Dirk Maxeiner / 03.12.2023 / 06:05 / Foto: Achgut.com / 59 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Wir Bullshit-Recycler

In Dubai ist Klimakonferenz, in Bayern hat es geschneit, und der kotfressende Stierkäfer wurde zum Insekt des Jahres gewählt. Das Deutsche Entomologische Institut hat damit eine gute Wahl getroffen und gibt all jenen Hoffnung, die nicht zu den großen Tieren gehören.

In Bayern ist es kalt, und gestern hat es geschneit. Sieht schön aus. In Dubai ist es warm, und die Sonne scheint. Sieht auch schön aus. Während ich Schnee schippe, sonnen sich am Persischen Golf bei angenehmen 28 Grad die führenden Weltrettungskräfte zur Klimakonferenz. Früher ging es bei diesen Versammlungen um die „Erderwärmung“, Neudeutsch auch „Global Warming“ genannt. Aber davon ist man abgekommen.

Jetzt heißt es „Klimakrise“, damit es auf München und Dubai passt und so ein Wintereinbruch nicht gleich die Moritat vom menschengemachten Höllenfeuer untergräbt. Für jüngere Jahrgänge sei hier auch gleich noch der alte deutsche Begriff der Moritat erläutert: Es handelt sich um ein von einem Bänkelsänger (mit Drehorgelbegleitung) vorgetragenes Lied mit meist eintöniger Melodie, das eine schauerliche oder rührselige (auf einer Tafel in Bildern dargestellte) Geschichte zum Inhalt hat und mit einer belehrenden Moral endet. Hören Sie sich zur Anschauung einfach die Gesänge von António Guterres oder König Charles III an, beides großartige Meister an der Drehorgel.

Bei einem plötzlichen Wintereinbruch, so wird mir allenthalben mitgeteilt, handelt es sich um ein natürliches Wetterphänomen – und zwar sagen das die gleichen Leute, die bei einer Hitzewelle im Sommer die Vorboten der Klimakatastrophe wittern. Kleiner Tipp: Entweder ist beides Wetter oder beides Klima, ist mir so herum genauso recht wie andersherum, man müsste sich allmählich aber für eine Version entscheiden. Es sei denn, man heißt Stefan Rahmstorf, tritt am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung auf und hat die Quadratur des Kreises erfunden: „Mehr Kältewellen wegen der Erderwärmung denkbar“. 

Eine fester Platz an der Seite der restlichen Weltreligionen

Womit wir beim schönen Begriff des „Extremwetters“ sind, der einfach immer passend gemacht werden kann. Egal was passiert, es ist immer Folge der „Klimakrise“, und die verursacht durch das sündhafte Treiben des Menschen. Es handelt sich um ein gegen Falsifizierung hermetisch abgeschlossenes Glaubenssystem und hat einen festen Platz an der Seite der restlichen Weltreligionen eingenommen. Mohammed wäre Tesla-S und Jesus Lastenfahrrad (Urban Arrow) gefahren. Und ich habe mich mit der gängigen Logik abgefunden. Fliege ich nicht die vereiste Kellertreppe hinunter, hat der Herrgott seine schützende Hand über mich gehalten. Fliege ich sie herunter, will der Herrgott noch eine Weile meine Glaubensfestigkeit prüfen.

Doch zurück auf den Boden der Tatsachen. Zum Glück funktioniert beispielsweise der Wetterbericht ganz gut. Die Schneeschaufeln und das Salz hatte ich deshalb schon am Vortag rausgestellt und mich auf Frühsport eingestellt, um den Bürgersteig und die Einfahrt freizuräumen. Deshalb musste ich mich dann doch sehr wundern: Die Straßenbahn fuhr nicht, auch der Augsburger Hauptbahnhof hatte den Verkehr völlig eingestellt (und wohl auch der Rest Bayerns) – selbst am Münchner Flughafen flogen nur ein paar Spatzen. Und das wegen 25 Zentimetern Schnee. 1968 machte die Bahn noch mit dem legendären Slogan Furore: „Alle reden vom Wetter, wir nicht“. Was ist seitdem bloß passiert? 

Als Antwort möchte ich in der mir eigenen Bescheidenheit auf meinen Sonntagsfahrer vom 16.02.2020 verweisen: „Die Intelligenzwende“. Ein nicht falsifizierbarer Kernsatz darin lautet: „Der Aggregatzustand eines Teiles der Bevölkerung und seiner Repräsentanten wechselte in den letzten 30 Jahren von ‚ganz vernünftig‘ in ‚vollkommen bekloppt‘“. Erstaunlicherweise geschah dies vor allem im oberen Drittel der Einkommenspyramide. 

