Annette Heinisch / 01.09.2018 / 06:29 / Foto: R.Letsch / 67 / Seite ausdrucken

Die Macht geht erst vom Volke, dann dem Volke aus

Was ist eigentlich Demokratie und warum ist sie gut? Ein häufiger Irrtum ist, dass es um Selbstbestimmung des Bürgers geht. Das ist jedoch Humbug, denn auch in einer Demokratie wird man fremdbestimmt. Parlament und Regierung bestimmen über das Schicksal des Einzelnen, er selber hat mit seiner einen Stimme keinerlei Einfluss darauf. Selbst als Mitbestimmung, die auch nur eine Form der Fremdbestimmung ist, ist das zu vernachlässigen. 

Die Macht bleibt also in allen Fällen bei anderen, nur der Ursprung ist ein anderer. Um einmal Wikipedia zu bemühen:

„Demokratie (von altgriechisch δημοκρατία, deutsch ‚Herrschaft des Staatsvolkes‘; von δῆμος dēmos „Staatsvolk“ und altgriechisch κρατός kratós „Gewalt“, „Macht“, „Herrschaft“) bezeichnet heute Herrschaftsformen, politische Ordnungen oder politische Systeme, in denen Macht und Regierung vom Volk ausgehen.“ 

Die Macht geht also erst vom Volke, dann geht sie dem Volke aus. Das aber kann zur Problemen führen. Der eigentliche Charme der Demokratie liegt ja darin, dass das Regierungshandeln auf breite Zustimmung trifft. Kurz gesagt: Der Staat funktioniert nur dann reibungslos, wenn die Bürger freiwillig mitmachen. Dafür ist Akzeptanz auf breiter Basis zwingende Voraussetzung.

Hofberichterstatter? Niemals!

Um diese Akzeptanz sicherzustellen, soll jede Seite Gehör finden, es soll Grenzen dessen geben, was der Staat mit dem Bürger machen kann und Machtwechsel müssen unblutig möglich sein. Schauen wir noch einmal bei Wikipedia:

„Typische Merkmale einer modernen Demokratie sind freie Wahlen, das Mehrheits- oder Konsensprinzip, Minderheitenschutz, die Akzeptanz einer politischen Opposition, Gewaltenteilung, Verfassungsmäßigkeit, Schutz der Grundrechte, Schutz der Bürgerrechte und Achtung der Menschenrechte. Da die Herrschaft durch die Allgemeinheit ausgeübt wird, sind Meinungs- und Pressefreiheit zur politischen Willensbildung unerlässlich.“

Klingt ein bisschen wie ein Witz, soll aber wahr sein. Die Akzeptanz der politischen Opposition – klar, gar kein Problem, läuft super bei uns. Und Meinungsfreiheit ist hoch im Kurs, darüber kann Herr Sarrazin Bücher schreiben. Andersdenkende werden mit Respekt behandelt, ihre Meinungen gehört, verstanden und ernst genommen. Die Presse berichtet klar und ausgewogen sowohl über die Radikalen des linken wie auch des rechten Randes, niemals würde sie sich als eine Art Hofberichterstatter prostituieren. Niemals!

Nun gibt es aber ein kleines Problem, wenn das Gefüge durch zu viel Macht, die sich auf einer Seite zusammenballt, aus den Fugen gerät. Wenn die Balance fehlt, kippt das System. Es mutiert zu einem Unterdrückungssystem, das geradezu zynisch darauf hinweist, dass heutzutage Andersdenkende keine Inquisition befürchten müssen, sondern „nur“ mundtot gemacht werden. Welch große zivilisatorische Entwicklung! Andere wiederum stehen auf (warum eigentlich bleiben sie nicht sitzen?) gegen alles und jedes, vor allem gegen rechts, zeigen wahlweise Gesicht oder Haltung oder sonst irgendetwas, was niemandem hilft, beseelt von einem quasi religiösen Wahn, dass sie die Welt retten müssten. Dabei sind sie handfest dabei – nicht nur mit Teelicht und Gesängen – oh nein, der Kampf gegen das Böse (früher nannte man es den Teufel) wird mit harten Bandagen gekämpft. 

Es fing an mit einem Professor aus Heidelberg

Mittlerweile werden ganze Bevölkerungsteile zu Abschaum erklärt. Es fing an mit einem Professor aus Heidelberg, dann kam das Pack aus Dunkeldeutschland und nun ist Sachsen dran. Unbeliebt sind auch die Leute vom Stammtisch, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es die überhaupt noch gibt. Aber das ist egal, Stammtischparolen sind jedenfalls tabu, das Steuergeld der Stammtischbrüder seltsamerweise nicht.

