Markus Vahlefeld / 05.10.2019 / 06:25 / Foto: Tim Maxeiner / 78 / Seite ausdrucken

Die EU und die Einladungen vom Pferd

Manche Gefühlslage, die einen in dieser Zeit überkommt, kann man nur mit einem Vergleich aus längst vergangenen Zeiten zum Ausdruck bringen, um nicht beleidigend zu werden. Und eines der Bilder, das die Zumutungen während der Endphase des europäischen Selbstzerstörungsprozesses am passendsten beschreibt, ist das von Incitatus. Incitatus war ein überaus erfolgreiches Rennpferd im Römischen Reich und kam aus dem Rennstall der „Grünen Zirkuspartei“ (kein Scherz!). Zudem war es das Lieblingspferd des römischen Kaisers Caligula.

Caligula bestallte dieses sein geliebtes Pferd nun mit der Konsulwürde und einem ständigen Sitz im Senat. Damit zeigte er den Bürgern Roms nicht nur, dass sie sich von einem Pferd regieren lassen mussten, er zeigte auch den Senatoren, was er von ihnen hielt, wenn schon ein Pferd Senator auf Lebenszeit werden konnte. Aber der Erniedrigungen waren noch nicht genug. Im Namen von Incitatus verschickte Caligula Einladungen, aufgrund derer alle dem Pferd huldigen und ihm Geschenke darbringen mussten. Incitatus wurde zum Symbol der Macht eines Herrschers, der jeden nach Belieben erniedrigen konnte, und man darf davon ausgehen, dass in der Endphase Caligulas die Einladungen vom Pferd eher zu- als abnahmen.

Tiervergleiche verbieten sich, und niemand möchte Carola Rackete, Greta Thunberg, Herbert Grönemeyer oder Feine Sahne Fischfilet – Gott bewahre! – mit einem Pferd gleichsetzen. Sinnvoll wäre es, die Genannten noch nicht einmal zu ignorieren, denn demokratische Legitimation besitzen sie nur, sofern man tsunamiartige Medienkampagnen mit Demokratie verwechselt. Nein, es sind die Einladungen, die von den höchsten staatlichen Repräsentanten, dem Bundespräsidenten, dem Außen- und Innenminister, dem EU-Präsidenten und etlichen anderen aus der zweiten und dritten Reihe der politischen Klasse ausgesprochen werden, die so fassungslos machen. 

Es sind ideologische und ästhetische Phänomene einer Endzeit, wenn man von staatlichen Repräsentanten eingeladen wird, einem "grölenden Nichts", einem verfetteten Deutsch-Punker, einer 16jährigen Grenzerscheinung oder einer gesetzesbrecherischen Kapitänin huldigen zu sollen. Und wer die Einladung zur Huldigung ausschlägt, findet sich schnell auf der dunklen Seite der Macht wieder. Man muss nur zwei Zeitungsmeldungen aus der vergangenen Woche in einen Zusammenhang setzen, um das groteske Erniedrigungsregiment wider die Vernunft in seiner ganzen Blüte und Hässlichkeit auskosten zu können. 

Entgegen aller humanitären Imperative

Am 26. September erschienen zumindest in Deutschland die ersten Meldungen über einen Vorfall, der in seiner Zwangsläufigkeit niemanden überraschen konnte. Er fand dementsprechend auch keinen Eingang in die großen Nachrichtensendungen unseres Landes. Carola Racketes Rettungsmission mit der "Sea Watch 3" hatte bedauerlicherweise auch Folterer und Vergewaltiger an die Küsten dieses so wehrhaften Europas gespült. Aber nicht irgendwelche Folterer und Vergewaltiger, nein, sie waren direkt aus den libyschen Flüchtlingslagern, wo sie ihr Unwesen getrieben hatten, über die sogenannte Seenotrettung der Sea Watch eingereist und flugs in allen Medien zu "Flüchtlingen" umetikettiert worden.

