Cora Stephan / 21.12.2023 / 10:00 / Foto: Pixabay / 82 / Seite ausdrucken

Stimme der Provinz: Mit Bauern spaßt man nicht!

Fast hat er mir leid getan, der brave Cem, als er mit erstarrtem Gesicht der Tirade des Bauernpräsidenten Rukwied zuhören musste. Bauern können sehr laut sein. Vor allem, wenn man ihnen die Lebensgrundlage entziehen will.

Sie sind großartig, diese gigantischen Maschinen, obwohl das Haus erzittert, wenn sie vorbeidröhnen. Traktoren, auch Trecker, Bulldogs, Schlepper genannt. Bei mir auf dem Dorf gibt es staunenswerte Maschinen, vom altehrwürdigen McCormick, der schon seit beinahe 100 Jahren seinen Dienst tut, bis zum grünglänzenden Fendt, 1156 Vario MT, 564 PS, ein Panzer von Trecker. Im Nachbarort hätschelt einer einen tomatenroten Porsche aus dem Jahr 1953, 11 PS, ein Schätzchen.

Die modernen landwirtschaftlichen Fahrzeuge sind technische Wunderwerke – und bieten dem adoleszenten Jungbauern oder der 12-jährigen Jungbäuerin (ja, die dürfen auf dem Hof bereits früh üben!) alles, was man in dem Alter so braucht, ein bisschen Größenwahn und eine formidable Beschallungsanlage. Leider sind sie bei mir nicht vorbeigefahren, die Bauern, die sich auf den Weg nach Berlin gemacht haben, um dem Landwirtschaftsminister heimzuleuchten. Dafür habe ich mir jedes erreichbare Video reingezogen.

Fast hat er mir leid getan, der brave Cem, als er mit erstarrtem Gesicht der Tirade des Bauernpräsidenten Rukwied zuhören musste: „Wenn diese Maßnahmen nicht gestrichen werden, und zwar ersatzlos gestrichen werden, dann kommen wir wieder – nicht nur nach Berlin. Dann werden wir ab 8. Januar überall präsent sein in einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat. Wir nehmen das nicht hin.“ Özdemir selbst kam nicht zu Wort, Bauern können sehr laut sein.

Vor allem die Biobauern treffen

Worum es ging? Um „Vergünstigungen“, die den Landwirten gestrichen werden sollen, weil ja „wir alle“ sparen müssen, schließlich müssen wir Peru beim Bau von Fahrradwegen helfen. Ab Januar 2024 soll die Beihilfe zum Agrardiesel (Bauern bekommen knapp die Hälfte der Steuern auf Diesel zurück) und die Befreiung des Fuhrparks von der Kfz-Steuer gestrichen werden. Mit anderen Worten: Deutsche Landwirte bekommen damit keine Subventionen, sondern zahlen weniger Steuern, damit sie konkurrenzfähig bleiben.

Nun aber stellt sich heraus, dass auch Cem Özdemir als Landwirtschaftsminister dagegen war, selbst Finanzminister Lindner erklärte, er sei „kein Freund der Belastung der landwirtschaftlichen Betriebe.“ War es womöglich eine Idee von Wirtschaftsminister Robert Habeck? Man weiß so wenig. Nur eines kann man als sicher voraussetzen: Die Landwirte haben die Nase gestrichen voll von der Agrarpolitik der Ampelregierung.

Die deutschen Bauern sind schon lange nicht mehr die Macht, die sie einst waren – während es in den 1950er Jahren noch beinahe 5 Millionen bäuerliche Betriebe gab, haben wir heute eine gute Viertelmillion, allerdings mit enorm gestiegener Effizienz. Ernährte ein deutscher Landwirt im Jahr 1949 durchschnittlich noch zehn Personen, waren es im Jahr 2020 um die 139.

Vielleicht kommt manch grüner Ideologe deshalb auf die Idee, dass es an der Zeit sei, alte Privilegien zu streichen. Doch die neueste Masche würde vor allem die Biobauern treffen, die, weil sie Pflanzenschutzmittel wie Glyphosat nicht einsetzen, vieles mechanisch erledigen müssen. Und nein: nicht mehr mit der Hacke in der Hand und gebeugtem Rücken, sondern ebenfalls maschinell.