Das nun wieder ist der Punkt, an dem es bei mir hakt. Wenn die Leute so furchtbar schrecklich sind, ihre Meinung absolut nicht zählt, warum nimmt man dann ihr Geld? Denn eines geht nur, man lässt sie entweder mitbezahlen, muss dann aber ihre Meinung akzeptieren. Oder man schließt Teile des Volkes aus der Gemeinschaft aus, was ja ein zunehmend beliebtes Spiel wird, kassiert dann aber auch nichts von ihnen.

Denn eines muss doch klar sein: Wer dafür zahlen muss, dass einige sich ihre Utopie einer heilen Welt erfüllen, die man selbst als Alptraum empfindet, wird nicht verstummen. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass unsere Kanzlerin eine Physikerin ist, der bekannt sein müsste, dass Druck Gegendruck erzeugt. Je mehr also jetzt auf die bösen Sachsen und sonstige Andersdenkende eingeschlagen wird, desto mehr Gegendruck wird entstehen. Das auf Ausgewogenheit ausgerichtete demokratische System versagt und die linke Gewalt, die so lange als eine Art politische Folklore hingenommen wurde, gebiert Gegengewalt. Linke Ideologen waren immer Unterdrücker, immer Feinde des freien Bürgers und was noch mehr ist: Diese vermeintlichen Bewahrer der Demokratie sind mit ihren Methoden deren Totengräber. 

Das eigentliche Versprechen der Demokratie auf reguläre, unblutige Machtwechsel wird nicht eingelöst. Unter dem Deckmantel der „Verantwortung für den Staat“ werden sich zur Not fast alle Parteien zu einem schillernden Bündnis zusammenschließen, nur um ihre Macht zu erhalten. Die Lage wird daher weiter eskalieren, außer, es käme eine politische Kraft hinzu, welche die Opposition stärken könnte.

Die Tragödie dabei ist, dass das Vertrauen in das politische System verschrottet wird und dass viele Unschuldige einen hohen Blutzoll zahlen. Wie viele Tote gab es in den letzten Jahren, wie viele Verletzte, wie viele Vergewaltigte – und wie wenig Mitgefühl für diese Opfer?

Foto: R.Letsch

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Martin Lederer / 01.09.2018

Vielleicht wird das mit der Demokratie auch überschätzt. Die herrschende Kaste oder Person kann mit Hilfe der Medien (natürlich mit ihr verbunden), der Richter (natürlich von ihr eingesetzt), verschiedenster Organisationen (natürlich von ihr eingesetzt, finanziert und unterstützt), ... die Massen relativ leicht beeinflussen. Und die Massen lassen sich sehr gerne beeinflussen. Außerdem kann die herrschende Kaste bestimmen, wer oder was überhaupt wählbar ist (Eine antisozialistische Partei wäre wohl im Ostblock kaum wählbar gewesen. Ebenso eine islamfeindliche Partei kaum in einem islamischen Staat.) Meine Meinung: Indem z.B. bei uns die herrschende Kaste stur darauf besteht, dass alles, was sie will “alternativlos” ist, sorgt sie dafür, dass manche Menschen wie ich die Legitimität des ganzen Systems in Frage stellen.

J. Kröger / 01.09.2018

Werte Frau Heinisch, danke für den Artikel. Die Sache mit der Physik lässt mir keine Ruhe: Druck erzeugt Gegendruck. Das passiert, weil alle stabilen Systeme das Bestreben haben, das Gleichgewicht zu als einzig stabilen Zustand zu behalten. Spinnt man hier den Faden nur ein wenig weiter, dann müssen wir erkennen, dass das -sich verstärken- der gesellschaftlichen Kräfte auf der rechten Seite der Beweis für den vollzogenen aber stets verneinten Linksruck in der Gesellschaft ist. So gesehen, trägt die AfD zur Stabilisierung des politischen Systems bei, weil sie die deutliche vorhandenen Fliehkräfte nach links ausgleicht..