Dazu, weil es gerade so schön passt, ein Beispiel aus dem Anekdotenschatz der Deutschen Bahn. Eine der häufigsten Störfälle im Winter sind eingefrorene Weichen. Die deshalb installierten Heizungen wurden früher manuell eingeschaltet, wenn der Wetterbericht Unheil vorhersagte, und ausgeschaltet, wenn alles vorbei war. Dies galt alsbald als Energieverschwendung und somit Beeinträchtigung des Shareholder-Value

Überholter Fahrkartenholder-Value-Ansatz 

Laut Wikipedia ist der Shareholder-Value-Ansatz „ein betriebswirtschaftliches Konzept, welches Unternehmensgeschehen als eine Reihe von Zahlungen (Cashflows) betrachtet, analog zu den aus Sachinvestitionen resultierenden Zahlungsreihen. Die Bewertung des Unternehmens wird anhand der freien Cashflows ermittelt.“ Das leuchtet einem Intelligenzgewendeten unmittelbar ein und revolutioniert den überholten Fahrkartenholder-Value-Ansatz. Der ist nämlich „ein betriebswirtschaftliches Konzept, welches das Unternehmensgeschehen als eine Reihe von Zugfahrten betrachtet, analog zu dem aus Sachinvestitionen resultierenden Fahrplan. Die Bewertung wird anhand der pünktlichen Zugfahrten ermittelt.“ 

Wie gesagt, obsiegte die Große Transformation auf Version eins, darunter auch die Umstellung auf automatische Weichenheizung. Die wird nun von elektronischen Temperaturfühlern in Betrieb gesetzt, was Personal und Strom spart, besonders wenn die Züge gar nicht mehr fahren. Schneit es beispielsweise bei fallenden Temperaturen und überdeckt Schnee den Fühler, so glaubt der, es sei wärmer, als es ist und schaltet zu spät ein. Dann taut er zwar noch etwas Schnee weg, der sich aber sogleich in Eis verwandelt. Aus der Weichenheizung wird so eine Tiefkühltruhe, und alle Räder stehen still. Ob es sich nun um eine geistige oder technische Fehlkonstruktion handelt, ist in Bahnkreisen umstritten, die meisten plädieren für beides. Zumal die damit befassten Techniker aus Kostengründen nicht mehr mit dem Auto anreisen sollen, sondern mit der Bahn, was bei eingefrorenen Weichen aber eine Contradictio in adiecto darstellt. 

Auf dass der Sonntag versöhnlich beginne, komme ich nun aber zu etwas Erfreulichem. „Der Kotfressende Stierkäfer wird Insekt des Jahres 2024“ vermeldet die Frankfurter Rundschau eine gleichsam amtliche Entscheidung von Experten am Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut im brandenburgischen Müncheberg. Ich kann diese Entscheidung nur begrüßen, schließlich sind die kleinen Tierchen darauf spezilisiert, den Kot der großen Tiere, etwa von Bullen, Rindern, Pferden und Schafen wegzuräumen und ihren Nachwuchs damit aufzuziehen.

Kein Wunder, dass diese Spezies immer mehr schrumpft

Auf Neudeutsch könnte man auch sagen: Sie sind auf das Recycling von Bullshit spezialisiert. Nachdem ich die Haushaltedebatte des Bundestages in dieser Woche verfolgt habe, kam mir sogleich der Gedanke, dass auch die dort Versammelten Herrschaften ein ähnliches Geschäftsmodell verfolgen, ich bin dann aber zu dem Schluss gekommen, dass man dem Großen Stierkäfer Typhaeus typhoeus damit Unrecht tut. 

Allein für Großbritannien wurden die kostenfreien Dienstleistungen der kotfressenden Käfer auf über 400 Millionen Euro pro Jahr berechnet, in Deutschland dürfte der Wert seiner Benefiz-Tätigkeit in ähnlichen Dimensionen liegen. Wenn überhaupt, so ist die Spezies mit den deutschen Weichenauftauern, Normalverdienern und Kleingewerbetreibenden zu vergleichen, die den Scheiß, der von den hohen Tieren angerichtet wird, täglich aufs Neue wegräumen müssen und dafür mit den höchsten Steuern und Strompreisen der Welt belohnt und obendrein als Nazi beschimpft werden. Kein Wunder, dass diese Spezies immer mehr schrumpft, genau wie übrigens die Bestände des Stierkäfers. Nur will sich kein Naturschützer für sie einsetzen, aber vielleicht kommt das ja noch.

