Der Wasserstoff-Knall

Unsere Regierung hat in Sachen Umwelt ihre Versprechen nicht nur gebrochen, sie hat konsequent das Gegenteil dessen geliefert, was vereinbart war.

Es hieß, „die Sonne schickt keine Rechnung“ und jetzt haben wir den teuersten Strom der Welt; wir wollten Vorreiter der „Dekarbonisierung“ sein und haben – mit 10 Tonnen – Europas höchsten CO2-Abdruck; man versprach, die Ressourcen des Planeten zu schonen und nun raubt man ihr tonnenweise die ohnehin schon „seltenen Erden“, weil die Windkraft das fordert; man predigt Nachhaltigkeit, doch die Rotoren schlagen tot was ihnen in die Quere kommt und wir werden bekommen, was mit DDT nicht gelungen ist: eine Welt ohne Insekten.

Man versprach uns sanfte Technologien und stellt Monster auf, die das Wohnen im Umkreis von 2 km unmöglich machen. Man installiert für viele Milliarden Photovoltaik und merkt erst nachher, dass die Sonne nachts nicht scheint. Man schaltet die Kernkraft ab und merkt dann, dass man im Netz keinen Strom speichern kann.

Doch jetzt kommt ein „weißer Ritter“ der die Energiewende zu epochalem Triumph führen wird. Mit hellen Fanfarenklängen und ohne falsche Zurückhaltung wird er angekündigt: „Eine neue Energie-Ära beginnt, sogar die Bundesregierung denkt bei dem Thema jetzt groß. Deutschland soll Weltmarktführer werden; nicht auf irgendeinem Gebiet, sondern in einer absoluten Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts: der Wasserstofftechnik.“ („Die Welt“ vom 10.6.2020)

Auch Politiker sparen nicht mit starken Worten: Jetzt sei nicht die Zeit für Bedenkenträgerei, jetzt müsse geklotzt werden. Auch der Dümmste müsse verstehen, dass Wasserstoff die Zukunft sei, denn Wasser ist ja genug vorhanden. Dieser Beitrag soll ein Urteil ermöglichen, das auf eigener Erkenntnis basiert und nicht von smarten Meinungsmachern geliefert wurde. Dazu müssen wir etwas wissenschaftlich werden. Aber keine Sorge, wir schaffen das.

Hätte Holland mehr Berge...

Wasser verhält sich zu Wasserstoff wie Kohlendioxid zu Kohlenstoff. Beides sind Verbrennungsprodukte. Man könnte Wasser auch als Wasserstoffoxid bezeichnen. Verbrennungsprodukte sind im Allgemeinen keine guten Energiequellen, und dennoch gibt es seit langer Zeit Wasserkraftwerke. Wir schauen uns das mal an, das hilft uns dann, die „Wasserstofftechnik“ besser zu verstehen.

Das Wasser in einem Stausee im Gebirge hat „potenzielle“ Energie, d.h. es könnte Arbeit verrichten, wenn man es nur ließe. Dazu muss man es bergab fließen lassen, um ein Mühlrad oder eine Turbine anzutreiben. Quelle dieses Antriebs ist dabei die Schwerkraft der Erde. Je weiter weg vom Erdmittelpunkt, desto mehr potenzielle Energie verleiht sie einer Masse. Für ein Wasserkraftwerk brauchen wir also mehr als nur Wasser, wir brauchen auch Berge. Hätte Holland mehr Berge, es wäre ein Dorado der Wasserkraft, denn Wasser gäbe es genug.

Von Holland machen wir einen Abstecher in ein Wasserstoff-Atom. Das besteht aus einem Kern – der uns hier nicht weiter interessieren soll – und einem Elektron, das sich dank seiner elektrischen Anziehungskraft in der Umgebung des Kerns aufhält, und zwar so nah dran wie möglich.

Schon vor langer Zeit fanden die Wasserstoffatome nun heraus, dass, wenn sie sich paaren und einen Zweier-Haushalt gründen, dass sie dann noch näher an ihre Kerne kommen können. Damit verringern sie ihre potenzielle Energie. So wie Wasser das tiefst mögliche Energieniveau einnimmt, zu dem es Zugang hat, so machen es auch die Atome.

