Thilo Schneider / 18.08.2023 / 14:00 / Foto: Tim Maxeiner / 31 / Seite ausdrucken

Die Demokraten ohne Partei

Es ist überall nur als kurze Meldung aufgeploppt: Nur noch 9 Prozent (!) der Bevölkerung vertrauen laut einer Umfrage im Auftrag der Körber-Stiftung „den Parteien“. Das Gedächtnis der Wähler scheint doch länger zu sein, als sich das so mancher Politiker wünscht. 

Nur noch 9 Prozent. Im Umkehrschluss sind das 91 Prozent der Bevölkerung, die Parteien und ihre Vertreter vielleicht nicht für „Lügner, Betrüger und Selbstbediener“, aber wenigstens für nicht vertrauenswürdig halten. Eine ähnliche Umfrage der „Forschungsgruppe Wahlen“ über die öffentlich-rechtlichen Medien fördert hier zutage, dass 35 Prozent ein „nicht so großes/gar kein Vertrauen mehr“ zu der gebührenfinanzierten Berichterstattung haben. 

Sehen wir hier tatsächlich den Verschleiß der Demokratie? Wünschen sich „die Bürger“ (vergessen wir nicht: Es wird immer nur ein kleiner, „repräsentativer“ Teil aus einbeinigen Dackelbesitzern zwischen 15 und 35 und trockenen, rauchenden Alkoholikern mit Realschulabschluss und Führerschein vor 1990 und anderen „Bevölkerungsgruppen“ befragt) damit und deshalb die Abschaffung der Demokratie? Ein anderes System? Kann Markus Söder die Staatskanzlei an die Aufgabe setzen, einen Wittelsbacher in seinem Familienstammbaum zu ermitteln und die Krönungsfeierlichkeiten vorzubereiten?

Mitnichten. In der gleichen Umfrage geben rund 90 Prozent der Befragten an, dass ihnen „ein Leben in Freiheit, Gleichheit vor dem Gesetz sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung und freie und geheime Wahlen“ wichtig seien. Von Demokratiemüdigkeit kann also keine Rede sein. Im Gegenteil. Stellt man die beiden Aussagen nun nebeneinander, so sehen sich die Bürger mit den derzeit vorhandenen und herrschenden Parteien nicht mehr im Einklang, schlimmer noch, sie empfinden diese nicht mehr als Träger der Demokratie. Daneben glauben 71 Prozent, dass sich die führenden Akteure in Politik und Medien in einer eigenen, abgehobenen Welt befinden, die jede Bodenhaftung zu den Regierten verloren hat. Flankiert von einer unglaubwürdigen und einseitig berichtenden öffentlich-rechtlichen Medienlandschaft, die für wenigstens 35 Prozent zum Verlautbarungsorgan und Hofberichterstatter der Regierungsparteien verkommen ist. 

Auswanderung oder „Alternative“

Unter dem Strich haben wir es bei den Befragten also nicht mit Demokratiefeinden zu tun – sondern ganz im Gegenteil! Die wünschen sich mehr Mitbeteiligung. Mehr Volksbefragungen. Die wollen selbst mitgestalten. Und nicht von Parteien und Medien und irgendwann von Judikative und Exekutive „abgeholt“ oder „mitgenommen“ werden. 

Für die etablierten Parteien bedeutet die Umfrage eine Katastrophe. Sie werden nicht nur nicht mehr ernstgenommen – sie werden verachtet. Und die einzige Partei, auf die alle anderen Parteien seit ihrem Bestehen herzhaft einprügeln (nicht immer zu Unrecht), und die tatsächlich durch politische und juristische Winkelzüge und Feinsinnigkeiten an ihrer parlamentarischen Arbeit gehindert wird – sie steht plötzlich als Verteidigerin der Demokratie und der Bürgerlichkeit im Fokus des Interesses der Parteienttäuschten. Frei nach dem Motto: „Alle anderen haben Deutschland kaputt gemacht – jetzt darf es auch einmal die AfD probieren.“

Eine Lösung des Dilemmas wäre tatsächlich eine wahrhaft ehrliche und vernunftgeleitete Politik, die deswegen nicht unmoralisch, aber konsequent sein muss. Eine Demokratie gedeiht tatsächlich nur in Wohlstand, Sicherheit und dem freiheitlichen, individuellen Streben ihrer Bürger nach Erfolg – wie immer sie diesen für sich persönlich definieren mögen. Die Bürger sehen aber seit Jahren eine konsequente Vernichtung dieser Demokratiegrundlagen, aus Fahrlässigkeit, Dummheit und Partikularinteressen heraus – und das lässt sie sich nicht nur angeekelt abwenden, sondern nach Alternativen suchen. Seien es Auswanderung, innere Emigration oder eben die Wahl einer Partei, die ihnen als Alternative erscheint.

