Handelt es sich bei einigen Autos, darunter beliebte Volkswagenmodelle, um gemeingefährliche Cyberwaffen? Nach UN-Vorschriften ja. Deshalb dürfen sie ab Juli in Europa nicht mehr verkauft werden.
Was haben die Vereinten Nationen (UN) mit Autos zu tun? Nix, dachte ich bis jetzt. Oder zumindest nicht direkt. António Guterres, der Oberste Comanche vom Stamme der UNO-Apparatschiks, wird stets mit den schwersten Limousinen (Audi A8, 571 PS, Mercedes S680, 612 PS, BMW i7 571 PS), die der Planet zu bieten hat, durch die Gegend geschaukelt, um am Ziel Salbungsvolles zur Weltrettung zu verkünden. Dem staunenden Publikum berichtet er dann beispielsweise von seiner letzten Antarktisreise: Es sei „zutiefst schockierend“, auf dem dortigen Eis zu stehen und direkt von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu hören, wie schnell es schwinde. Da ist er allerdings nicht mit einem der Pferdeschlitten hingefahren, denn für Ferneisen gibt es einen standesgemäßen UN-Jet.
Man nennt das „kognitive Dissonanz“, und diese kommt in den besten Kreisen besonders häufig vor. Als ehemaliger Präsident der Sozialistischen Internationale ist Guterres sogar ein führender Experte auf diesem Gebiet. Und damit der Maestro bei seinen Benefizkonzerten nicht allzu dissonant in den Orchestergraben fällt, lässt er uns wissen, man brauche keine großen Autos, er fahre privat ein „kleines Auto“. Der Mann will halt Vorbild sein. Wer von António Guterres’ Bescheidenheit nachhaltig beeindruckt ist und nun ebenfalls ein kleines Auto anschaffen will, findet aber keine besonders große Auswahl mehr. Beispielsweise darf es nicht mehr der in Deutschland beim gemeinen Volke beliebte VW-Up sein. Den hat eine Unterorganisation der UNO nämlich gerade aus dem Verkehr gezogen.
Die Lektüre der Kausalkette zwischen dem Upleben des kleinen und sparsamen Volkswagens und den Vereinten Nationen ist mindestens so lang wie die Lektüre von Kafkas Prozess (Suhrkamp/Insel, 282 Seiten) und von ähnlichem Erkenntniswert: „Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet." So beginnt die Geschichte des Josef K., dem von einer mysteriösen Behörde in einem Gestrüpp undurchschaubarer Gesetze der Prozess gemacht werden soll. Josef K. muss schließlich erkennen, dass der „Sinn dieser großen Organisation, dieser korrupten Bande“, der Sinn dieses geheimnisvollen Prozesses die „Sinnlosigkeit" ist.
In der nun aktualisierten Fassung beschreibt die literarisch auf dem neuesten Stand befindliche Kulturzeitschrift „autohaus.de“ den Prozess so:
Für Insider war die Nachricht keine Überraschung, doch sie hat mächtig Wellen geschlagen. Denn dass VW den Up nicht wegen der Euro7-Norm vom Markt nimmt, sondern wegen der Cyber-Security, das hat den Blick auf eine bislang eher vernachlässigte Disziplin der automobilen Sicherheit geworfen: Nicht Knautschzonen und Crashtests, sondern Viren, Firewalls und Software-Protokolle werden plötzlich zu Killerkriterien, die über das Wohl und Wehe einzelner Modelle entscheiden: „Moderne Fahrzeuge werden immer mehr zu vernetzten Endgeräten. Fahrzeughersteller müssen im Zuge dieser Entwicklung verstärkt die Perspektive eines Soft- und Hardware-Anbieters einnehmen. Damit gehen auch entsprechende Anforderungen an die Cybersicherheit einher“, sagt Harald Wimmer, Partner und Global Automotive Leader, bei der Unternehmensberatung PwC Deutschland. Und das ist keine reine Empfehlung, sondern mittlerweile sogar Gesetz: Denn 2020 hat die United Nations Economic Commission for Europe (UNECE) neue Datenschutzregelungen verabschiedet und die Hersteller damit zu hohen Standards im Cyberspace verpflichtet.