Wenn Sie sich also auf die Suche nach einzelnen Wasserstoff-Atomen machen sollten: viel Glück. Sie werden nur Moleküle finden, genannt H2. Aber auch die sind nicht leicht zu finden, denn sie neigen dazu, ein Sauerstoff-Atom zu sich in den Zweier-Haushalt aufnehmen. Das macht die potenzielle Energie aller Beteiligten dann noch niedriger. Voila: Diese „Menage a Trois“ ist das Wassermolekül H2O.

Dann geht die Post ab

Nach Sauerstoff braucht man nicht lang zu suchen, er ist ja in der Luft. Würden wir also H2 und O2 Moleküle mischen, dann würden die nichts lieber tun, als gemeinsame Sache machen. Dazu müssten sie aber erst ihre eigenen kleinen Zweier-Haushalte verlassen, und dazu brauchen sie einen Schubser, aber dann aber geht die Post ab.

Der Schubser kann etwa ein Funke sein; da gibt es dann einen riesen Knall und aus der H2 / O2 Mischung wird Wasser. Dieses Gasgemisch heißt zu Recht Knallgas. Eine Explosion dieser Art trat übrigens im havarierten Kernkraftwerk von Fukushima auf. Da hatte sich in einem Abklingbecken Knallgas gebildet und die Decke des Gebäudes abgesprengt. Das hatte nichts mit Kernenergie zu tun, es hätte ebenso in einer chemischen Fabrik passieren können.

Statt nun sie Übergangsenergie der Elektronen in das niedrigere Niveau in einem Knall verpuffen zu lassen, kann man sie freundlich bitten, durch einen Draht zu laufen, und dabei sinnvolle Arbeit zu verrichten. Das ist so, wie man am Berg das Wasser nicht einfach runterplätschern lässt, sondern durch Rohre leitet und eine Turbine antreibt.

Die Höhe der Energieniveaus in den Atomen und Molekülen wird übrigens in Volt gemessen, wir haben es hier ja mit elektrischen Feldern zu tun. Wir reden hier maximal von ein paar Volt.

Besagten Energiegewinn beim Übergang der Elektronen in ein niedrigeres Niveau können wir in einer geeigneten Vorrichtung ernten, genannt Brennstoffzelle. Hier findet die kontrollierte Reaktion von H2 mit O2 statt und es entstehen ca. 0,7 Volt Spannung. Eine Kombination vieler solcher Zellen könnte dann genügend Strom liefern, um eine Maschine anzutreiben, etwa ein Auto. Und offensichtlich entsteht bei der ganzen Geschichte nichts als reinstes Wasser. Wir haben also die perfekte, saubere Energiequelle gefunden – Halleluja.

Vorne Strom rein und hinten kommt nur noch die Hälfte raus

Die Brennstoffzelle wurde übrigens vor 200 Jahren erfunden. Warum fand die H2-Revolution nicht schon längst statt? Es gibt da noch ein kleines Problem: Woher sollen wir den Wasserstoff nehmen? Den haben wir ebenso wenig, wie die Holländer Berge haben. Aber halt! Aus dem Wasser können wir den doch holen. Und davon gibt es doch genug. Wir brauchen ja nur den Vorgang unserer Brennstoffzelle umzukehren, und dann könnten wir aus Wasser wieder Wasserstoff und Sauerstoff machen!

Auch das ist ein erprobter Vorgang, genannt Elektrolyse. Alles was wir tun müssen, ist, den Elektronen 1,2 Volt anbieten, und sie werden sich aus dem Wassermolekül verabschieden. Als aufmerksame Leserin werden Sie nun einwenden, dass das ein schlechtes Geschäft sei: Wir stecken 1,2 Volt in die Elektrolyse und bekommen nur 0,7 Volt in der Brennstoffzelle zurück.

Aber genauso ist es. Wir haben es bei diesem Spiel mit drei verschiedenen Energie-Niveaus zu tun: ganz oben, auf 1,2 Volt, sind die einzelnen H-Atome, auf der mittleren Stufe, bei 0,7 Volt, sind die H2 Moleküle und H2O liegt auf Niveau null. Bei der Elektrolyse geht es von ganz unten nach ganz oben. Dann verbinden sich die H-Atome spontan zu H2. In der Brennstoffzelle aber bekommen wir nur noch die 0,7 Volt Differenz von Mitte bis nach unten zurück.