Sabine Schönfelder / 01.09.2018

Eine sehr treffende Skizzierung unserer momentanen gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Erosion der Demokratie wird an vielen Stellen sichtbar! Ein untrügliches Indiz auf dem Weg der Demokratie zum Paternalismus, der kleinen, geschminkten Schwester der Diktatur, ist natürlich die eingeschränkte Berichterstattung, die ausschließlich der Indoktrination dient. Alles was von der Staatsmeinung abweicht wird skandalisiert und kriminalisiert und die Herrin Oberin koaliert mit Tod und Teufel, um behaupten zu können, sie sei vom Volke gewählt. Momentan werden ganze Landstriche dämonisiert. Linke verlangen den Einsatz staatlicher Reglementierung durch Bundespolizei und selbst Militär wird angefordert, dabei ist Chemnitz ein Kindergeburtstag gegen die Ausschreitungen in Hamburg mit dem ganz erheblichen Unterschied, daß die Chemnitzer Tod und Gewalt zu beklagen haben, während in Hamburg gut organisierte linke Pickelgesichter durch Gewalt und Randale für eine angeblich bessere Welt kämpfen. Man muß diesem Irrsinn entgegentreten! Ein Olaf Scholz, der ein Jahr die angebliche Sicherheit plante, versagt total und wird noch mit dem Vizekanzler und Finanzminister belohnt und unser ‘demos’ muß diesen inkompetenten halben Meter bezahlen.

Ruedi Tschudi / 01.09.2018

Rudolf Stein: “.. das Gespenst einer sächsischen AfD-Regierung erscheinen.”  Was soll der Unsinn? Was habe Sie gegen die AfD? Ich glaube, Sie sind hier falsch!

Paick Christian / 01.09.2018

Nun möchte ich doch eine Lanze (kein Messer) für die Kanzlerin brechen. Ihre Politik „ist richtig, weil sie wahr Ist“. Diesen Satz müsste sie noch aus der DDR kennen.

Gotthelm Fugge / 01.09.2018

Presse und Medien - Es waren sie früher - die VIERTE Macht im Staate, das unabhängige Kontrollorgan vs. den Machtausübenden. Dieser politisch-mediale Komplex ist verkommen zu einem Club der lobbyistischen Hofberichtserstatter mit weitabschweifenden, immer abwiegelnden, kleinredenden Volksbelehrungen, verketteter Volkserziehung und versuchter Gehirngleichschaltung aller schönzuredenden fehlgeschlagenen Merkel-Regime-Entscheidungen. Und genau dieser Komplex hat einen entscheidenden Anteil an der Mitschuld der allumfassenden gesellschaftlichen Spaltung in DE, in dem er sich vornehmlich und mit großen populistischen Aufwand an den PROBLEMBENENNERN anstatt seiner Aufgabe entsprechend - an den VERURSACHERN der gesamtgesellschaftlichen Misere - gnadenlos und unbarmherzig ABARBEITET

madeleine nass aus Bonn / 01.09.2018

Die Demokratie ist eine Farce, wenn sie so wie in Deutschland gelebt wird. Die Wahl zwischen Pest und Cholera ist keine Wahl. Wie es geht, wenn das Volk herrscht, sieht man in den USA.

Michael Löhr / 01.09.2018

Nach den zwei mehr als gruseligen Medien- und Politikwochen in Sachsen, habe ich heute wenigstens mal einen durchdachten Ansatz des Psychoanalytikers Hans-Joachim Maaz gelesen. Nicht der Osten bzw. die Sachsen gehören auf die Couch, sondern der Westen. Als Wessi sehe ich das mit einer gewissen Einschränkung ähnlich, aber eigentlich gehören unsere Medien und Politiker auf die Couch. Liest man sich z.B. den Artikel von J. Augstein durch “Immer wieder Sachsen”, scheint es so, als ob in Sachsen mehrheitlich nur “Pimmel mit Ohren = Nazis” herumlaufen. Ich zitiere Maaz mal: “Es würden Menschen diskriminiert, die erst einmal nichts anderes machen, als zu demonstrieren. Was sie damals gemacht hat (Merkel ist gemeint) – wie übrigens auch andere – das ist ja eine diskriminierende, ja fast eine rassistische Aussage.“ Allen Diffamierungen zum Trotz sei seine Sicht auf Sachsen „sehr positiv“. Maaz: „Der Sachse ist für mich ein Offener, Unverstellter, ein helles Köpfchen. Und der Sachse ist mutig, wenn es um offene Kritik geht.“ Da wir im Zeitalter von #metoo leben und ich den Sachsen für ihren mutigen Widerstand danken möchte, sollten wir den Sachsen ein freundliches #IchbinSachse entgegen bringen, wovon ich die echten Nazis ausdrücklich ausschließe. Schöne Grüße von einem medial und politisch total genervten Wessi!

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