Herbert Ammon, Gastautor / 22.01.2024 / 10:00 / Foto: Jorge Royan / 88 / Seite ausdrucken

Die Parteien-Landschaft wird bunter

Die neuen Parteien von Sahra Wagenknecht und Hans-Georg Maaßen werden die alte Parteienlandschaft gründlich aufmischen. Für die Ampel, für das linksliberale Establishment der Bundesrepublik, ist dies ein berechtigter Grund zur Aufregung.

Es besteht Grund zur Aufregung. Nein, es geht nicht um die – im Gefolge der vermeintlich unsere Demokratie rettende „Correctiv“-Aufdeckung des Potsdamer „Geheimtreffens“ – in den Städten inszenierten „Massendemonstrationen“ gegen rechts sowie die entsprechenden Politikerreden. Demnach erleben wir in diesem Januar 2024 den Aufstand der „Zivilgesellschaft“ gegen die drohende Wiederkehr der Hitlerschen „Machtergreifung“ am 30. Januar 1933. Es handelt sich um einen klassischen Fall von kognitiver Dissonanz, von bewusster Realitätsverkennung. Zwar liegt die AfD in den Umfragen seit Monaten stabil über 20 Prozent, aber an eine Regierungsübernahme unter einem Bundeskanzler Höcke – also eines Adolf redivivus – ist nicht im Traum zu denken. Selbst in den beiden östlichen Bundesländern, wo die AfD-Werte inzwischen bei weit über 30 Prozent liegen, wird es nach den Landtagswahlen im September dieses Jahres weiterhin an Koalitionspartnern für eine Landesregierung mit der AfD an der Spitze fehlen. 

Die Frage ist vielmehr, ob und wie lange die „Brandmauer“ aller Parteien gegen „die Rechten“ hält, insbesondere, ob nicht doch irgendwann ein CDU-Politiker (beziehungsweise eine -in) in Versuchung kommt, sich für das Amt des Ministerpräsidenten und die Bildung einer Minderheitsregierung von der AfD tolerieren zu lassen. Nicht minder spannend ist die Frage, in welchen Bundesländern – außer in Thüringen und Brandenburg – die von der Wagenknecht-Abspaltung gebeutelte „Linke“ noch über fünf Prozent und somit in die Landtage kommt, um dort, für lupenrein demokratisch befunden, als tapfere Mitstreiterin gegen die „braunblaue“ Gefahr zu fungieren. 

Was in diesem Jahr in der politischen und medialen Klasse für begründete Unruhe sorgen wird, ist die Bewegung in der bundesrepublikanischen Parteienlandschaft. Das gewohnte Bild – in der Mitte die beiden „Volksparteien“, dazwischen die beiderseits stets umworbene FDP, links davon die gesellschaftlich seit langem tonagebenden Grünen und als noch weiter links die als „Linke“ demokratisch geadelte SED-Nachfolgepartei – ist bereits durch den Einzug der AfD in den Bundestag 2017, bestätigt bei den Wahlen im September 2021, verändert worden. Inzwischen haben sich im bayerischen Landtag und in Brandenburg sowie in einigen Kommunen die „Freien Wähler“ als unerwünschte Konkurrenten der „konservativen“ CDU und CSU etablieren können.

