Gedeon nichts gegen Juden (erst recht nicht, nachdem die Alliierten alles, was man gegen Juden haben kann, 1945 zerbombt oder aufgelöst, verhaftet oder aufgehenkt haben) und ich bin sicher, seine besten Feinde sind Juden. Nur in der AfD, da will er sie nicht so gerne haben, weil doch die AfD „zu Recht eine positive Haltung zum wahren christlichen Selbstverständnis des europäischen Kontinents eingenommen hat“. Ja, „im ungünstigsten Fall handelt es sich bei (der neu gegründeten innerparteilichen Organisation) „Juden in der AfD“ um eine zionistische Lobbyorganisation, die den Interessen Deutschlands und der Deutschen zuwider läuft.“ Im günstigsten Fall aber immerhin nur um einen „überflüssigen Kropf“, so der Meister aus Singen. Oder Meistersinger.

Nun könnte sich ja durchaus die Frage stellen, wie ein Mann, den der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, meinungsfreiheitlich gerichtlich abgesegnet als „Holocaustleugner“ bezeichnet, in der AfD auf einen Listenplatz gewählt werden kann, der ihm den Einzug in den Landtag beschert hat. Und von wem er da gewählt wurde, wenn nicht von AfD-Mitgliedern an der Basis. Aber das wäre wahrscheinlich wieder gemein und verallgemeinernd und es würde ein lautes Wehklagen einsetzen. Deswegen lasse ich solch ketzerisches Teufelszeug lieber.

Vielleicht melden sich die Bilderberger oder Illuminati bei mir

Immerhin hat Herr Gedeon ja seinerzeit „nach Gesprächen“ mit Meuthen und Petry auf seine Fraktionsmitgliedschaft in der AfD im Landtag „verzichtet“, nachdem er einmal mehr in die Verstrickungen einer „zionistischen Weltverschwörung“ geraten war. Und ehrlich ist er auch und macht aus seinem Herzen keine Massenmördergrube. Das ist zwar das Mindeste, was man von einem Politiker erwarten können sollen dürfte, aber er spricht ja auch nicht für die komplette AfD. Nur für mehr als 33 Prozent aller am Parteiausschlussverfahren beteiligten Mitglieder. Sonst stünde auf seinem Abgeordnetenschild mittlerweile das Wort „parteilos“. 

Allerdings reichen mehr als 33 Prozent schon für das Aufstellen einer Regierung. Wie es die kindliche Kanzlerin letztes Jahr vorgemacht hat. Ob wir wohl hier den neuen Wolf(gang) im Wolfspelz sehen? Das möge jede nur denkbare „zionistische Judenlobby“ und „jüdische Zionistenlobby“ verhindern! Und, bevor einer der stillen Bewunderer Gedeons nachfragt: Ich würde gerne einer jüdischen Zionistenlobby angehören, aber ich habe im Web keine Bewerbungsadresse gefunden. Vielleicht melden sich jetzt wenigstens die Bilderberger oder Illuminati bei mir. Oder bei den ob einer obskuren „jüdischen Zionistenlobby“ besorgten Bürgern der medizinisch-psychologische Dienst. Wer eben schneller ist.  

Foto: Timo Raab

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Klaus Neumann / 10.10.2018

Ach Gott, Herr Schneider. Ich hatte schon die Befürchtung, Sie hätten der Versuchung widerstanden. Das ist wie Rauchen, stimmt’s? Vorgestern im Trash-TV war auch so eine Folge über einen Kölner “Medienschaffenden”, Name habe ich vergessen, der sich das Rauchen abgewöhnen will und trotzdem nicht von loskommt. Zwischen Mallorca, der Türkei und dem Jakobsweg ließ er das Publikum teilhaben an seiner Sucht. So ist auch Ihre Beziehung zur AfD. Das kommt zu oft und vorhersehbar, um zu wirken, also erkennt man die Absicht und ist gelangweilt. Ansonsten teile ich durchaus Ihre Meinung und finde, Gedeon ist ein verbohrter Antisemit und hat in meiner Partei nichts zu suchen. Aber derartige Parteimitglieder wird man nur schwer wieder los. Irgendwann klappt es und - was machen Sie dann?