Wozu soll das gut sein? Vorne steckt man Strom rein und hinten kommt nur noch die Hälfte raus. Wer würde so etwas wollen? Und tatsächlich bekommt man nur ein Drittel zurück, da neben der Physik auch noch die technische Umsetzung ihre Reibungsverluste hat.

Die Architekten unserer Energiewende möchten trotzdem so etwas haben. Wind und Photovoltaik bringen zwar nicht immer den Strom, der gerade gebraucht wird, dafür liefern sie zu anderen Zeiten des Guten zu viel. Diesen Überschuss könnte man verwenden, um Wasserstoff herzustellen, den man gut aufhebt und erst dann wieder zu Strom macht, wenn Wind und Sonne schwächeln.

Aber nicht nur das. Man könnte flächendeckend unsere Autos mit H2-Tanks und Brennstoffzellen ausstatten und sie elektrisch betreiben – total karbonfrei. Und auch die Luftfahrt könnte man auf Wasserstoff umstellen – trotz der schlechten Erfahrungen, die man bei der Hindenburg gemacht hat. Wird das kommen?

Die windigen Glücksritter

Prinzipiell ist H2 also der verzweifelt gesuchte Stromspeicher, wenn auch mit katastrophal schlechtem Wirkungsgrad. Damit sich das Modell technisch rechnet, müsste der Überschuss an alternativer Energie in Hoch-Zeiten – über Wochen und Monate gemittelt – dreimal so hoch sein wie der Mangel in Flaute-Perioden.

Davon ist man heute weit entfernt. Aber ist es unmöglich? Nein – aber es wäre wirtschaftlicher Selbstmord, denn dieses Vorgehen würde den Strom noch teurer machen, als er ohnehin schon ist. Man müsste Wind und Solar aggressiv ausbauen, damit der Überschuss bei Sonne gesteigert und der Mangel bei Flaute verringert werden. Wird das geschehen?

Ich habe keine Zweifel. Das wird der finale Akt im Drama namens Energiewende; einer Tragödie, geprägt von mutwilliger Blindheit gegenüber ökonomischen Realitäten, getrieben von Ideologie und Rechthaberei, frei von Logik und Professionalismus. Und mit diesem letzten Vorhang endet dann auch die Erfolgsgeschichte der deutschen Industrie – „Not with a Bang, but with a Whimper“ – Nicht mit einem Knall, sondern einem Wimmern.

Für Insider allerdings gibt es bis dahin ein noch ein sehr lukratives „Win-Win“-Geschäft: Deutschland wird endlich flächendeckend bis in den letzten Winkel mit Wind und Solar zugebaut. Das bringt weitere Milliarden auf einem etablierten Geschäftsfeld zwischen gut eingespielten Partnern. Parallel dazu wird die neue H2-Industrie aufgebaut, die ähnlich gigantische Ausmaße haben wird (“Sogar die Bundesregierung denkt bei dem Thema groß“). Das wird dann eine zweite, neue Goldmine, in der die Steuergelder der wehrlosen Bürger mit großen Baggern geschürft werden.

Hatten wir oben gesagt „ein schlechtes Geschäft?“… Nicht für jeden!

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei www.think-again.org und im BuchGrün und Dumm“ 

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Leserpost

netiquette:

Matthias Thiermann / 21.06.2020

Alles was diese Regierung macht, hat anscheinend irgendeinen Knall!

Steffen Schwarz / 21.06.2020

Ein Wissen über den Begriff Wirkungsgrad isit nicht vorhandenn.

