Chaim Noll / 09.11.2021 / 06:15 / Foto: Tim Maxeiner / 198 / Seite ausdrucken

Deutschland: Psychisch verwirrt

Der ICE-Messer-Attentäter wurde beinahe stante pede zum nicht schuldfähigen Psychofall erklärt. Donnerwetter, das ging schnell. Gerade psychiatrische Diagnosen beanspruchen üblicherweise längere Zeit, mehrere Gespräche, ausgiebige Beobachtung. Nicht so in diesem Fall. 

„Im ICE zwischen Regensburg und Nürnberg hat es Samstagmorgen eine Messer-Attacke gegeben“, lese ich in deutschen Zeitungen. Dann hängt es von der Zeitung ab, ob ich recht bald oder erst nach stunden- oder tagelangem Herumdrucksen erfahre, dass der Täter aus unserer Gegend stammt. Bild Online ist hier immer noch unersetzlich. Vor dem Hintergrund seiner mehr als fünfhundert Millionen Besucher monatlich traut sich dieses Medium, auch das Peinlichste aussprechen„Der Messer-Angreifer wurde vor Ort festgenommen. Nach BILD-Infos handelt es sich um einen 27-jährigen Mann arabischer Herkunft.“

Auf Spiegel-Online und ähnlich gehemmten Portalen dauert es dann üblicherweise einen halben Tag oder länger, bis das Unaussprechliche eingestanden wird. Falls überhaupt. Meist ist, so lange es geht, von einem „Mann“ die Rede. Der geübte Leser weiß dann schon. Im Fall des Anschlags von Regensburg wurde am frühen Abend verschämt dessen Name ins Spiel gebracht: „Abdalrahman A. aus Passau“. Oh, diese Passauer... Damit nun aber nicht etwa rechte Hetzer übereilte Schlüsse ziehen, womöglich einen „Generalverdacht“ äußern, wird seitens der deutschen Polizei sofort hinzugefügt: „Er soll psychisch auffällig gewesen sein, im Zug auch um Hilfe gerufen haben.“

Soweit, relativ zurückhaltend, die Bild-Zeitung. Im Spiegel dagegen heißt es mit fast triumphierendem Unterton„Ein sachverständiger Gerichtspsychiater, gegenüber dem sich der Tatverdächtige nach seiner Festnahme geäußert hatte, geht laut dem leitenden Oberstaatsanwalt Gerhard Neuhof von einer möglichen 'paranoiden Schizophrenie und wahnhaften Vorstellungen' aus.“

Donnerwetter, das ging schnell. Gerade psychiatrische Diagnosen beanspruchen üblicherweise längere Zeit, mehrere Gespräche, ausgiebige Beobachtung. Wer schon einmal Patient einer Nervenklinik war – und ich hatte in meiner Jugend, als ich den Wehrdienst in der DDR-Volksarmee verweigerte, ausgiebig das Vergnügen –, weiß, dass man sich hier in der Regel für Beurteilungen und Diagnosen die nötige Zeit nimmt. Zu recht. Denn die meisten psychischen Krankheiten sind auch für erfahrene Mediziner keineswegs auf den ersten Blick zu erkennen wie etwa ein Herzinfarkt oder ein Ausbruch von Herpes simplex.

Diagnose in Windeseile und nach bloßem Augenschein

Doch der „sachverständige Gerichtspsychiater“, eine vermutlich von der Polizei ausgesuchte und beauftragte Koryphäe, diagnostizierte in Windeseile und nach bloßem Augenschein. Oder, noch obskurer, nach den ersten Auslassungen des Täters: „Der Beschuldigte habe angegeben, er fühle sich verfolgt von der Polizei, die Männer schicke, 'um ihn verrückt zu machen'.“ Das reicht dem Schnell-Psychiater bereits aus, um der Polizei grünes Licht für Erklärungen zur wahrscheinlichen „Schuldunfähigkeit“ des Täters zu geben. Sodass die eifrigen Kollegen von Spiegel-Online bereits titeln können: „Messerangreifer im ICE war wohl nicht schuldfähig.“

