Thilo Schneider / 05.02.2020 / 16:30 / Foto: Timo Raab / 19 / Seite ausdrucken

Diskriminiert mich! Bitte! Das ist Menschenrecht!

In irgendeinem Asterix-Comic gibt es eine nette Szene: Der greise Methusalix schlägt den Schmied Automatix. Dieser schlägt daraufhin Verleihnix, den Fischhändler. Auf dessen verblüffte Frage, was er denn getan hätte, antwortet Automatix sinngemäß: „Nichts, aber ich kann ja das alte Wrack da nicht schlagen.“ Daraufhin beschwert sich Methusalix lautstark (ebenfalls sinngemäß): „Ich will, dass man mich schlägt, ich habe ein Recht darauf, dass man mich schlägt!“

Ich glaube, Diskriminierung ist ein Menschenrecht. Wer, wie ich, viel im Internet unterwegs ist, der erlebt als „alter weißer Mann“ jede Menge Diskriminierung, angefangen vom spöttischen Hashtag #OKBoomer bis hin zu Aussagen wie „Ihr seid sowieso bald alle tot“. Und, seltsam, mich freut das. Ich habe mir das Recht, diskriminiert und beschimpft zu werden, hart erarbeitet. Hinzu kommen dann die üblichen Tobsuchtsanfälle, wenn mein politischer Background sichtbar wird, das geht dann vom „Neoliberalen“ über den „kaltherzigen Narzissten“, die „Umweltsau“ und den „Tiermörder“ bis hin zum heutigen All-time-Klassiker „Nazi“. Gelegentlich, wenn die Emotionen hochschlagen, kassiere ich auch mal die eine oder andere Morddrohung, übrigens von allen Seiten. Je nachdem, wem ich gerade auf die linken oder rechten oder religiös gereinigten Füße getreten bin. Sowas adelt, ich werde deshalb damit nicht weinend meine Mitmenschen nerven.

Tatsächlich fände ich es schlimm, wenn über uns „Boomer“ keine Witze gemacht werden dürften, wenn wir nicht beschimpft werden dürften. Das würde bedeuten, dass uns unsere Antagonisten für nicht ganz voll nähmen oder seelisch instabil hielten. Dass man glaubt, wir würden wegen derartigem Pillepalle in Schock- oder Deckstarre fallen, dass man uns schonen müsste, weil wir Beschimpfungen und Beleidigungen seelisch nicht verkraften würden. Dass wir irgendwelche Sensibelchen und Heulsusen wären, die einen kräftigen Streich nicht abkönnten. Das Leben ist nun einmal kein Ponyhof. Wir „Boomer“ wissen das. Oder lernen es spätestens, wenn wir den Pflegegrad für Eure Großeltern beantragen müssen.

„Endlich etwas verboten“ bekommen

Ich habe das Glück oder auch nur schlicht keine Zeit, an Depressionen zu leiden. Ich muss arbeiten, weil hier so ein wenig Lebensunterhalt verdient werden muss. Ich habe keine Zeit, beleidigt und traurig zu sein. Und ich glaube, es geht vielen von uns Babyboomern so, selbst wenn die ersten von uns jetzt in Rente gehen und einige bereits Opfer ihres Lebenswandels wurden. Wer sich seiner Sache sicher ist, fällt so schnell nicht in Ohnmacht. Meinetwegen kann man das auch die „Arroganz des Alters“ nennen, aber wir sind nun einmal veritable Schlachtrösser, die – und da haben die zukunftszitternden FFF-Protagonisten recht – ebenfalls dieses Land mit aufgebaut und in eines der, wenigstens bisher, schönsten, friedlichsten und freiesten Länder dieses hübschen Erdballs verwandelt haben.

Wenngleich diese Tendenz durch die wohlstandsverwahrlosten Volltrottel der von uns gezeugten und unerzogenen Handy-Generation einen rückläufigen Trend erfährt. Weil diese Horde Instagram-Süchtiger vor lauter Langeweile ganz offiziell und schizophren „endlich etwas verboten“ bekommen will. Oder wenigstens verbieten will. „Kinder nehmen ihre Eltern in Haft“ oder so.

