Vera Lengsfeld / 14.07.2021 / 06:15 / Foto: Heinrich-Böll-Stiftung / 177 / Seite ausdrucken

Der WDR will Annalena retten

Neutralität in der Berichterstattung? Dieser Grundsatz für die Öffentlich-Rechtlichen steht offenbar nur noch auf dem Papier. In der Praxis kümmert man sich lieber um den guten Ruf einer Kandidatin.

Als Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin der Grünen gekürt wurde, haben sich die Mainstream-Medien vor Begeisterung kaum einkriegen können. Die Frage, warum eine unqualifizierte Frau einem qualifizierten Mann vorgezogen wurde, ist nicht gestellt worden. Es herrschte uneingeschränkte Kaisergeburtstagsstimmung. Als in den alternativen Medien die Fragen nach Ungereimtheiten in Baerbocks Lebenslauf und nach dubiosen finanziellen Zuwendungen wie einer Corona-Zulage gestellt wurden, versuchte die Jubelpresse das erst mit Schweigen zu übergehen.

Als dies nicht mehr möglich war, wurde abgewiegelt. Ein Argument war von Anfang an, Baerbock werde angegriffen, weil sie eine Frau sei. Wie wacklig diese Behauptung ist, zeigt ein Blick auf die Pressekampagne gegen den Mann Armin Laschet, der besonders in der Corona-Krise als unverantwortlicher Trottel hingestellt wurde, weil er dafür warb, dass man bei der Verhängung von Schutzmaßnahmen nicht die Verhältnismäßigkeit und das Grundgesetz aus dem Auge verlieren dürfte. Aktuell werden die angekündigten Lockerungen in NRW verteufelt.

Besonders die Grünen gerieten außer Rand und Band und warfen Laschet vor, verantwortlich für Corona-Tote zu sein. Kein ähnlicher Vorwurf wurde je gegen Frau Baerbock erhoben. Bei ihr ging es nur um ihr persönliches Fehlverhalten.

Der WDR stellt sich an Baerbocks Seite

Als nun Tichys Einblick aufdeckte, dass Baerbock augenscheinlich unrechtmäßig ein Dissertationsstipendium von der Heinrich-Böll-Stiftung bezogen hat, obwohl sie in der Zeit vier Parteiämter innehatte und die Brandenburger Grünen ihr ein Salär für den Landesvorsitz zusprachen, weil sie mehr als 50 Prozent ihrer Arbeitszeit in die Partei investiere, hätte das unter normalen Umständen für einen Rücktritt von den Kanzlerinnen-Ambitionen, auch von möglichen Ministerämtern gereicht. Stattdessen spielen Baerbock und die Grünen auf Zeit, indem das Stipendium von der Böll-Stiftung überprüft werden soll, die es ausgereicht hat. Die offensichtliche Hoffnung ist, dass sich die Prüfung bis nach der Bundestagswahl hinzieht und dann niemand mehr danach fragt.

In dieser Situation stellt sich der WDR entgegen seinem Auftrag öffentlich an Baerbocks Seite. So in der „Aktuellen Stunde“ vom 10. Juli unter dem Titel: „Baerbock: Gerechtfertigte Kritik oder Kampf um 'männliche Normalität‘'“

Weil die Kritik an der Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock nicht abreißt, wird ihr vom WDR die Politikwissenschaftlerin Dorothee Beck zur Seite gestellt. Die vertritt, ohne rot zu werden, die schräge These, Baerbock solle vom Kanzleramt ferngehalten werden, um „die männliche Normalität“ wiederherzustellen.

Was war an Merkel besonders weiblich?

Frau Beck, die nach Angaben des WDR zu Politik, Medien und Geschlecht forscht, behauptet: „Frauen werden schärfer angegriffen, weil sie das männliche System in der Politik in Frage stellen. Es ist ein kritischer Ausnahmezustand, der beendet werden soll.“ Daran hätten auch 16 Jahre Merkel nichts geändert.

„Es geht jetzt darum zu verhindern, dass eine Frau an der politischen Führungsspitze tatsächlich zur Normalität wird. Man hat das eine Generation Merkel lang ertragen. Jetzt soll wieder ein Mann ran. Diese Normalität soll es noch nicht geben. Die männliche Normalität soll wieder hergestellt werden.“

Dass es in der Ära Merkel eine CDU-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer gab, die nicht über männliche Intrigen, sondern über Merkel stolperte, wie man bei Robin Alexander nachlesen kann, spielt für Beck offensichtlich keine Rolle. Auch nicht, dass der EU-Kommissionsvorsitz gegen den Spitzenkandidaten des EU-Parlaments Manfred Weber von einer Frau von der Leyen besetzt wurde.

Schuldig blieb Beck auch die Analyse, was an Merkels Machtpolitik die besondere weibliche Note gewesen sein soll. Schon ihre Hosenanzüge haben demonstriert, dass sich Merkel den männlichen Normen angepasst hat, statt ihre Weiblichkeit zu betonen. Nein, hier geht es nicht um bessere weibliche Politik, sondern um Machtstrategien. Da hilft die Frauenkarte weiter, wenn keine entsprechende Leistung vorhanden ist.

WDR verbreitet feministischen Unsinn

Bezeichnend ist auch, dass Beck nicht an Leistung interessiert zu sein scheint. Sie sagt, Baerbock habe es besonders schwer, denn:

„Sie zeigt Ehrgeiz, sie will die Kanzlerschaft tatsächlich haben, sie wird einem Mann vorgezogen, nämlich Herrn Habeck. Es wird deswegen genauer hingeguckt, kann sie das überhaupt? Oder ist Habeck nicht vielleicht qualifizierter?“

Was ist dagegen zu sagen, dass man genau hinguckt, wenn es um das wichtigste politische Amt geht, dass eine (noch) führende Industrienation zu vergeben hat? Habeck ist tatsächlich durch seine Regierungserfahrung weit besser qualifiziert, aber Beck zufolge soll es anscheinend ausreichen, dass man eine Kanzlerschaft „tatsächlich haben“ will.