Heinrich Lodsch / 10.10.2018

“Nun könnte sich [...] die Frage stellen, wie ein Mann, den der Vorsitzende des Zentralrats der Juden [...] als „Holocaustleugner“ bezeichnet, in der AfD auf einen Listenplatz gewählt werden kann, der ihm den Einzug in den Landtag beschert hat.” Die Landtagswahl in BW war 2016. Gedeon wurde 2017 als übler Antisemit enttarnt. Es ist schon peinlich, wenn man im selben Artikel Gegenargumente liefert. Man sollte sein AfD-Bashing schon etwas überlegter organisieren! Gruß Kein AfD-Wähler

Dominic Wagner / 10.10.2018

Na kommen Sie, noch hat Gauland die Anführer der zionistischen Guerilla innerhalb der AfD nicht exekutieren lassen, also nun mal halblang mit ihren Nazi-Vergleichen ! Wie paranoid kann man nur sein. Ich wette, wenn Beatrix ihren “Moslems in der AFD”-Verein tatsächlich aufmacht, sind Sie der Erste, der darin eine antisemitische Verschwörung wittert.

Sven Kuchary / 10.10.2018

In dieser Frage irrt Herr Schneider: “wie ein Mann.. in der AfD auf einen Listenplatz gewählt werden kann, der ihm den Einzug in den Landtag beschert hat?”  Im Baden-Württemberg gibt es keine (!) Listenplätze! Es gibt nur Kandidaten der Wahlkreise. In den Landtag kommt man per Direktmandat, knapp die Hälfte der Sitze ausmacht. Die restlichen Sitze werden nach Prozenten an die Parteien vergeben. Zum Zuge kommen je Partei die Kandidaten mit mehr Stimmen im Wahlkreis als die Parteikollegen. Die Antwort auf Schneiders Frage Teil zwei: “Und von wem er da gewählt wurde, wenn nicht von AfD-Mitgliedern an der Basis?” lautet: a) von den AfD-Mitgliedern im Kreisverband Singen, wo offenbar kein besserer sich aufstellen lassen wollte - das ist wohl der Punkt - und b) von den Wählern im Wahlkreis 57 Singen, die Herrn Gedeon mehr Stimmen gaben als der AfD anderswo. Es reicht also ein dummer Kreisverband mit Kandidatenmangel. Dasselbe übrigens im Wahlkreis 31 Wiesloch, dessen AfD-Abgeordete nervenschwach zur CDU wechselte.

HaJo Wolf / 10.10.2018

Ach Herr Schneider, der Frust muss bei Ihnen ja tief sitzen, dass Sie sich in das wohlfeile AfD-Bashing einreihen. Auf Achgut ist man eigentlich stil- und niveauvollere Beiträge gewohnt, Ihrer hingegen bewegt sich auf dem Niveau des von Ihnen bescholtenen Gedeon. Der Mann ist so wichtig wie der Sack Reis, der in Zentralchina vom Rad fällt. Politiker und Politikerinnen wie Wendt, Rottmann und die grinsende Grüninnen-Visage neben ihr wären tatsächlich bedeutendere Themen für einen Artikel, denn sie haben eindrucksvoll demonstriert, was die uns Beherrschenden vom Volk und dessen Willen halten. Was ich von der FDP halte, ist hingegen hier nicht druckreif.

Franck Royale / 10.10.2018

Könnte Gedeon nicht vielleicht mit Kretschmann in Baden-Württemberg eine Partei der Ex-Maoisten gründen? Leute wie Gedeon sollten wirklich dankbar sein, erst zu spät und dann auch noch auf der falschen Seite des eisernen Vorhangs geboren zu sein - und das Politik machen Menschen überlassen, welche weniger sozialistischen Bullshit in der Vita kleben haben.

Ralf Pöhling / 10.10.2018

Stellen Sie sich mal vor Herr Schneider, der Herr Gedeon wäre nicht AFD Mitglied. Dann hätten Sie so einen Artikel mangels Alternativen gar nicht schreiben können. Gedeons Aussagen sind sicherlich als antisemitisch zu werten. Aber es sind nur seine Aussagen. Und nichts davon ist Parteilinie oder findet sich im Parteiprogramm wieder. Also wo ist das Problem?

Matthias Thiermann / 10.10.2018

Und genau deswegen werde ich diesen Artikel nicht lesen.

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