Die Verschwörungstheorie des EU-Chefdiplomaten

Der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, pflegt eine seltsame Sichtweise auf den Nahostkonflikt. Anders als er sich das wünscht, wird sich Israel aber keine „Lösung“ aufzwingen lassen, die seine Existenz gefährdet.

Bei einer Brandrede in der Universität von Valladolid in Spanien, wo ihm die Ehrendoktorwürde verliehen wurde, hat der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, vor kurzem die irre Absicht bekundet, Israel die sogenannte Zweistaatenlösung notfalls auch gegen den Willen von außen aufzuzwingen. Als trügen die Palästinenser keinerlei Verantwortung für das eigene Handeln, wiederholt Borrell die sattsam bekannte Falschbehauptung, Israel würde die Hamas „finanzieren“ und damit „erschaffen", die offenbar willenlose Terrororganisation also steuern. Dass die Hamas 1987 als Ableger der nunmehr seit fast hundert Jahren existierenden radikalislamischen Muslimbruderschaft gegründet wurde und sich nicht weniger als die Vernichtung des jüdischen Staates auf ihre Fahnen geschrieben hat, schert Borrell nicht.

In seiner Rede (Ausschnitt hier) behauptete er, vor dem 7. Oktober sei eine Phase der Ruhe im Nahen Osten gewesen, die es seit 30 Jahren nicht gegeben habe – den seit 2005 anhaltenden Beschuss israelischer Dörfer und Städte durch die Hamas im Gazastreifen souverän ignorierend. Ohne Ursache und Wirkung zu benennen, bemühte der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsident der Kommission von der Leyen einmal mehr die Floskel von der „Spirale von Hass und Gewalt“. Nicht der eliminatorische Antisemitismus der Hamas ist für ihn der Grund für den Krieg, sondern Netanjahus „Blockadehaltung gegen die Zweistaatenlösung“.

Und warum haben die Palästinenser nicht zugelangt, als ihnen ihr Staat mehrmals auf dem Silbertablett angeboten wurde? Von 1947 (Teilungsplan der UN) über 2000 (Baraks Offerte in Camp David) bis 2008 (Ehud Olmerts Angebot), um nur einige Gelegenheiten zu nennen? Stattdessen hat Borrell für die festbetonierte palästinensische Intransigenz volles Verständnis und beschwert sich dann darüber, dass die Israelis Konsequenzen aus der palästinensischen Verweigerung ziehen. Dass Netanyahu ein weiteres Comeback hinlegen konnte, haben sich die Palästinenser selbst zuzuschreiben.

Heute Morgen legte Borrell sogar noch einmal nach. Vor einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel sagte er: „Von nun an werde ich nicht mehr über den Friedensprozess sprechen, sondern ich will eine Zweistaatenlösung.“

Israel wird seine Existenz nicht riskieren

Falls man überhaupt jemals von einem „Friedensprozess“ sprechen konnte – ein solcher setzte ja voraus, dass sich beide Seiten durch Kompromisse und vertrauensbildende Maßnahmen annähern, und so war es ja auch in den Oslo-Abkommen geplant –, so ist dieser bereits Mitte der 90er Jahre durch gesteigerten Terror ad absurdum geführt und spätestens mit der „Al-Aqsa-Intifada“ genannten jahrelangen Terrorwelle, die aus den Autonomiegebieten heraus geführt wurde, pulverisiert worden. Nur im La-La-Land, das sich Europäische Union nennt, glaubt man noch daran, dass mit Terrororganisationen wie Fatah und Hamas, die sich hinsichtlich ihrer Haltung zu Israel nicht einmal graduell unterscheiden, eine Friedenslösung zu erreichen sei. Unverdrossen zahlen wir Milliarden an die Palästinenser, ohne die Unterstützung an Bedingungen zu knüpfen – und sei es nur, die antijüdische Hetze in den Schulbüchern einzustellen oder mit der Alimentierung von „Märtyrerfamilien“ aufzuhören.

Als souveräner Staat, der an seinem Selbsterhalt interessiert ist, wird sich Israel die „Zweistaatenlösung“ – jedenfalls, so lange die Palästinenser einen Staat nicht neben, sondern anstelle Israels anstreben – nicht aufzwingen lassen, ob ein Netanyahu die Regierung führt oder irgendein anderer Ministerpräsident. Solange die Westbank von der Fatah und der Gazastreifen von der Hamas beherrscht wird, ist nicht einmal entfernt daran zu denken, dass Israel seinen Feinden eine noch breitere Basis für den Krieg zur Verfügung stellt. Schon Oslo war eine Katastrophe, die Tausende das Leben gekostet hat, weil die Terroristen in den Autonomiegebieten seither nach Belieben schalten und walten, sich bis an die Zähne bewaffnen und Anschläge aus den von ihnen kontrollierten Territorien heraus verüben können.