Auf dem Weltmarkt bestens bedient

Doch die neueste Attacke auf die Landwirte ist letztlich nur der Tropfen, der das Güllefass zum Überlaufen bringt. Seit Jahren sind Bauern der Lieblingsfeind im grünen Bullerbü, Bauern quälen Tiere, verpesten ihre Böden, vernichten Insekten und die „Biodiversität“. Renate Künast beschuldigte die Landwirte ja einst geradezu, an Covid schuld zu sein. Rinder- und Schweinehaltung schadet dem Klima, also muss man sie den Bauern vermiesen, weshalb man die Viehwirtschaft mit immer neuen Tierwohlvorschriften traktiert, auf die letzte diesbezügliche Vorschrift kann man sich nicht lange verlassen, denn schon kommt die nächste.

2022 gab es in Deutschland 16.900 Betriebe mit Schweinehaltung. Das sind 43,5 Prozent weniger als vor zehn Jahren. Die Zahl der Schweine ging um rund 25 Prozent auf 21,4 Millionen zurück. Niedersachsens Agrarministerin Staudte weiß Abhilfe: Man könne doch die leerstehenden Ställe zum Cannabisanbau zu nutzen. Wer dennoch Fleisch essen will, wird auf dem Weltmarkt bestens bedient. Ob man in fernen Ländern ebenso aufs Tierwohl achtet wie bei uns? Auch egal.

Deutschland, ein Land der Wunder. Wir sind nicht nur bei der Energie, sondern auch bei der Ernährung schon lange global aufgestellt: Was wir nicht produzieren, produzieren dann eben andere. Unbewirtschaftete Agrarflächen werden für Windräder zubetoniert oder mit die Umwelt erwärmenden Solarpaneelen zugepflastert, der Rest wird Urwald. Was für eine schöne Welt! Vielleicht sollten wir nicht nur unsere verbliebenen Bauern gen Berlin fahren lassen, mit der Forke auf dem Fendt, sondern uns ihnen anschließen.

 

Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller. Ihr aktueller Roman heißt „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“.

Foto: Pixabay

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Reiner Gerlach / 21.12.2023

@ D. Katz Im Wesentlichen einverstanden. Allerdings sollte man dem Cem nicht vorwerfen, dass er Landwirtschaft keine Ahnung hat. Da geht es ihm ja ähnlich wie der Frau Künast, die als Anwältin auch schon mal Landwirtschaft gespielt hat. Beim Verteilen der Ministerposten hat er halt Pech gehabt. Das kann sich allerdings schnell wieder ändern, wenn nach der nächsten Wahl in BW die Grünen wieder stärkste Partei werden und man sich entscheiden muss zwischen Cem und Ricarda. Vor dem Tage graust es mir schon länger.

Gus Schiller / 21.12.2023

“Windräder und Solarfelder auf unbewirtschafteten Flächen”. Es geht noch besser: Äcker und Felder auf ehemaligen Moorflächen sollen wieder vernässt werden. Halb Norddeutschland ist davon betroffen. Dörfer saufen mit ab.  Im Keller stehen dann bei Regen 30 cm Wasser und die Malaria kehrt zurück.

