Cora Stephan / 27.04.2023 / 10:00 / Foto: Pixabay / 64 / Seite ausdrucken

Die Stimme der Provinz: Heimatverlust eigener Art

Der NDR hat nach beinahe einem Vierteljahrhundert die Zusammenarbeit mit mir beendet. Ich grolle nicht. Ich muss den Rundfunkbeitrag zahlen. Der NDR aber muss mich nicht beschäftigen. Das ist Freiheit.

Ich weiß noch, wie ich das erste Mal eine Kultursendung im Hessischen Rundfunk moderiert habe. Heute weiß jedes Kind, wie man in ein Mikrofon hineinspricht. Ich tat es damals mit vor Aufregung zitternder Stimme. Das war 1977. Bald zitterte die Stimme nicht mehr, und ich habe mit Begeisterung für beinahe alle deutschen Rundfunkanstalten gearbeitet, als Moderatorin, als Autorin von Kommentaren und Features und, mit besonderem Vergnügen, für Formate wie „Gedanken zur Zeit“ vom WDR oder die „Meinung“ vom NDR (ab 1989, soweit ich das zurückverfolgen kann, für den WDR noch früher).

Ich glaube, dass solche Sendungen wie „Gedanken zur Zeit“ unter einem ermunternden Redakteur die literarische Form des Essays in Deutschland lobenswert gefördert haben. Ist das nicht auch die Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Nun, die Sendung gibt es noch immer – allerdings heute nur noch in einer Länge von knapp zehn Minuten. Überhaupt schrumpft der Wortanteil seit Jahren, Musik abspielen ist einfacher und kostet weniger.

Tempi passati. Ein Generationswechsel in den Redaktionen führt meistens auch zu einem Austausch der Autoren, das ist der Gang der Dinge. Allerdings verschwanden damit auch jene Redakteure (m/w), die dem Zeitgeist gegenüber skeptisch waren, was man heute durchaus irreführend „konservativ“ nennt. Dass damit einiges an „Vielfalt“ verloren ging, ist mittlerweile dem einen oder anderen aufgefallen – etwa dem Intendanten des NDR, Joachim Knuth:

„Ich diskutiere das mit Redaktionen und sage: Es ist nicht gut, wenn ihr euch zu einig seid! Ihr müsst Hefe in euren Teig tun, damit es Gärungsprozesse gibt!“

Und: „Ich glaube, das Thema Meinungsvielfalt wird unsere Arbeit in den nächsten Jahren maßgeblich bestimmen. Wenn einige Menschen finden, dass unser Meinungskorridor eingeengt sei, müssen wir uns das genau ansehen.“

Verhüllungs-, Vermeidungs- und Impfgebot

Gut gebrüllt, aber womöglich zu spät. Die Neigung zum Konsens und die Annäherung an Regierungspropaganda spätestens seit der Ägide Merkel hat dem Ansehen der öffentlich-rechtlichen Sendern nicht gut getan, um es höflich zu sagen. Schärfer formuliert: Die Medien (auch die Printmedien) haben ihre Pflicht nicht getan – der Regierung kritisch auf die Finger zu schauen und gegebenenfalls auch drauf zu hauen. Nicht 2015 auf dem Höhepunkt der „Willkommenskultur“, nicht, was die Klimareligion und ihre Fixierung auf CO2 betrifft – und erst recht nicht, was das Maßnahmenregime unter dem Vorwand einer Pandemie betrifft. In Hörfunk und Fernsehen machten sich Regierungslautsprecher breit, die nicht davor zurückschreckten, alle auszugrenzen, die dem Verhüllungs-, Vermeidungs- und Impfgebot aus – wie wir längst wissen – guten Gründen nicht folgen wollten.

Viele Journalisten scheinen heute noch nicht begriffen zu haben, welchen Vertrauensverlust ihre Branche erlitten hat. Erst recht die Öffentlich-Rechtlichen: Eine verpflichtende Abgabe kann nur fordern, wer den Rundfunkauftrag auch erfüllt. Und der lautet nun einmal: „Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.“ Nur das rechtfertigt einen zwangsweise erhobenen Rundfunkbeitrag.