Wenn Josep Borrell meint, „eine Phase der Ruhe im Nahen Osten“ habe vor dem 7. Oktober geherrscht, dann sollte er sich fragen, warum die Hamas den gegenwärtigen Krieg vom Zaun gebrochen hat. Mit seiner einseitigen und gefährlichen Haltung macht der Außenbeauftragte die EU einmal mehr als „ehrlichen Makler“ im Nahostkonflikt unmöglich. Vielmehr bestätigt er den gut abgehangenen Ratschlag von Dan Schueftan: Wann immer Sie nicht wissen, was Sie tun sollen, fragen Sie die Europäer – und tun Sie dann das Gegenteil.

 

Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten.

Foto: Unión Europea en Perú CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

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Karl-Heinz Vonderstein / 22.01.2024

Ein Unterschied zwischen dem Krieg in der Ukraine und den zwischen Israel und der Hamas: Den Ukrainern überlässt man es selber, ob sie weiter Krieg führen wollen oder nicht und im Westen fordert auch kaum jemand die Ukrainer auf (außer Linke und Anhänger und AfD und Anhänger), den Krieg von sich aus zu beenden und an den Verhandlungstisch zu gehen. Die Israelis dagegen fordert man im Westen weitverbreitet auf, den Krieg im Gazastreifen zu beenden oder zumindest mehr Rücksicht auf die palästinensische Bevölkerung zu nehmen und dass die israelische Regierung für die Zweistaaten-Lösung sein sollte.

Wilfried Cremer / 22.01.2024

hi, die Zweistaatenlösung wäre wie ein Barbershop im Vatikan mit allem Drum und Dran.

Ralf Pöhling / 22.01.2024

Borell trägt offenkundig einen Aluhut. Und das wundert eigentlich nicht, denn die radikalislamische Propaganda ist allgegenwärtig. Im gesamten Westen. Und das hat einen einfach Grund, warum sich das im Westen überhaupt so durchsetzt: Die Amerikaner brauchen wegen des Petrodollars zwingend funktionierende Beziehungen zu den Arabern. Die können es sich mit den Arabern nicht verscherzen, weswegen von den Amis auch andauernd von einer Zweistaaten-Lösung fabuliert wird. Das ist aber ein völlig dysfunktionaler Ansatz, der mit Hamas & co. niemals funktionieren wird, aber von den Amerikanern eben als diplomatischer Kompromiss angestrebt wird, damit deren Beziehung zu den Arabern nicht aus dem Ruder läuft. Zumindest meinen die Amerikaner das. Und damit liegen sie völlig falsch! Die meisten Staatenlenker in den islamischen Staaten wollen mit den “Palästinensern”, Hamas & co gar nichts zu tun haben, weil diese Leute nur Ärger machen. Die einzigen Ausnahmen bilden hier der Iran, die Türkei und Katar. Und warum? Weil die begriffen haben, dass Hamas & co der effektivste Hebel gegen die USA ist, mit dem die sofort zum Einknicken gebracht werden können. Eine Zweistaaten-Lösung ist blanker Unsinn! Nicht nur, weil die Palästinenser selbst das gar nicht wollen (Stichwort: “From the land to the sea, Palestine will be free”, die wollen Israel also komplett weg haben), sondern weil Israel mitten zwischen den beiden Palästinensergebieten liegt. Ein durch einen anderen Staat getrennten Staat gibt es nirgendwo auf der Welt. Das funktioniert eben nicht. Wenn, dann würde es auf eine Dreistaatenlösung hinauslaufen oder auf die Auflösung eines der beiden Gebiete und massenhafte Umsiedlungen der dortigen Bewohner in das andere Gebiet. Alles andere ist völlig unrealistisch und hat in professionellen politischen Diskursen nichts zu suchen.

Marc Greiner / 22.01.2024

Ein ungefragter Rat an Israel: Verhandelt mit der Hamas über die Geiseln. Gibt ihnen was sie wollen. Dann, wenn die Geiseln frei sind, brecht alle Abmachungen und vernichtet sie (die Hamas und ihre Helfer). Israel ist zu rechtschaffen. Es herrscht Krieg. Da ist (fast) alles erlaubt. Lügen sowieso. Und gegenüber Terroristen muss man keine Skrupel haben. Sie sind eh nicht die zukünftigen Gesprächpartner. PS: Schickt Borreliose eine Postkarte von Gaza.

Jakob Mendel / 22.01.2024

„Und warum haben die Palästinenser nicht zugelangt, als ihnen ihr Staat mehrmals auf dem Silbertablett angeboten wurde?“ Weil sie nicht ihren eigenen Staat aufbauen, sondern einen anderen (den der Juden) zerstören wollen ... und weil die EU und viele Westeuropäer schlicht zu dumm sind, diesen grundsätzlichen Unterschied zu verstehen. Möglicherweise *wollen* sie ihn auch nicht verstehen.

Lutz Herrmann / 22.01.2024

Ich hab’ auch noch einen. “Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden.” Von Günter, dem spezialdemokratischen Waffen-SS-Mann.

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