Ohne Mistkäfer und Termiten wäre beispielsweise ein Naturpardies wie die Serengeti schnell am Ende, die Stoffkreisläufe und damit die Nahrungsgrundlage aller großen Tiere würden komplett zusammenbrechen. Ohne Putztruppe und Kompostbrigade läuft nichts. Während die Mistkäfer der Serengeti jährlich 455.000 Tonnen Tierdung in den Boden einarbeiten, reichern die Termiten die Erde mit abgestorbener Pflanzenmasse an. Hierin lassen sich unschwer Gemeinsamkeiten zwischen Ökologie und Ökonomie entdecken: Für Wohlstand muss der Boden bereitet werden, und das gelingt nur mit Hilfe der Kleinen. Erfindungsreichtum und Leistungsfähigkeit des Kleingewerbes sind normalerweise kaum zu bremsen. Die Kleinen produzieren fruchtbaren Boden und bewältigen, ohne zu murren, eine gigantische Um- und Aufbauleistung. Das Problem besteht derzeit darin, dass die Großen das vergessen haben. Vielleicht ist die Leitung vom Boden bis zum Gehirn einfach zu lang, ähnlich wie beim Dinosaurier.

Die amtierenden Herrschaften glauben zwar, das Rad erfunden zu haben, aber auch hier hatten die Kleinen die Nase vorn. Viele der Käfer formen den gefundenen Dung zu Kugeln. Während sie selbst nur etwa zwei bis fünf Gramm leicht sind, rollen sie mit den Hinterbeinen Dungkugeln bis zu einem Gewicht von 244 Gramm und mit einer Geschwindigkeit von bis zu 20 Zentimetern pro Sekunde. Das Patent für den heckgetriebenen Käfer gebührt also nicht Ferdinand Porsche. Übrigens: Im Verhältnis zum Stierkäfer müsste ein Mensch eine 4,5-Tonnen-Kugel mit 60 Kilometern pro Stunde bewegen.

Nachdem es heute schon wieder geschneit hat, erwäge ich jetzt, die Tierchen umzudressieren – aufs Schneeräumen.

 

Dirk Maxeiner ist einer der Herausgeber der Achse des Guten.Von ihm ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.

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Peter Holschke / 03.12.2023

Langsam kann die Achse sich als Achse des Bösen bezeichnen, bei der Hetze gegen die Regierung und die herrschende Doktrin. Im Übrigen, warum gilt Hetze und Hass denn neuerdings als obszön bis verdächtig. Wenn man gegen die grünen, woken Gottbegnadeten hetzt, greift man ja nicht Staat und Gesellschaft an, sondern nur diejenigen, welche ihm in perverser Form okkupiert haben. Außer natürlich, sie reklamieren Unfehlbarkeit, was sie sicher tun, aber dagegen ist Hetze wohl angemessen. Und welches Gefühl ist wohl angemessener, als Hass gegen eine pseudo-feudale Mischpoke, vollgefressen, verlogen und verkommen. Und übrigens, es scheint noch zu gelten “Erst Siegen, dann Reisen”.

Heiko Stadler / 03.12.2023

Der Klimawandel hat heute mit seiner Kältewelle wieder mal in seiner vollen Härte zugeschlagen, aber dank Ihres grandiosen Artikels, lieber Herr Maxeiner, konnte man sich ja warmlachen. Der großartige Kimawahnforscher Herr Rahmstorf hat ja so was von recht, wenn er sagt: „Mehr Kältewellen wegen der Erderwärmung denkbar“. Meine Prognose: In sechs Monaten wird der menschengemachte Klimawandel die Temperaturen um 20 Grad erwärmen. Damit würde das 1,5 Grad-Ziel um mehr als das 10-fache überschritten werden. Schrecklich ist das! Alle Pinguine und Eisbären würden am Hitzetod sterben. Bereits jetzt sind schon die Pinguine in Deutschland ausgestorben. Wir müssen unser Leben radikal ändern. Eine 360-Grad-Drehung ist dringend erforderlich, damit die Länder in mehreren 100.000 Kilometern Entfernung nicht im Meer versinken.

A.Schröder / 03.12.2023

“... kotfressende Stierkäfer wurde zum Insekt des Jahres gewählt ...”. das ist nur ein fabelhafter Vergleich, wie der einfache Mensch das schon immer gemacht hat. Hierzulande ist schon mal, zum Leidwesen und auf völligem Unverständnis der Waldbesitzer stoßend, “Berti”, der Borkenkäfer, stilvoll geehrt worden. Schließlich sind diese Tiere in der Lage sich auf geänderte Nahrung sehr gut anzupassen. Der eine muß wahrscheinlich zukünftig die Scheiße von Vegetariern, der andere sattelt mangels Masse von der Fichte, laut Meldung, in Thüringen auf acht andere Baumarten, um. Ich wußte gar nicht, das es hier so viele Baumarten gibt.

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