Erst recht ist nicht einzusehen, inwiefern es der Demokratie und der Meinungsvielfalt hilft, wenn das jährliche Salär eines Rundfunkintendanten das Gehalt eines Bundeskanzlers übersteigt.

Gab es Vetternwirtschaft beim NDR? Mitarbeiter sprechen in einem offenen Brief von einem „Klima der Angst“, „konstruktive Kritik und Diskussionen auf Augenhöhe gab es kaum. Viele von uns haben das als Klima der Angst erlebt“. Die Autoren des Briefs fordern eine neue Unternehmens- und Führungskultur.

Die Zusammenarbeit ist beendet

Was ist mit der skandalträchtigen Bereicherungslust beim RBB? Spitzengehälter, Boni, Beratungsverträge – nichts, was dem Programmauftrag des Rundfunks zugutegekommen wäre. Gespart wird jetzt – aber vor allem am Programm.

Hinzu kommt, dass das ganze System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist. Die Maßnahmenpandemie hat unter anderem das gelehrt: Man braucht keine riesigen Rundfunkhäuser mit entsprechend vielen Studios samt technischem Personal, wenn ein Journalist auch zu Hause in guter Qualität produzieren kann. Konferenzen lassen sich per Zoom erledigen, sofern man sie für nötig hält. Man braucht nicht für jedes Land Wellensender für alles und jedes. Man könnte die Verwaltungen zentralisieren und verschlanken. Im übrigen ist nicht jedes Programm für den „gesellschaftlichen Diskurs“ von Bedeutung.

Das alles ist Grund dafür, dass der Unmut über den Zwang zum Rundfunkbeitrag wächst. Viele wollen nur für das bezahlen, was sie auch wirklich nutzen. Womöglich ist nur der Protest gegen die „Demokratieabgabe“ in der Lage, den Koloss in Bewegung zu bringen – und damit den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu erhalten, so, wie er einst gedacht war.

Ganz in diesem Sinn habe ich jüngst eine Petition unterschrieben, bei change.org, wo es um alles Mögliche, auch mal um Tierheimhund Bilbo geht. „Stoppt das AbGEZocke“! heißt es da. Das ist nicht nett, ich hätte das auch sicher freundlicher formuliert. Vor allem aber: Auch ich habe bis dato noch beim letzten mir verbliebenen Sender NDR für viermal im Jahr 5 Minuten „Die Meinung“ GEZ-Geld kassiert! Ich bin zwar nach wie vor der Meinung, dass damit ein recht geringer Teil der Beitragszahlungen gut angelegt war. Doch der Sender sieht das anders: Die Zusammenarbeit ist beendet – nach beinahe einem Vierteljahrhundert.

Ich grolle nicht. Ich muss den Rundfunkbeitrag zahlen. Der NDR aber muss mich nicht beschäftigen. Das ist Freiheit. Es haben gewiss auch andere Vorbehalte gegen meine „Meinung“ bei den Mitarbeiterinnen im Sender eine Rolle gespielt – doch man muss auch mal Abschied nehmen. Ich hatte schon seit längerem das Gefühl, nicht mehr zum Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk zu passen.

Mach es gut, NDR. Und macht es gut, ihr Aufrichtigen, die es auch dort noch gibt.

Foto: Pixabay

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Frank Mora / 27.04.2023

Ich schaue Netflix höre als Dudelfunk apollo chemnitz und Humboldt101 (Eureka. CA). Ansonsten bisher noch servus. Soll ja jetzt auch gecancelt werden. BMU ist ja über BOSE nicht empfangbar. Man wird zur Pogrammauswahl auf tuneln verwiesen. Ohne BMU. Aber mein türkisches Grundigradio kanns. Schade for BOSE. Ob es die friedliche Revolution in der DDR mit dem heutigen Deutschlandfunk gegeben hätte?