Umgekehrt können nämlich die Austeiler schlecht einstecken, das macht es schwierig in den Diskussionen. Unsere Erziehung und Etikette verbietet es uns meist, mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Tatsächlich sind wir vermeintlich unsensiblen alten Drecksäcke viel zu nett zu unseren Beschimpfern. Weil wir wissen, was unter Umständen ja dranhängt. Weil sich gelegentlich der ein oder andere von uns Gedanken darüber macht, welcher Mensch hinter dem anonymen Avatar steckt, der meinte, ihn soeben mit #OKBoomer auf die schiefe Bahn des Diskurses schieben zu müssen. Denn wehren wir uns mit den gleichen Waffen, sind wir diejenigen, die „für Hass und Hetze verantwortlich sind“. Bereits mit der harmlosen Erwiderung #YoureWelcomeSnowflake ergreift das Gegenüber eine Mischung aus Zorn und Panik und das wäre ja typisch und wie könne man nur …

Gebt uns alles, Ihr Spinner

Ein simples „würdest Du weniger auf Dein Geschlechtsteil und mehr auf Deinen Charakter achten“ offenbart für das Schneeflöckchen von heute eine derart grobe und großartige Unsensibilität mit Menschen des 16ten Geschlechts, dass er zornestränenweinend dich Nazidrecksau am liebsten vor die Wand stellen würde, damit du endlich Toleranz lernst. Das ist dann der gleiche Mensch, der dich am CSD mit an der Intimpiercingkette baumelndem Geschlechtsteil für die Idee begeistern möchte, ihm ein Kind zur Adoption in den Arm zu drücken. Weil ihm eine unbarmherzige und gnadenlose Natur das immer noch verwehrt. Aber was weiß ich als alter weißer heterosexueller Mann (der natürlich seine Frau, seine Kinder und alle Ausländer schlägt) schon?  

Deswegen: Her mit der Diskriminierung, gebt uns alles, Ihr Spinner, wir können das tragen und ertragen. Weil wir am Ende des Tages auf ein für unsere Verhältnisse schönes und reiches Leben blicken werden, verbunden mit den Erinnerungen und positiven Dingen, die wir sowohl für Euch als auch für uns geschaffen haben. Ihr werdet das spätestens bei der Testamentseröffnung erfahren, wenn Ihr den Wohlstand, den wir geschaffen oder gemehrt haben, erbt. Den könnt Ihr dann ja ausschlagen, wenn Ihr meint.

Aber bis dahin passen wir noch ein wenig auf Euch auf, damit Ihr Euch und uns nicht versehentlich die Beine unter dem sensiblen Hintern wegzieht und, verdammt, ja: Ihr werdet uns noch einmal dankbar sein. Später. Wenn Ihr selbst Erinnerungen geschaffen habt und wir nur noch Erinnerung sind. Beschimpft und „diskriminiert“ uns also ruhig. Ich bitte darum! Wir machen die Türe zu und die Stereoanlage laut. Genau so! Schiebt Euch Eure dämlichen Gendersternchen dahin, wohin die Sonn*in nicht scheint. F... you. Wir sind #OKBoomer!

P.S.: Damit wir uns nicht falsch verstehen und weil man ja manchen Leuten alles erklären muss: Wenn jemand eine Wohnung oder einen Arbeitsplatz nicht bekommt, weil er zu schwer, zu schwul oder zu schwarz ist, dann ist das eine echte Diskriminierung. Und gegen das Grundgesetz und indiskutabel. Aber darum geht es in diesem Artikel nicht.

Weitere Erbstücke des Autors auch unter www.politticker.de

Foto: Timo Raab

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Leserpost

netiquette:

Dr. Phil Omanski / 05.02.2020

Einer der ulkigsten Phänome in den Internet"diskussionen” ist, daß man abwechselend je nach Gegenüber nach dem Schreiben der eigenen Argumentation ein Liberaler ist, fünf Stunden später in einem anderen Thread zu einem anderen Thema ein Nazi, und am nächsten Tag wieder anderswo ein Linksversiffter. Daraus lese ich die Unsicherheit und die Ahnungslosigkeit über das Leben, die Welt und die Menschen im Allgemeinen, die diese Personen treibt.

E Ekat / 05.02.2020

ich frage mich, warum man sich rumstreiten soll mit Leuten, die sich auf der Triebebene befinden, mithin rationaler Austausch garnicht stattfinden kann. Ist das nicht ein wenig sadistisch, sich mit derart Eingeschränkten verständigen, gar messen zu wollen? Ich gehe ja auch nicht ins Affenhaus um den dort (zu recht) eingegitterten aus Goethe oder Kant vorlesen zu wollen. Das wäre vergeblich, wie ich herausgefunden zu haben glaube. Ersatzweise freue ich mich, daß die demnächst mit Elon Musk den Mars besiedeln wollen. Falls das Kabel lang genug ist.