Sorry, das reicht mir als Frau nicht als Qualifikation.

Dass der WDR so einen feministischen Unsinn mit meinen Gebühren verbreitet, empfinde ich nicht nur als Skandal, es ist eine öffentliche Abkehr von seinem Auftrag, die nicht unwidersprochen bleiben darf.

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Hjalmar Kreutzer / 14.07.2021

Verehrte Frau Lengsfeld, das ist sachlich alles richtig, aber: Gerade weil Habeck durch die Erfahrung eines Ministeramtes qualifizierter ist, könnte ein Kanzlerkandidat Habeck eine größere Chance haben, und ein Kanzler Habeck wäre ein großes Übel für Deutschland. Zumindest könnte er in der Koalition mit der vergrünten linken Merkel-CDU im wesentlichen den Koalitionsvertrag vorschreiben und den Umbau der Gesellschaft nach der grünen Ideologie mit den Methoden der von ihm als so effizient gelobten chinesischen Partei- und Staatsführung verwirklichen. Nein danke, lieber mit Baerbock zweistellige Verluste und totale Blamage für die Grünen.

Erwin Engelbogen / 14.07.2021

Auch gut. Desto länger ein Blindgänger bzw. eine Blindgängerin* im Lauf steckt, desto mehr freut das den alten Hirschen.

Klaus Müller / 14.07.2021

“Der beste (Generisches Maskulinum) soll gewinnen”. Auszug aus Wikipedia (Hervorhebung von mir): »Hierbei werden beispielsweise grammatisch maskuline Personen- oder Berufsbezeichnungen, von denen sich auch eine feminine Form ableiten lässt, generisch (also verallgemeinernd) für Personen verwendet, deren biologisches Geschlecht entweder unbekannt, *nicht von Bedeutung* oder nicht(im Plural) gemischt ist.«

Sigrid Miller / 14.07.2021

Das ist kein feministischer Unsinn, das ist blanker Unsinn.

S.Wietzke / 14.07.2021

Verstehe ich nicht. Erstens frage ich mich, wer der “qualifizierte Mann” sein soll. Bei Politikern ist der Begriff ja schon das perfekte Oxymoron. Und dann hoffe ich mal das Baerbock weiter durch hält. Das könnte die Grünen noch weiter schwächen. Nicht das das am Ergebnis der Politik irgend was ändern würde, aber es erzeugt zumindest etwas Schadenfreude.

Günter Lindner / 14.07.2021

Wir Zwangsfinazierde Konsumenten wissen doch wie es um die Mitarbeiter dieser Anstalten gestellt ist. Alle diese werden in dem Glauben gestärkt wer nicht mitschwimmt riskiert seinen Arbeitsplatz. Man sieht manchen Mitwirkenden vor der Kamera wie anstrengend es ist was anderes zu erzählen als man selbst denkt. Mimik kann man nicht verstecken. Sagt schon Molcho. Von wem sie im öffentlich rechtlichen ausgewogen informiert werden. Eine jüngst veröffentlichte Erhebung unter den Volontären der ARD bestätigt dieses Bild. Der journalistische Nachwuchs würde zu 57% die Grünen, zu 23% die Linkspartei und zu 12% die SPD wählen, also zu 92% grün-links. Die 3% der CDU-Wähler dürften wohl kaum konservative Werte vertreten, sondern eher auf Merkel-Linie liegen. AfD-Wähler tauchten in der Journalisten-Erhebung gar nicht erst auf. Aber ARD und ZDF sollten in ihrer Personalpolitik sicherstellen, dass die von den Rundfunkgesetzen geforderte Ausgewogenheit der Programme hergestellt wird und radikale Äußerungen, egal ob links oder rechts, ihrer Mitarbeiter unterbleiben. Gut das Wahlen anstehen.

Stefan Michael / 14.07.2021

Bedenklich hierbei sind nicht so sehr ideologisch und einfältig-monokausal urteilende Menschen wie Frau Beck. Die allermeisten Absolventen der Geistes- und Sozialwissenschaften darf man sich mittlerweile genau so vorstellen. Das sage ich als Geisteswissenschaftler und aus meiner beruflichen Alltagserfahrung heraus. Diese Fakultäten sind schon länger gewissermaßen No-Go-Areas für vernunftbegabte intelligente junge Leute und wahrscheinlich nicht mehr zu retten. Bedenklicher für unsere Gesellschaft und die Demokratie ist vielmehr, dass diejenigen, die solche Entwicklungen kritisch beobachten sollten, also die Journalisten, immer häufiger wie PR-Leute agieren. Handwerklich sauber und zielführender wäre es,  wenn der WDR die Ideologeme der Frau Beck durch Kommentierung hinterfragen oder durch die Einschätzung eines (wirklichen) Wissenschaftlers entlarven würde. Das geschieht aber in den ÖR-Medien immer seltener.

Johann Wein / 14.07.2021

Nun, von der intellektuellen Schiene her dürften sich Frau Baerbock und die alimentierten Mitarbeiter des WDR auf der gleichen Stufe bewegen. Gleich zu Gleich gesellt sich gern.  Dies ist ja auch sekundär. Nicht Wissen oder Leistung, sondern (die richtige) Haltung ist wichtig. Somit ist Baerbock ein Spiegelbild unserer heutigen Gesellschaft.

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