Der NDR hat nach beinahe einem Vierteljahrhundert die Zusammenarbeit mit mir beendet. Ich grolle nicht. Ich muss den Rundfunkbeitrag zahlen. Der NDR aber muss mich nicht beschäftigen. Das ist Freiheit.
Ich weiß noch, wie ich das erste Mal eine Kultursendung im Hessischen Rundfunk moderiert habe. Heute weiß jedes Kind, wie man in ein Mikrofon hineinspricht. Ich tat es damals mit vor Aufregung zitternder Stimme. Das war 1977. Bald zitterte die Stimme nicht mehr, und ich habe mit Begeisterung für beinahe alle deutschen Rundfunkanstalten gearbeitet, als Moderatorin, als Autorin von Kommentaren und Features und, mit besonderem Vergnügen, für Formate wie „Gedanken zur Zeit“ vom WDR oder die „Meinung“ vom NDR (ab 1989, soweit ich das zurückverfolgen kann, für den WDR noch früher).
Ich glaube, dass solche Sendungen wie „Gedanken zur Zeit“ unter einem ermunternden Redakteur die literarische Form des Essays in Deutschland lobenswert gefördert haben. Ist das nicht auch die Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Nun, die Sendung gibt es noch immer – allerdings heute nur noch in einer Länge von knapp zehn Minuten. Überhaupt schrumpft der Wortanteil seit Jahren, Musik abspielen ist einfacher und kostet weniger.
Tempi passati. Ein Generationswechsel in den Redaktionen führt meistens auch zu einem Austausch der Autoren, das ist der Gang der Dinge. Allerdings verschwanden damit auch jene Redakteure (m/w), die dem Zeitgeist gegenüber skeptisch waren, was man heute durchaus irreführend „konservativ“ nennt. Dass damit einiges an „Vielfalt“ verloren ging, ist mittlerweile dem einen oder anderen aufgefallen – etwa dem Intendanten des NDR, Joachim Knuth:
„Ich diskutiere das mit Redaktionen und sage: Es ist nicht gut, wenn ihr euch zu einig seid! Ihr müsst Hefe in euren Teig tun, damit es Gärungsprozesse gibt!“
Und: „Ich glaube, das Thema Meinungsvielfalt wird unsere Arbeit in den nächsten Jahren maßgeblich bestimmen. Wenn einige Menschen finden, dass unser Meinungskorridor eingeengt sei, müssen wir uns das genau ansehen.“
Verhüllungs-, Vermeidungs- und Impfgebot
Gut gebrüllt, aber womöglich zu spät. Die Neigung zum Konsens und die Annäherung an Regierungspropaganda spätestens seit der Ägide Merkel hat dem Ansehen der öffentlich-rechtlichen Sendern nicht gut getan, um es höflich zu sagen. Schärfer formuliert: Die Medien (auch die Printmedien) haben ihre Pflicht nicht getan – der Regierung kritisch auf die Finger zu schauen und gegebenenfalls auch drauf zu hauen. Nicht 2015 auf dem Höhepunkt der „Willkommenskultur“, nicht, was die Klimareligion und ihre Fixierung auf CO2 betrifft – und erst recht nicht, was das Maßnahmenregime unter dem Vorwand einer Pandemie betrifft. In Hörfunk und Fernsehen machten sich Regierungslautsprecher breit, die nicht davor zurückschreckten, alle auszugrenzen, die dem Verhüllungs-, Vermeidungs- und Impfgebot aus – wie wir längst wissen – guten Gründen nicht folgen wollten.
Viele Journalisten scheinen heute noch nicht begriffen zu haben, welchen Vertrauensverlust ihre Branche erlitten hat. Erst recht die Öffentlich-Rechtlichen: Eine verpflichtende Abgabe kann nur fordern, wer den Rundfunkauftrag auch erfüllt. Und der lautet nun einmal: „Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.“ Nur das rechtfertigt einen zwangsweise erhobenen Rundfunkbeitrag.
Erst recht ist nicht einzusehen, inwiefern es der Demokratie und der Meinungsvielfalt hilft, wenn das jährliche Salär eines Rundfunkintendanten das Gehalt eines Bundeskanzlers übersteigt.
Gab es Vetternwirtschaft beim NDR? Mitarbeiter sprechen in einem offenen Brief von einem „Klima der Angst“, „konstruktive Kritik und Diskussionen auf Augenhöhe gab es kaum. Viele von uns haben das als Klima der Angst erlebt“. Die Autoren des Briefs fordern eine neue Unternehmens- und Führungskultur.
Die Zusammenarbeit ist beendet
Was ist mit der skandalträchtigen Bereicherungslust beim RBB? Spitzengehälter, Boni, Beratungsverträge – nichts, was dem Programmauftrag des Rundfunks zugutegekommen wäre. Gespart wird jetzt – aber vor allem am Programm.
Hinzu kommt, dass das ganze System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist. Die Maßnahmenpandemie hat unter anderem das gelehrt: Man braucht keine riesigen Rundfunkhäuser mit entsprechend vielen Studios samt technischem Personal, wenn ein Journalist auch zu Hause in guter Qualität produzieren kann. Konferenzen lassen sich per Zoom erledigen, sofern man sie für nötig hält. Man braucht nicht für jedes Land Wellensender für alles und jedes. Man könnte die Verwaltungen zentralisieren und verschlanken. Im übrigen ist nicht jedes Programm für den „gesellschaftlichen Diskurs“ von Bedeutung.
Das alles ist Grund dafür, dass der Unmut über den Zwang zum Rundfunkbeitrag wächst. Viele wollen nur für das bezahlen, was sie auch wirklich nutzen. Womöglich ist nur der Protest gegen die „Demokratieabgabe“ in der Lage, den Koloss in Bewegung zu bringen – und damit den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu erhalten, so, wie er einst gedacht war.
Ganz in diesem Sinn habe ich jüngst eine Petition unterschrieben, bei change.org, wo es um alles Mögliche, auch mal um Tierheimhund Bilbo geht. „Stoppt das AbGEZocke“! heißt es da. Das ist nicht nett, ich hätte das auch sicher freundlicher formuliert. Vor allem aber: Auch ich habe bis dato noch beim letzten mir verbliebenen Sender NDR für viermal im Jahr 5 Minuten „Die Meinung“ GEZ-Geld kassiert! Ich bin zwar nach wie vor der Meinung, dass damit ein recht geringer Teil der Beitragszahlungen gut angelegt war. Doch der Sender sieht das anders: Die Zusammenarbeit ist beendet – nach beinahe einem Vierteljahrhundert.
Ich grolle nicht. Ich muss den Rundfunkbeitrag zahlen. Der NDR aber muss mich nicht beschäftigen. Das ist Freiheit. Es haben gewiss auch andere Vorbehalte gegen meine „Meinung“ bei den Mitarbeiterinnen im Sender eine Rolle gespielt – doch man muss auch mal Abschied nehmen. Ich hatte schon seit längerem das Gefühl, nicht mehr zum Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk zu passen.
Mach es gut, NDR. Und macht es gut, ihr Aufrichtigen, die es auch dort noch gibt.