Andreas Rochow / 21.06.2020

@ Gerald Schwetlik - Sie werden doch wohl nichts gegen Chemie haben?! Die Stöchiometrie und prozessenergetische Aspekte, mit denen sich die physikalische Chemie beschäftigt, lassen sich nicht vergewaltigen! Bis zur “biologischen Maschine” - Ihr Begriff! - ist es noch ein ganzes Ende hin. Das erinnert an die Scharlatanerie, die mit dem Begriff der “künstlichen Intelligenz” betrieben wird. Ich vermute, sie meinten damit das Mitochondrium, das kleine chemische Kraftwerk in allen tierischen und menschlichen Zellkernen. Dieses Wunderwerk der Evolution lässt übrigens selbst gestandene Naturwissenschaftler daran zweifeln, dass dies alles ohne einen irgendwie geratenen Schöpfungsakt zustandegekommen sein soll. In diesen nano-kleinen, wunderschön gestalteten Strukturen findet genaugenommen die Knallgasreaktion statt. Ohne Knall, weil stufenweise eine hochkomplexe Kette von katalytisch kontrollierten Soffwechselreaktionen, genannt Atmungskette, stattfindet. Die dabei überwundenen Energiepotentiale werden als chemische Energie transportier und verbraucht. Adenosindiphosphat und Adenosintriphosohat “shutteln” die chemische Energie gezielt hin und her. Und wie bei allen Energieumwandlungen entsteht auch hier Wärme. Läuft im Krankheitsfall der Prozess aus dem Ruder, hat man entweder Fieber oder wird leichenkalt. Das Interessante ist: Molekularer Wasserstoff H2 kommt bei diesem Prozess an keiner Stelle vor. Ich finde den Begriff von der “biologischen Maschine” ziemlich unpassend. - Sagen Sie doch bitte, wo sonst “überall” Wasserstoff “verbrannt” wird. Sie meinen doch nicht die Oberfläche der Sonne oder die Havarie im Parkhaus der Zukunft?

Rainer Mechler / 21.06.2020

Respekt: Elektrochemie anschaulich erklärt

Andreas Rochow / 21.06.2020

“Unsere Zukunft” landet auf direktem Wege auf den Konten von Luftschloss-Wissenschaftlern. So gesehen stellen teure Großirrtümer wie bspw. EEG, Verkehrswende, Agrarwende oder “Sundiesel” (CHOren Freiberg) keine Kosten dar. Sie seien “Investitionen in die Zukunft”, sagt Frau Prof. Claudia Kemfert. Sie lebt davon.

Sam Lowry / 21.06.2020

In Deutschland knallts jetzt ganz anders: Steine in Handyläden-Fenster, Polizeiauto-Fenster, Bank-Fenster… es wird fenster, äh, finster, ob mit oder ohne Knallgas (H+O). Peng!

Andreas Rochow / 21.06.2020

Mir gefällt der wissenschaftlich korrekte und dennoch anschauliche Umgang mit sagen wir unumstößlichen Gegebenheiten, die bei der verspäteten deutschen Wasserstoff-Kampagne gern ausgeblendet oder für mit Geld überwindbar gehalten werden. “Wasser[stoff] wird die Kohle der Zukunft sein,” träumte Jules Verne schon 1874. Präsident Richard Nixon versprach 1970 abgasfreie Automobile in 5 Jahren. Präsident George W. Bush und sein Energieminister Spencer Abraham sahen 2002 in “Hydrogen” die Lösung aller ökonomischen und ökologischen Probleme. Die Tatsache, dass es ingenieurtechnischer Anstrengungen und hoher Energiemengen bedarf, um H2 durch Elekrolyse aus Wasser oder durch Pyrolyse aus fossilen Kohlenwasserstoffen zu erzeugen - geschenkt. Die Amerikaner sind wahre Erfahrungsvorreiter in der Nutzung von Wasserstoff (NASA, Apollo, Space Shuttle). Sie wissen, H2 ist extrem flüchtig und nur mit hohem technischen Aufwand zu speichern. Allein 40% der Energie werden benötigt, um Wasserstoff auf -253 Grad Celsius abzukühlen um es zu verflüssigen, noch nicht eingerechnet der Energieaufwand, um ihn gekühlt und flüssig zu halten, damit er sich nicht verflüchtigt. Gewaltige kugelförmige Tanks aus druckbeständigem Stahl bringen Massen von weit über 1000 kg auf die Autowaage. Ersetzt man die Tanks durch Tanks aus Carbonfaser, reduziert man das Gewicht; das Auto wird im Crash zur tödlichen Bombe! - Als ich Frau Professorin Claudia Kemfert kürzlich als Botschafterin des Wasserstoffs erleben durfte, kam mir der Gedanke der französischen Philosophin Prof. Chantal Delsol über eine gefährliche Denkweise “wichtiger” Zeitgenossen in den Sinn: Sie suchen das Gute und fürchten die Wahrheit. (Chantal Delsol: Icarus Fallen, Wilmington Delaware 2003) - Selbstverständlich werden ihre essentiellen Schriften nicht in deutscher Übersetzung verlegt, wie übrigens auch die Werke des ungeheuer produktiven US-amerikanischen Raumfahrtingeneurs Robert Zubrin, etwa: Energy Victory, Prometheus Books NY 2007)

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