So wird's gemacht. Das Beweismaterial für die „Schuldunfähigkeit“ von Abdalrahman besteht laut Spiegel-Online aus überwältigenden Indizien wie diesem: „Bei seiner Festnahme soll der Tatverdächtige den Satz 'Ich bin krank, ich brauche Hilfe' gesagt haben.“ Und später nochmal: „Er habe sich bedroht gefühlt.“ Es folgt eine unbegreifliche Konklusion in deutscher Polizei-Logik: „Das Messer mit einer acht Zentimeter langen Klinge, mit dem der Verdächtige seine Taten mutmaßlich beging, habe er seit Längerem mit sich geführt (...) Die Polizei sieht in der Tatwaffe deshalb (!) auch keinen Hinweis darauf, dass die Angriffe im ICE von längerer Hand geplant waren.“

Die eigentliche Pointe kommt erst noch. „Es liefen im Vorfeld keinerlei polizeiliche Maßnahmen gegen die Person“, heißt es im Spiegel-Text. Doch dann, in offenkundigem Widerspruch dazu: „Im Jahr 2020 wurde der Verdächtige laut den Ermittlern bereits einmal wegen eines kleineren Betrugsdelikts rechtskräftig verurteilt.“ Im schnelldiagnostischen Hirn des genialen Polizeipsychiaters ist dennoch nicht der leiseste Verdacht heraufgedämmert, es könnte sich, bei einem bereits wegen Betrugs verurteilten Verdächtigen, auch hier um einen Fall von Betrug handeln, indem der Täter die angeblichen Symptome einer „paranoiden Schizophrenie“ einfach simulierte? Zumal ihm der Schwindel so leicht gemacht wurde. Er brauchte nur zu sagen, „er habe sich bedroht gefühlt“.

Von den tatsächlichen Opfern nicht mehr die Rede

Nein, dieser Verdacht ist dem Eil-Gutachter nicht gekommen, denn so zu denken, wäre nicht politisch korrekt. Tief verinnerlicht, so tief, dass es nicht mehr in Zweifel gezogen wird, ist das Erklärungsmuster der deutschen Polizei, der Gerichte und Medien: Rechtsextreme Täter handeln aus Gesinnung, hinter ihnen stehen Netzwerke und Plattformen, eine rechte, querdenkerische Sympathisanten-Szene und die einschlägig bekannten „Stichwortgeber“ von Achgut bis Tichy. Während muslimische Messerstecher grundsätzlich psychisch gestörte Einzeltäter sind. Oft wird noch – wie hier – die Hilfsbedürftigkeit des Täters betont, der, so gesehen, eigentlich ein Opfer ist. Von den tatsächlichen Opfern des Anschlags ist ohnehin längst nicht mehr die Rede.

Und so absurd dieses Muster anmutet, so konsequent wird es durchgezogen. Die stumpfsinnige Wiederholung der Formel vom psychisch verwirrten, für seine Tat nicht verantwortlichen Opfertäter erweckt allerdings bei Außenstehenden den Eindruck: Auch die deutsche Polizei ist inzwischen psychisch verwirrt. Die deutsche Rechtsprechung, Politiker und Medien. Manchmal scheint mir, das ganze Land.

Foto: Tim Maxeiner

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Steffen Schwarz / 09.11.2021

Natürlich, das ganze Land, Außer den Autoren und Foristen hier, und etwa 10 Gesamt-Prozent der Wähler. Ich würde es im übrigen sehr begrüßen, wenn der Autor dem Beispiel HM Broders folgen würde und sich mal einer Diskussion mit der bekannten und ” berüchtigen antisemitschen, und rechtsfaschistischen Gruppierung ” in D stellen würde , auch und vorallem als Jude.

Jürgen Frohwein / 09.11.2021

“Die Polizei sieht in der Tatwaffe deshalb (!) auch keinen Hinweis darauf, dass die Angriffe im ICE von längerer Hand geplant waren.“ Von der gleichen Polizei kommt auch der Spruch “Wer ein Messer bei sich führt will es auch benutzen”. Die Polizei (früher sagte man auch Büttel) ist zum totalen Handlanger der Machthaber mutiert.