Gabriele H. Schulze / 05.02.2020

Von doofen Leuten doof gefunden werden ist voll cool. Ich konstatiere schon leichte Beunruhigung im gutmenschlichen Gegenüber, wenn man nicht in seine Tiraden einstimmt. Diese Tiraden dienen ja immer der Haltungsüberprüfung. Nur ein nachdenkliches “so, so”, “kann sein”,  “wer weiß”, und er oder sie sucht das Weite. So weit es mein Rücken zuläßt, besteige ich relativ gerade dann ein anderes Abteil des Nahverkehrszugs…

Stefan Müller / 05.02.2020

“ok, doomer!”, wäre die richtige Antwort an die Schneeflöckchen, las ich vor einiger Zeit.

Andreas Rühl / 05.02.2020

Hier die Tage las ich in FH-Gießen und Gerichtsnähe (Messeplatz) eine Aufschrift auf einer im Eigentum vermutlich der Telekom stehenden Sache (grauer Kasten) im öffentlichen Raum: “NAZIS RAUS!” lautete der sachbeschädigende Schriftzug. “Genau!”, dachte ich mir, “raus mit ihnen, diesen abscheulichen Nazis!” Doch dann die plötzliche Erkenntnis: “Die meinen ja dich! Du bist der Nazi…. Also soll ich raus… ? Doch: raus woraus? Aus meiner Wohnung, aus der Stadt, aus Deutschland, aus Europa, aus der Welt oder auch nur “raus aus meinen Augen”? Und was passiert, wenn der Nazi, also ich, dem Aufruf folgt? Was sollen erstens die sagen, die dann den Nazi abkriegen? Wenn der Nazi etwa nach Polen auswandert? Hatten die Polen, die ja auch irgendwie jetzt voll nazi sind, nicht in der Vergangenheit mal ein paar Probleme mit dem Nazi als solchen, Warschau und so? Ob die Polen mich daher noch wollen? Und was passiert, wenn ich gehe, was hat der Nazi-Raus-Forderer davon, er kennt mich doch gar nicht? Ich war etwas ratlos. Die einzige Möglichkeit, dem Dilemma zu entkommen, war, es zu leugnen. Also im Ergebnis: dazubleiben. Weil das Weggehen ja an meinem Nazisein nichts geändert hätte und das Problem nur verlagert. Und woher nimmt der Gießener Nazi-raus-Forderer sich eigentlich das Recht, als einziger ohne Nazi zu sein zu dürfen und seinen Nazi anderen aufs Auge zu drücken? Moralisch verwerflich, wenn Sie mich fragen. Auch diese kleine Übung in angewandter Moralphilosophie zeigt, dass der Herr Schneider richtig liegt. Es gibt nämlich das Richtige im Falschen. Ja, genau genommen, gibt es das Richtige nur, weil es das Falsche gibt. Somit ist der, der falsch liegt, für den, der richtig liegt, unabdingbar. So wie der Schmied und der Fischhändler ohne einander nicht können. Ohne uns Nazis verlöre dreiviertel der Jugend Sinn und Halt im Leben, wir sind unverzichtbar, oder wie Walser es so schön sagt: “Nichts ist ohne sein Gegenteil wahr”.

Mike Höpp / 05.02.2020

Danke, Sie alter HAWM! Und mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Ihr Heike Möpp, äh….Mike Höpp

Dr. Gerhard Giesemann / 05.02.2020

Sag ich doch seit jeher: Viel Feind, viel Ehr. Was willst du mehr?

Dr. Karl Wolf / 05.02.2020

Ich empfinde es in diesem deutschen Irrenhaus als immer ehrenvoller, wegen bestimmter Ansichten diffamiert zu werden. Wenn ich also, weil ich Rechtsstaatlichkeit wiederherstellen möchte und gegen Masseneinwanderung und den Import von Gewalt bin, in Gesprächen als Rechtspopulist oder gar Nazi bezeichnet werde, stimme ich dem zu und freue mich über das anschliessende Erstaunen und Entsetzen der Diffamierer.

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