Wie die Ferkel am Steuertrog

Hinzu kommt die ewig leidige Geschichte, vor allem die Grünen sind hier betroffen, vom „Wasser predigen und Wein saufen“. Da wird über Flugverbote im Namen des Klimaschutzes geschwätzt – und das von den schönsten Destinationen, die die Welt zu bieten hat, und die der Otto Normalverbraucher in seinem Leben bestenfalls in einem Reisemagazin sehen wird. Gut, ist nicht die Schuld der Grünen und ihrer Entourage, wenn Klimakonferenzen da stattfinden, wo es eisgekühlte Alkoholika mit Schirmchen obendrauf gibt. Es ist die Diskrepanz der Kleptokraten zwischen Narrativ und eigenem Exekutiv, der die Deutschen an der Demokratie schwarzgrünrotgelber Prägung verzweifeln lässt. Und so lassen sich viele Beispiele einer offensichtlichen Verachtung der Gewählten gegenüber ihren Wählern finden, die ich hier gar nicht alle aufzählen möchte. „Dann sollen sie eben Kuchen essen“ wäre mittlerweile die passendere Aufschrift auf dem Reichstag. 

Aber selbst das verzeiht ein Wähler, wenn er das Gefühl hat, von seinesgleichen regiert zu werden. Franz-Josef Strauß mag in vielerlei Hinsicht zweifelhaft gewesen sein, aber er war gewitzt und hochintelligent, hatte Bildung und ein abgeschlossenes Studium – und er hat aus dem Agrarstaat Bayern ein modernes und reiches Bundesland gemacht. Deswegen wurde er gehasst und geachtet – und fuhr in Bayern Wahlergebnisse von regelmäßig hart an die 60 Prozent heran ein. Wie traurig und beschämend wirken da heute Söders 37 Prozent.  

Die meisten Bürger sind gebildeter und besser ausgebildet und haben mehr Professionalität auf ihrem Gebiet, als diejenigen, die sich anmaßen, über sie regieren zu wollen. Die zwar nie wirklich etwas zur Gesellschaft und zum Wohlstand beigetragen haben und sehr wenig Lebenserfahrung besitzen, sich und ihren Hofstaat aber jetzt schamlos wie die Ferkel am Steuertrog bedienen. Anders: Für Menschen, für die es auf dem freien Arbeitsmarkt keine Verwendung gibt, bleibt nur die Flucht in die Politik, wenn sie monatlich 10.300 Euro plus Gratisschnittchen im Bordbistro verdienen wollen. Da hält man doch gerne auch mal eine salbungsvolle Rede mit Bullshit-Inhalt. Für dieses Gehalt dreht sich aber auch so mancher hochprofessionelle Manager nicht einmal im Bett um. 

Die Deutschen – oder wenigstens die befragten – sind offenbar Demokraten durch und durch. Das Problem ist: Diese Demokratie wird ihnen gerade von Politlaiendarstellern gestohlen und es scheint nichts zu geben, was sie dagegen tun könnten, was nicht in Straßenschlachten und mit Wasserwerfern eskalieren würde. Und sie entdecken in den Medien, in der Justiz oder den Ordnungskräften kaum Verbündete. Und mittlerweile merken es alle. 

Bitte verwenden Sie bei der Ansprache Ihres Abgeordneten/Ihrer Abgeordnetin das korrekte Pronomen. Nicht, dass es noch echte Probleme gibt! 

(Weitere demokratische Artikel des Autors unter www.politticker.de)

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

 

Foto: Tim Maxeiner

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W. Renner / 18.08.2023

Die 9% sind vermutlich die Insassen von Klapsmühlen, Komapatienten auf Intensivstationen sowie Medientätige bei den öffentlich unrechtlichen.

Elias Schwarz / 18.08.2023

Von den 90%, die angeblich für Demokratie sind, würden die meisten gar nicht wissen, was dieses Wort bedeutet. Und sie werden genauso brav ihre Parteien wählen, in der Hoffnung daß irgendwann Gastarbeiter zurück kommen und alles wieder richten. Bis dahin werden sie ihre herzallerliebsten Politiker beschimpfen… und wieder wählen.

Michael Hoffmann / 18.08.2023

Das Primäre ist ein funktionierender Rechtsstaat. Da ist die Staatsform erstmal zweitrangig. Das herrschende Unrecht ist mit Händen zu greifen. „Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande?“ Vielleicht sollten wir auch von “Republik” sprechen und nicht von “Demokratie”. Dieser Begriff ist mittlerweile kontaminiert und bis ins Gegenteil pervertiert.