U. Unger / 09.11.2021

Es ist das ganze Land, Herr Noll. Einfach ablesbar am eigenen alltäglichen Verhalten seit wir alle beim Einatmen mit dem Tod bedroht sind. Wer selbstehrlich seine Handlungen betrachtet, sieht wie er sich verhaltensmäßig in weniger als 2 Jahren zur Unterwürfigkeit verändert hat. Der regelmäßige Gebrauch der Schweigemaske wirkt. Kontaktverbote führen zu home Office und damit verbundenen Telefondiagnosen. Und ganz ehrlich entdecke ich an meinem Hobby, hier zu kommentieren, auch Anzeichen von Ersatzhandlung, weil alltägliche Kontakte einbrechen. Der Weg in die Pandemiegesinnungsgesellschaft ging zügig.  Für Gerichtsgutachter mit vornehmlich positiven Effekten. Telefonische Standarddiagnose, Arbeit erledigt, Geld kommt. Nichts anderes, als Spritze für Geld. Wo bleibt der Rest der Gesellschaft?

Carlo Mayer / 09.11.2021

Ich denke schon, dass viele der in Deutschland völlig nutzlos herumhängenden jungen Männer arabischer Provenienz, die nie einer geregelten Arbeit nachgehen werden, oftmals auch diejenigen waren, die man schon innerhalb des syrischen oder afghanischen Familienclans nicht gebrauchen konnte. Es sind doch vielfach die aggressiven und zu Hause schon unbrauchbaren Gestalten, die vermutlich schon aus psychisch auffälligen Verwandtschaftsehen entstammen, die man nach Europa entsorgt hat.  Und all die aggressiven jungen Männer, die jetzt in Polen vor dem Grenzzaun herumrandalieren, sind ähnlich gestrickt. Mir graut es vor denen.

Ottmar Zittlau / 09.11.2021

Der “Zauberwortkatalog”, der zu reflexartigen Gutmensch-Handlungen und Mitleid führt wurde wieder einmal erweitert! Neben “Asyl” und “Ortskräfte” wurde der Begriff “Hilfe” aus dem Munde der Schutzsuchenden erweitert! Die Knöpfe, die zu drücken sind, ermöglichen weiterhin ein Leben ohne jedwede Selbstverantwortung und kommen der Spielkarte “Gefängnisfreikarte” gleich, sprich der Joker für “versehentliche” Messerattacken, Ehrenmorde und Vergewaltigungen! Damit eine mögliche Verurteilung gegen Null geht, stehen eine Heerschar von Sozialarbeitern und Psychologen bereit; zur Not können diverse NGO’s unterstützend angefordert werden!!

Jörg Haerter / 09.11.2021

Doch doch, es gibt psychische Auffälligkeiten, bei einem Staatsoberhaupt, dass die Grenzen des Landes für alle öffnet. Das kann man nicht als normal betrachten. Und dann der Satz: “Wir schaffen das”. Meint: “Ihr schafft das(irgendwie schon). Mir ist kein Fall eines anderen Staatsoberhauptes bekannt, das so agierte. Und kein Volk, das einfach zusieht und Teddybären wirft, und kein Volk, das Verständnis für den Mörder seiner Kinder aufbringt und den Täter verteidigt, wir erinnern uns? Auch kein Volk, das auch 76 Jahre nach Kriegsende immer noch auf seine Alleinschuld beharrt, kein Volk, das so sehr seine Nationalität verleugnet, wie die Deutschen. Kein Volk, wo Vorsitzende des Bundestages hinter einem Schild herlaufen, auf dem steht; “Deutschland, du mieses Stück…” So etwas kriegt nur ein völlig verwirrtes, jedem gesunden Selbstbehauptungswillen braubtes Volk fertig, man schämt sich.

Frank Mora / 09.11.2021

“Der Passauer” hat nicht auch seine eigene Mutter umgebracht. Das hätte ihn sicher als psychisch gestört ausgeschlossen und die volle Härte von Ermittlungsbehörden, Presse und Öffentlichkeit spüren lassen. Im Unterschied zum “Hanauer”.

Peter Holschke / 09.11.2021

Ja, richtig, das Land ist irre! Die Mehrheit glaubt Coronaerfindern, Klimairren und dass Einwanderer für sie schuften werden und das Land bereichern. Die Kleinsten sind die Schlimmsten, sie glauben an den Weihnachtsmann und ihre Eltern, welche sie vermummen, Kantoreks ausliefern und womöglich mit Gift abspritzen.

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