Sascha Hill / 27.04.2023

Dieser Propagandaapparat der Regierung, aber eigentlich eher der Grünlinken, hat seinen Zenit längst überschritten. Es ist kein Zufall, das nahezu überall auf der Welt, die selbsternannten unabhängigen Sendeanstalten, der sprichwörtliche Kopf abgeschnitten wird. Deutschland braucht etwas länger, doch liegt es wohl eher daran, das die Politik enorm von diesen Machwerk profitiert. Es sei denn, man gehört der Union oder der FDP an. (Die sitzen zwar noch in Gremien und kassieren ab, haben aber nichts mehr zu melden) Von der AFD ganz zu schweigen. Nein, die einzigste Reform für das ÖRR lautet, die Zwangssteuer abzuschaffen und das Raubrittertum endlich zu beenden. ARD und ZDF mit ihrer Armee von Spartensendern, sollten einen Streamingdienst gründen und Abo-Modelle anbieten. Schlussendlich wird dies dazu führen, das Qualität wieder Einzug erhalten wird. Dann werden ganz automatisch die Zahlen wieder steigen. Ein Win-Win für den Kunden, mehr Qualität und keine propagandistische Erziehung mehr.

Gerhard Schweickhardt / 27.04.2023

Mich verblüfft das BVerG mit der Meinung dass der Finanzierungs Wunsch eines Unternehmens aus der Medienbranche höher bewertete ,als die Selbstautonomie des Bürgers. Der will nur die Dienste zahlen, die er will. Meines Erachtens ein Verstoß gegen die freiheitliche Grundordnung. Erwähnenswer ist das Wort zu Sonntag “wir müssen die Parlamente stürmen..”

Klaus Keller / 27.04.2023

Der Anfang einer MeToo Debatte? Ich war von 1996 bis 2006 Mitglied der spd und Wünsche ihr zum Wohle des Ganzen die baldige Auflösung. Ich gebe zu mit meinem Eintritt einen früheren Amtseid, „Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“ verletzt zu haben. +++ Zum Sachverhalt: Zitat: Der NDR hat nach beinahe einem Vierteljahrhundert die Zusammenarbeit mit mir beendet.—Der Autorin wird zur Last gelegt die Zusammenarbeit nicht selbst beendet zu haben. Im Namen des Volkes ergeht auf Grund der Aktenlage folgendes Urteil: Die Beschuldigte ist frei zu sprechen da Ihr Handeln im guten Glauben und ohne böswillige Absichten erfolgte auch wenn sie für eine mutmaßlich verfassungsfeindliche Organisation tätig war. Entlastend kommt hinzu das sich der NDR zu einer solchen entwickelt hat. Das Gericht konnte bei der Beschuldigten selbst, keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen erkennen. Die Aufgabe des Gerichts ist nicht festzustellen, ob die Beschuldigte die Neigung hat ihrer eigenen Verfassung zu schaden, hofft aber, das dies nicht der Fall ist.

Rolf Mainz / 27.04.2023

Das kommt eben davon, wenn jemand nicht die korrekte, die einzig wahre “Haltung” (in früheren Zeiten auch als “Gesinnung” bekannt) zeigt!

Thomin Weller / 27.04.2023

@Ludwig Luhmann Der Begriff Demokratieabgabe ist schon eine insich fette Lüge. Abalsshandel, zahl Geld dann hast die käufliche Demokratie?  Alle, auch die juristische Person vulgo Firmen wurden via Steuergesetze zur finanziellen Unterstützung der Kultur aufgefordert. Wie ich schon schrieb, es geht um die Vernichtung der natürlichen Person, damit auch Kultur. Behaltet ihr eure Demokratie, Umwelt, wir machen die Geschäfte, offiziell jedes Jahr über 20% Nettogewinn, inoffiziell weit mehr in den Steueroasen. Es hat ja sein Grund warum die Panama, Pandorra etc. Papers gezielt missachtet werden. Die Büchner Justizhure in bester Aktion, aktive Strafvereitelung bei der Arbeit. Erst recht was die ganzen Asylbewerber unter 18 Jahren angeht. Der Staat haftet für alle Schäden die diese Jugendlichen anstellen, Thema Aufsichtspflicht verletzt etc.