Ein berechtigter Grund zur Aufregung

Mit der Ankündigung einer Parteigründung mit dem konservativen Etikett „Werteunion“ durch den einst von Angela Merkel als oberster Verfassungsschützer amtsenthobenen Hans-Georg Maaßen rutschen die bis dato als sicher geltenden Stimmenzahlen von über 30 Prozent für die alte „Union“ um einige Prozent nach unten. Wenn die in den ersten Umfragen zwischen sieben bis vierzehn Prozent veranschlagte Wagenknecht-Partei BSW ihre Sympathiewerte in Sitze in den Parlamenten umsetzt, werden vor allem SPD und die „Linke“ Federn lassen, in geringerem Maße – als allgemein erhofft – die AfD. Die derzeit bereits bei 15 Prozent angelangten Sozialdemokraten – seit langem kaum mehr als eine schwach rötlich angehauchte Variante der Grünen – könnte im einstelligen Bereich landen. In der FDP dürften sich – nach dem missglückten Versuch, Lindner per Mitgliederbefragung zur Umkehr (beziehungsweise zur Rettung der Partei aus der grünen Umklammerung in der Ampel) die letzten noch verbliebenen Nationalliberalen – und konsequenten Wirtschaftsliberalen – der Maaßen-Partei zuwenden, was die unter Lindner und Buschmann durchgrünten „Liberalen“ in Absturzgefahr bringt. 

Mit womöglich nur noch 25 Prozent für die CDU/CSU reichte es angesichts einer derart zerklüfteten Parteienlandschaft weder für Merz noch für Söder oder Wüst selbst im Bündnis mit allen anderen – außer der AfD, versteht sich – zu einer halbwegs tragfähigen Koalition. In den Landtagen, womöglich auch im Bundestag, werden fortan weder die Grünen den Ton angeben noch die FDP das Zünglein an der Waage spielen, sondern Wagenknechts BSW. Sofern dadurch eine Abkehr von der umfassend verhängnisvollen Politik der Ampel, zuletzt bewiesen durch die Verramschung der Staatsbürgerschaft, bewirkt werden kann, wäre dies eine Chance unseres Landes für eine Wende zum Besseren. 

Prognosen sind unsicher, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen, wusste schon Karl Valentin. Eine Vorhersage kann angesichts der hier skizzierten Tendenzen bereits getroffen werden: Die deutsche Parteienlandschaft wird bunter werden, das politische System der „bunten“ Bundesrepublik wird vielfältiger werden, die Debatten kontroverser, lebendiger und – hoffentlich – politisch fruchtbarer als in den langen Jahren der grünen Hegemonie. Für die Ampel, für das linksliberale Establishment der Bundesrepublik, ist dies ein berechtigter Grund zur Aufregung.

 

Herbert Ammon, geb. 1943 in Brieg (Schlesien), ist ein deutscher Publizist, Historiker, Studienrat a.D. Er engagierte sich in den 1980er in der damaligen Friedensbewegung, u.a. als Repräsentant des „Offenen Briefes“ des DDR-Regimekritikers Robert Havemann an den sowjetischen Staats- und Parteichef Leonid Breschnew. 1981 zusammen mit Peter Brandt Herausgeber des Buches „Die Linke und die nationale Frage“. Mitgründer und Mitglied im Kuratorium der Deutschen Gesellschaft e.V. zur Förderung politischer, kultureller und sozialer Beziehungen in Europa.

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Georg Andreas Crivitz / 22.01.2024

Die Parteineugründungen sind zu begrüßen. Dass irgendwann die CDU/CSU wieder zu konservativer Politik zurückfindet, ist unwahrscheinlich. Auch eine absolute Mehrheit der AfD ist unwahrscheinlich. Die neuen Parteien könnten das verkrustete System aufbrechen und neue Mehrheiten ohne links-grüne Dominanz wären wieder möglich. Auch das von den sich selbst als »demokratisch« bezeichneten Parteien angestrebte Verbot der Opposition wäre dann nicht mehr durchsetzbar.

Andreas Günther / 22.01.2024

Eigentlich bin ich über die Kannibalisierung derjenigen, die die Ampelparteien und die CDU nicht mehr für wählbar halten, nicht glücklich. Aber ich verstehe Maaßen und Wagenknecht. Frau Wagenknecht würde ich gerne die Frage stellen, ob sie über die Absetzung von Maaßen auch empört war oder ob sie bei dieser Frage herumeiert. Wenn sie anerkennt, dass die sogenannten Hetzjagden von Chemnitz nie stattgefunden haben und Maaßen gehen mußte, weil er das Mitlügen verweigerte, könnte sie als “ehrliche Linke” durchaus wählbar sein.