Dass der Umgang Europas mit den illegal Einreisenden entgegen aller humanitären Imperative dem Naturgesetz des "Recht des Stärkeren" folgt, mag sogar noch einer List des Weltgeists geschuldet sein, erscheint doch dieses Europa inzwischen so wohlstandsverwahrlost und degeneriert, dass die Einladung an ein paar starke junge Männer, den Laden mal ordentlich aufzumischen, durchaus vernünftig sein kann. Unvergessen bleibt da der Ausspruch des damaligen Finanzministers Wolfgang Schäuble, der im Juni 2016 den 500 Millionen Europäern ins Stammbuch schrieb: „Abschottung würde Europa in Inzucht degenerieren lassen.“ Aber müssen es gleich Folterer und Vergewaltiger sein, die die angestrebte Verwolfung der Gesellschaft vorantreiben? Na, wo gehobelt wird, da fallen halt Späne.

Natürlich können Carola Rackete, die Hilfsorganisation der Sea Watch, die klatschenden Medienvertreter und alle anderen nichts dafür. Und natürlich hat mal wieder nichts mit nichts zu tun, den es war doch alles gut gemeint. „Wir können nicht scannen, wer die Leute sind. Die kommen ohne Pässe." Diese etwas schnoddrige Aussage des Sprechers der Hilfsorganisation muss reichen, um das Weltbild im Lot zu halten. Dass hinter dieser Aussage der eigentliche Skandal lauert, der auch fünf Jahre später und weiterhin der Auflösung harrt, genau darauf hätte Horst Seehofer hinweisen müssen, der immerhin 2015 vollmundig angetreten war, die "Herrschaft des Unrechts" brechen zu wollen, bis er zu einem ihrer prominentesten Vertreter wurde.

Auch Josef Mengele wurde nach 1945 zu einem Flüchtling, und man könnte nun meinen, dass sich, wer diese Tatsache in seine Handlungen nicht mit einbezieht, aus dem Kreis der vernunftbegabten, liberalen und wehrhaften Demokraten selbst herausgeschossen hat. Mitnichten. Nochmals: die Einladungen vom Pferd dienen dazu, den Beherrschten ihre Ohnmacht unter die Nase zu reiben und ihnen vorzuführen, dass die Herrschenden noch jede Erniedrigung der Vernunft begehen können, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.

Der bekannte Sermon aus moralischer Hybris

Genau eine Woche, nachdem über den kleinen Fauxpas bei Racketes humanitärer Verbrecherrettung eher zurückhaltend berichtet worden war,  kommt dann prominent in allen großen Zeitungen folgende Meldung: "Standing Ovations für Rackete im EU-Parlament". Die Frau also, die Folterer und Vergewaltiger nach Europa schifft, wird vom Innenausschuss der europäischen Volksvertretung wie ein Popstar gefeiert. Was Rackete dann vor den Parlamentariern sagt, ist der bekannte Sermon aus moralischer Hybris, Lust am Rechtsbruch und ökologischer Untergangsprophetie. Denn Carola Rackete definiert sich zuallererst als "Klimaaktivistin", die eben „Klimaflüchtlinge“ rettet, an deren Schicksal allein der Westen Schuld trägt.

Das Bild, das sich durch das Übereinanderschieben dieser beiden Meldungen ergibt, ist das von einer EU, die intellektuell degeneriert, moralisch verwahrlost und vom Hass auf alles rechtsstaatlich Bestehende getrieben ist. Und sie wird keinen Anlass auslassen, um den Völkern Europas zu zeigen, dass sie auf deren Sicherheit pfeift. Sie möchte, dass wir einem Pferd huldigen in dem Bewusstsein, es sei der Heilige Geist. Douglas Murray nannte es "The strange Death of Europe", und diesen merkwürdigen Tod kann man einer derartigen EU nur in Bälde wünschen. Deren Einladungen vom Pferd nehme ich schon lange nicht mehr an.

Das und noch viel mehr behandelt Markus Vahlefeld in seinem neuen Buch: Macht Hoch die Tür – Das System Merkel und die Spaltung Deutschlands, Oktober 2018, erhältlich hier: www.markus-vahlefeld.de

Foto: Tim Maxeiner

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Karsten Dörre / 05.10.2019

Medial und mittlerweile vermehrt unterschwellig propagierte Rechtsbrüche stehen als Zeichen eines gesellschaftspolitischen Wandels. Um diese Zersetzung des Gemeinwohls zu decken, hat man die Klimawandelangst erfunden. Wenn man wenigstens beim Klimawandel geblieben wäre, aber nein, es muss mit Wandel gleich der Untergang der Menschheit propagiert werden. Ich sehe hier alle Merkmale einer erfolgreichen Sektenbildung. Jim Jones und dessen Sektenende wird Pillepalle werden.