S. Koop / 18.08.2023

Oh je, ich lese ständig und immer wieder “ihr habt sie doch gewählt”. Aber das ist falsch: man lässt uns der Form und des Anschein halber großzügig wählen, aber die Wahlergebnisse werden dreist manipuliert und verändert! Niemand im Volk hat doch die Möglichkeit die Ergebnisse auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Soll bedeuten: nur wer für die Amis opportun ist, wird von denen (scheinbar) an die Macht gelassen. Fahrt mal selber zur Ramstein-Airbase und seht euch an, wie sich die dortige Wachpersonalie bis hin zur MP aufführt. Letztendlich hat hier kein Deutscher was zu melden, wir bezahlen nur den ganzen Mist, siehe: wer bezahlt die Unterhaltung der Besatzungskosten? Daher leben wir nicht in einer Demokratie, sondern in einem Fernsehspiel mit vordergründigen Darstellern. Die wirklichen Akteure sind im Hintergrund und bedienen sich der Einfältigkeit deutscher Bürger. Aber es scheint wohl eine neue Hoffnung zu geben: durch die BRICS-Staaten entsteht ein gewichtiger Gegenspieler. Wenn bei den Amis das Licht ausgeht, haben die nicht mehr die Kraft uns im Würgegriff zu halten.

Sabine Drewes / 18.08.2023

Lieber Herr Schneider, Sie schreiben: “In der gleichen Umfrage geben rund 90 Prozent der Befragten an, dass ihnen ‘ein Leben in Freiheit, Gleichheit vor dem Gesetz sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung und freie und geheime Wahlen’ wichtig seien. Von Demokratiemüdigkeit kann also keine Rede sein. Im Gegenteil.” und “Die Deutschen – oder wenigstens die befragten – sind offenbar Demokraten durch und durch. Das Problem ist: Diese Demokratie wird ihnen gerade von Politlaiendarstellern gestohlen und es scheint nichts zu geben, was sie dagegen tun könnten, [...]. Und mittlerweile merken es alle.” Dankeschön, dass mit Ihnen endlich einmal jemand dies klar ausspricht. Ich bin die kollektive Beschimpfung “der Deutschen” als Versager und Schlimmeres nämlich so was von leid!

Franz Klar / 18.08.2023

Ein Dilemma !  Die einen nicht vertrauenswürdig , die anderen lassen dem Wählenden die Hand abfallen .... Ist die Lage auch hoffnungslos , so ist sie doch nicht ernst !

Rainer Niersberger / 18.08.2023

Nun kommt das Personal, natuerlich auch nur ein Symptom, das hier nach dem Motto hinterfragt wird, “wie kann es sein, dass…., in den Artikel immer noch gut wegkommt. Die Beisshemmung der Autoren ist angesichts dieser Figuren mehr als bemerkenswert.  Da kommen Vertreter der AfD deutlich schlechter wird, wiewohl sie etwa 40 IQ - Punkte höher liegen, kein Kunststück, ich weiss, Abschlüsse vorweisen und aus dem Berufsleben kommen.  Die mediale Nachsicht mit dem noch dazu lebensgefährlichen Politpersonal ist ein Hinweis auf das Problem. Ich vermute allerdings, dass den Kommentatoren klar ist, dass es zwischen ihnen und den ( meisten) liberalkonservativen Autoren durchaus entscheidende, politische Differenzen gibt.  Diese Differenzen koennen nicht ohne konkrete Wirkung bleiben, wie man mitunter sogar sehr deutlich lesen darf. Nun gilt selbstredend ( noch) Meinungsfreiheit, zumindest wenn und soweit die Machthaber es zulassen. Das kleine Problem ist allerdings, dass selbst 20 % mit grundsätzlichen anderen ( meta) politischen Überzeugungen nicht fuer eine Wende ausreichen, nicht einmal fuer eine ganz kleine, sondern, passend zur Simulation der Demokratie, nur fuer die liberalkonservative Simulation einer Wende.  Die erste konkrete politische Maßnahme zur nachhaltigen, umfassenden Korrektur der Migrationspolitik und die Liberalkonservativen fallen um wie leere Flaschen. Wer sich um die substantiell entscheidenden “Elefanten” Nation, Volk und Identität derart herumdrueckt, ist, um mit der Taeterin Merkel zu sprechen, ( politisch) nicht hilfreich.

Ralf Ehrhardt / 18.08.2023

...und dann schauen wir uns einmal das Ergebnis nach der nächsten Landtagswahl in Hessen an und erinnern uns an die Aussage im Artikel:    >“Das Gedächtnis der Wähler scheint doch länger zu sein, als sich das so mancher Politiker wünscht. “<

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