Ilona Grimm / 22.01.2024

@Thomas Taterka: „Konservativ“ ist auch eine Altfrauen-Illusion, von der der Abschied schwerfällt. Obwohl mir schon länger klar ist, dass es kein „konservativ“ im Sinne von z.B. Roger Scruton mehr geben wird, bin ich gelegentlich wehmütig – wenn ich nicht gerade wütig bin. In den letzten drei oder vier Monaten habe ich überreichlich „ Verschwörungsliteratur“ gelesen und dabei festgestellt, dass ich – egal, worum es gerade geht – immer wieder denselben Figuren, Stiftungen, Instituten, Netzwerken, Think Tanks, „NGOs“ und natürlich Konzernen begegne. Die Big Shots mischen überall und kreuz und quer mit; die Deutschen unter ihnen sind stramm transatlantisch gedrillt. Da gibt es kein Zurück und kein Entkommen. Wir als Volk (Verfügungsmasse) haben nicht die geringste Chance, dagegen anzustinken. Wir können nur versuchen, uns so gut wie möglich mit den Verhältnissen zu arrangieren. Laut Bibel sollen Christen für „alle Obrigkeit“ beten, damit wir, die Christen, „ein ruhiges und stilles Leben in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit“ führen können (1. Tim. 2,1-2). Wir sollen keine Rebellen sein (Römer 13) , aber bei allem bedenken, dass man Gott mehr gehorchen muss als den Menschen (Apostelgeschichte 5,29). Wenn z.B. die Obrigkeit von Christen verlangt, ihre Kinder nach LSGBT*§:$&% - und Transgender(Tavistock)-Kriterien verderben zu lassen, dann ist Ungehorsam angesagt.

Thomas Szabó / 22.01.2024

Ich habe die Petition auf change.org (Grüne verbieten) auch kommentiert: Die linksextremen Deutschen Grünen gefährden ganz Europa. Sie propagieren offen den Landesverrat, propagieren einen eliminatorischen Rassismus gegen das eigene deutsche Volk, führen einen Kulturkampf gegen die westliche Zivilisation, fördern den islamischen Totalitarismus, Terrorismus, Faschismus, Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit, Homophobie, betreiben einen rassistisch motivierten Kolonialismus in Europa durch Massenmigration, demontieren die deutsche Wirtschaft, zerstören die Energieversorgung, pervertieren die Wissenschaft und degenerieren das Bildungswesen durch Ideologie, plündern den bürgerlichen Mittelstand aus, verschleudern das Geld des deutschen Steuerzahlers in aller Welt, hegen einen pathologischen Hass gegen das eigene Volk und dem eigenen Kulturkreis, diffamieren Andersdenkende mit stalinistischen-faschistischen Methoden, unterstützen terroristische Organisationen wie die Antifa. (Kann man schöner formulieren, aber ich habe zu tun.)

s.donner / 22.01.2024

change.org zeigt mir heute 16:34 nur 50.452 Stimme an für das Verbot der Grünen. Wie kommt das?

Dieter Rose / 22.01.2024

Eigentlich ist es ja so: Die AfD u.a. Parteien werden gewählt, damit die anderen Parteien die Regierung bilden können. Wenn die CDU nämlich sonst z. B. eine Alleinregierung bilden könnte, gäbe es die gleichen Demonstrationen gegen sie. Also taktisch ganz klug ausgedacht!!!

Dirk Hermann / 22.01.2024

Die Brandmauer wird sich um die Alt-Parteien schließen.

Tobias Fischer / 22.01.2024

Wie wollen die “Neuen” etwas ändern, wenn sie nix eiligeres zu tun haben, als sich von der AfD abzugrenzen? Lächerlich, reines Kalkül des Kartells: divide et impera.

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