Alexander Rostert / 05.10.2019

„Wir können nicht scannen, wer die Leute sind. Die kommen ohne Pässe.“ Das traf beides auch auf die Legionäre des Varus zu. Lediglich die germanische Schlussfolgerung war damals intelligenter.

Michael Hofmann / 05.10.2019

Sehr geehrter Herr Vahlefeld.Vielen Dank für den Darlegungen zum Samstag .Mein Wochenende ist gerettet,Das Beste was ich in der letzten Zeit über unsere Situation gelesen habe.Machen Sie weiter so und ich möchte nicht versäumen , die Thüringer aufrufen , bei der anstehenden Wahl, dem Trauerspiel ein Ende zu bereiten.

Bernhard Freiling / 05.10.2019

Fast :-) richtig: “Tiervergleiche verbieten sich, und niemand möchte Carola Rackete, Greta Thunberg, Herbert Grönemeyer oder Feine Sahne Fischfilet – Gott bewahre! – mit einem Pferd gleichsetzen.” Warum nur fast? Weil diejenigen, die die “Einladung vom Pferd” aussprechen, die Eingeladenen an den Katzentisch setzen und zum Pferdeanbeter machen, gleichzeitig aber auch die Nicht-Eingeladenen, sofern diese der AfD angehören, “dahin schicken, wo sie hingehören: in Ihre Rattenlöcher.” So zumindest meinte dies der Fraktionschef der SPD Berlin, Raed Saleh. (Dank für diesen Hinweis an Dushan Wegner - einfach häufiger dessen Webseite besuchen). ///  Dem grobschlächtigen Plebs ist der Vergleich Andersdenkender mit Pferden kein Gedanke wert - die feinsinnige Elite schreckt jedoch noch nicht mal mehr vom Vergleich mit Ratten zurück. /// Soll ich wirklich sagen, was ich denke?  Wenn ich mich von Göring Eckardt, wie auf dem CSD in Hannover geschehen, als “Arschloch” bezeichnen lassen muß, wenn mich Herr Saleh “in mein Rattenloch” zurück schicken will, wenn Gabriel meint, ich gehöre “dem Pack” an, wenn Schulz meint, ich sei ein “Opfer von Rattenfängern”, wenn Grölemüller meint, er müsse mir “etwas diktieren” - dann wird es höchste Zeit, meine Tonlage an diejenige dieser Feingeister anzupassen.

Klaus Jürgen Bremm / 05.10.2019

Die alten Römer und Reichsbewohner hatten keine politische Alternative. Wir schon. Aber mehr als 80 Prozent …. Sie wissen schon. Was soll also noch dieser Artikel? Wenn aber die 15 Prozent “Durchblicker” im Lande sich nicht auf ihren Durchblick beschränkten, sondern endlich mehr Konsequenz zeigten, dann würden sie es nicht nur beim Kreuzchen in der Wahlkabine bewenden lassen, sondern gleich mit den Füssen abstimmen. Auch Caligula brauchte Steuern. Die alten Römer hatten leider auch in dieser Beziehung keine Alternative. Wer wollte damals schon nach Germanien oder Schottland? Wir aber können uns ganz Europa anschauen und sogar dort arbeiten, falls man uns braucht. Worauf also noch warten? Es wird jeden Tag schlimmer und Caligulas Griff in unsere Taschen tiefer. Der Operation “Dynamo” könnte auch einmal eine Operation “Overlord” folgen.

Frank Stricker / 05.10.2019

In Anlehnung an Douglas Murray läßt sich sagen , “the strange death of ZDF”. Was sich die Mainzelmänner gestern wieder an tendenzieller Berichterstattung geleistet haben , geht echt nicht mehr auf die bekannte Kuhhaut. Es geht mal ausnahmsweise nicht um die politische Einseitigkeit und Degeneriertheit vom klebrigen Claus und den Phantasien von Elmar Theveßen , sondern um die vollkommen irreale Darstellung von wichtigen bzw. unwichtigen Ereignissen. Da berichtet Anchor-Woman Petra Gerster mit tränenerstickter Stimme , dass ein kleiner Baum abgesägt worden ist ( vom NSU-Opfer Simsek) , dass es aber in Leipzig einen der größten Terroranschläge in der Geschichte Deutschlands gegeben hat , völlig unwichtig !

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