Thomin Weller / 27.04.2023

Noch ein Gedanke. Wird durch die GEZ Zwangsgebühr eine deutsche Kultur der angeblichen Mehrheit simuliert? Die Anfänge des Hamburger Alstervergnügen war eine Party der Eu Kulturen. Es kamen Künstler aus ganz Europa und stellte ihre Kunst vor. Es war phantastisch, bunt, vielfältig. Und dann kam der Würgermeister Voscherau und hat das gesamte Fest unter das Diktat der Gewinnerzielung gestellt. Standgebühr am Tag umbei >2kEuro. Heute ist es so, kennst ein Hamburger Großfest kennst du alle, sie sind streng politisch neoliberal organisiert. Alles der gleiche Murks. Ob Alstervergnügen, Hafengeburtstag, Dom. Alles fast die gleichen Aussteller. In Altona versuchte man das Konzept Fest der Kulturen mit der Altonale weiter zu leben. Aber leider schlug die Gentrifizierung die jegliche kulturelle Entwicklung zerstört, zu. Willkommen im Neoliberalismus oder auch “Du machst kein Sinn, nur Geld”.

Franz Klar / 27.04.2023

Klingt nach ” beiderseitigem Einvernehmen ” . Dann ist es ja gut . Man bleibt jetzt unter sich ...

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Cora Stephan / 02.05.2024 / 10:00 / 49

Toxische Weis(s)heit: Nancy und das Kalifat der Reichsbürger

So also ist das: Erst errichten die Reichsbürger ein Kalifat, um dann ins Deutsche Reich von 1871 zurückzukehren?  Gut, dass es den Prozess gegen die…/ mehr

Cora Stephan / 08.04.2024 / 06:15 / 35

„Babys sind der Goldstandard des Menschenhandels“

Birgit Kelles Zorn ist in jedem Kapitel ihres neuen Buches über Leihmutterschaft zu spüren. Sie hat die ganze Szene und ihre Propagandisten bis ins letzte…/ mehr

Cora Stephan / 08.03.2024 / 06:15 / 49

Männer! Richtige Männer! Es gibt sie noch!

Botschaft an alle Männer, die heimlich daran zweifeln, dass es 99 Geschlechter gibt, ein Mann per Selbstermächtigung zur Frau wird und Frauen die besseren Menschen…/ mehr

Cora Stephan / 29.02.2024 / 11:00 / 51

Daniela Klette und der vergessene Linksextremismus

Die Innenministerin ist voll des Lobes angesichts der Festnahme von Daniela Klette, 65 Jahre alt, Mitglied der RAF, Dritte Generation. Fahndungserfolg nach nicht einmal 30…/ mehr

Cora Stephan / 15.02.2024 / 06:05 / 65

Toxische Weis(s)heit: Die Heuchler von Ulm

Eine Stadt die in der Coronazeit durch besonders rigide Freiheitseinschränkungen von sich reden machte, setzt sich plötzlich für „Vielfalt und Demokratie“ ein. Ulm ist ein…/ mehr

Cora Stephan / 10.02.2024 / 12:00 / 36

Merz in Grün?

Was geht im Kopf eine Politikers wie Friedrich Merz vor, der die Grünen erst zum Hauptgegner erklärt und dann eine Koalition mit ihnen nicht mehr…/ mehr

Cora Stephan / 01.02.2024 / 12:00 / 40

Toxische Weis(s)heit: Teure Migration

Eine holländische Studie ermittelte, dass zwei Drittel aller Einwanderer den niederländischen Staat Geld kosten. In Deutschland ist die Lage längst kritisch. Wer 2015 nicht nur Gefühle…/ mehr

Cora Stephan / 25.01.2024 / 10:00 / 35

Preisverleihungen nur noch auf Bewährung!

Wer einen Preis verliehen bekommt, weil er was besonderes geleistet hat, sollte sich sehr genau überlegen, mit wem er künftig redet. Sonst ist der womöglich…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com