Gabriele Klein / 21.12.2023

So ist das wenn teils gar noch narzisistische Sesselfurzer die sich nur aufs Schminken verstehen, u. ansonsten keine Ahnung haben das Ruder ergreifen, weil sie meinen das sei Demokratie.    Mir wäre kein Betrieb bekannt der vergleichbar besetzt wäre wie die deutsche Regierung es immer mal wieder ist, denn das wäre sein Ende.  Auch im Ausland kenn ich keine vergleichbare Regierungsbesatzung (ein paar Schergenstaaten ausgenommen) Das mit Ärzten im Verteidigungsministerium und ehemaligen Bankangestellten im Gesundheitsministerium wäre in keinem wirtschaftlich arbeitenden Unternehmen denkbar.  Ich kenne kein einziges Unternehmen das einen Bilderbuchautor und Literaten an die Spitze seiner Controling Abteilung oder die Buchhaltung setzen würde. Nur mit Putzlappen und Kehrbesen könnte so jemand in diesen Zonen tätig werden,  anders nicht, auch dann nicht wenn er seinen Literatur Doktor mit Suma cum laude abgeschlossen hätte….. denn, fachfremd bleibt fachfremd und fliegt bei der ersten Sondierung d. Bewerber raus.. Ist das undemokratisch? Nein, denn jeder kann sich bewerben, oder wählen lassen, vorausgesetzt er weist gewisse für den Job notwendige Kenntnisse nach, die es ihm unbenommen ist zu erwerben. Und, ab da gilt: Der am besten dafür Qualifizierte erhält den Job.

Karsten Dörre / 21.12.2023

Mit Angst- und Panikmache (Sicherheitsbedürfnisse) kann man immer erfolgreich Völker hinter Fichten und hinters Licht führen. So wie man einst den Frieden nur mit Sozialismus stabil gehalten hätte, ist die solidarische Angleichung auf sozialer und wirtschaftlicher Ebene an Drittweltstaaten die Natur für nachkommende Generationen angeblich gesichert. In religiös-herrschaftlicher Sprache übersetzt: Opfer bringen. Das deutsche Volk ist völlig orientierungslos geworden.

D. Katz / 21.12.2023

@Claudius Pappe - schön, dass Sie sich mit Traktoren auskennen. Dafür allerdings weniger mit redaktionellen Abläufen und Strukturen. Es gibt in allen professionellen Medien die Instanz der BILDREDAKTION, und ich gehe davon aus, dass das bei Achgut nicht anders ist. Autoren wegen (vermeintlich) nicht angemessener Illustrationen anzugrummeln ist unangebracht und zeigt nur, dass man zwar etwas von Traktoren kennen kann, aber nicht von redaktioneller Arbeit. Ganz abgesehen davon, dass Illustrationen, völlig legitim, Inhalte und Kontexte auch eher symbolisch, als dokumentarisch visualisieren dürfen. Ein Traktor ist ein Traktor ist ein Traktor ist ein Traktor, und jeder denkt bei dem Anblick an Landwirtschaft, und darum alleine geht es. Was freilich, q.e.d., nicht jeder versteht. Vielleicht tut Ihnen die Achgut-Bildredaktion einen Gefallen und illustriert den nächsten Artikel zum Untergang der Landwirtschaft mit dem Antlitz von Herrn Özdemir. Oder einem Güllefass made in Germany.

Robert Schleif / 21.12.2023

Zustimmenden Beifall für Ihren letzten Satz! Ich schäme mich für mich selbst und fremd für meine Mitgroßstädter. Warum lassen wir die Bauern alleine, die doch auch für unsere ureigenen Angelegenheiten demonstrieren? Vergessen wir nicht, dass es nicht nur ihre, sondern UNSERE Lebensgrundlage ist, die uns von den Ampelmännlein, diesen Marionetten der Weltoligarchen, entzogen wird!

Rosa Zimmer / 21.12.2023

@gerhard giesemann. Für die Bauern gibt es nur ein Thema. Die gewohnten Zahlungen, sprich Subventionen, sollen weiter fließen. Wenn sie das erreicht haben, fahren sie ihre Trecker wieder auf den Hof. Ein gesamtgesellschaftlicher Protest ist denen egal. Bei der Energiewende machen sie bereits eifrig mit, wenn die Kohle stimmt. Von den Bauernschlauen ist nicht mehr zu erwarten.

Gabriele Klein / 21.12.2023

Danke für Ihren wichtigen Beitrag, u. Hinweis auf die Rede die ich mir anhörte.  Ja, ja, wer hatte denn die Idee ganz am Ende vom Ende her betrachtet? Keiner weiß wo sich die “Graue Eminenz” verbirgt in diesem   Deutschland, in dem die Einen gut, gern und vor allem “verantwortungslos” leben (im Zweifelsfall wars Brüssel oder die UN, aber woher hatten die es denn?

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