Sie vermehren sich asexuell wie manche Schnecken
Aus dieser Beschreibung lässt sich zweierlei lernen. Erstens ist sie eine Bestätigung des im Sonntagsfahrer schon wiederholt zitierten Diktums des ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten der EU, Jean-Claude Juncker: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt."
Zweitens lernt man, dass dieses Diktum nicht nur für die EU selbst gilt, sondern auch für die UN, ein vielköpfiges Ungeheuer, das bis in die letzte Schublade der EU-Bürokratie seinen Lebensraum gefunden hat („Die UN besteht aus einem komplexen Geflecht von Hauptorganen und zahlreichen Nebenorganen, Sonder- und Partnerorganisationen"). Im konkreten Fall handelt es sich um „The United Nations Economic Commission for Europe” (UNECE), die seit 1947 ihr bislang zumindest mir verborgenes Dasein fristet. Sie diente ursprünglich dazu, die „paneuropäische ökonomische Integration“ voranzutreiben und hat sich mit immer neuen Regulierungen und Vorschriften, die den Weg dorthin bahnen sollen, ein ewige Daseinsberechtigung geschaffen. Solche Vorschriften vermehren sich bekanntlich asexuell wie manche Schnecken, es findet keine Befruchtung statt, die Nachkommen entwickeln sich durch Zellteilung.
Demokratisch ist die UNECE von den Bürgern ebenso wenig kontrollierbar wie die EU-Kommission. Zusammen wirken sie dann mitunter wie eine große Koalition von Dschingis Khan und Ivan dem Schrecklichen, mit entsprechenden Folgen für die betroffenen Bürger. Im vorliegenden Fall verdonnerte die EU die Automobilhersteller dazu, aus ihren Fahrzeugen totalüberwachte Endgeräte zu machen. Und die UNECE teilt dann bedauernd mit, dass diese Endgeräte, besonders wenn sie schon etwas älter sind, gegen die vereinbarten Regeln zur Cybersicherheit verstoßen. Diese Botschaft verbirgt sich hinter den harmlos klingenden Richtlinien R155 und R156. Das nennt man getrennt marschieren und vereint schlagen, die EU schießt die Hersteller waidwund, und die UNECE macht dann den Sack zu.
„Lasst uns zusammen das Licht ausmachen“
Die Taktik erwischt die beflissenen Autohersteller wie ein Kintopp-Tortenwurf. Sie wischen sich überrascht die Sahne aus dem Auge und müssen ganze Baureihen einstellen, an denen sie immer noch gutes Geld verdient haben. Die Internationale der Autofeinde ritzt sich derweil eine weitere Kerbe in den Colt. Dazu passt ein Aufruf, den António Guterres gestern an die Welt richtete: „Lasst uns zusammen das Licht ausmachen und der Welt eine hellere Zukunft für uns alle bescheren“ (Together, let’s turn off the lights and turn the world towards a brighter future for us all).
Das Licht ausgeknipst wurde nicht nur dem VW-Up, sondern auch dem meistverkauften Auto der Volkswagen Nutzfahrzeugabteilung, dem auch bei Campern beliebten „VW-Bus“ T6.1. „Wir hätten das Auto sicher noch zehn Jahre lang weiter verkaufen können", sagt man bei VW, „wir sind ratzekahl ausverkauft". Auch Porsche erwischt es kalt: Die Modelle Macan, Cayman und Boxster verschwinden ab Juli vom Markt. Um den Macan ist es nicht schade, um den Cayman und Boxter aber schon. Die kriegt man dann nur noch entsaftet und mit Batterie, um das 24-Stunden-Rennen um die nächste Ladestation zu gewinnen. Das Ende des Mercedes CLS und des Ford Fiesta geht gerüchteweise ebenfalls auf das UNECE-Konto, ebenso wie das des Audi TT und des Sportwagens Audi R8 sowie das des Smart WQ Fortwo – wobei einige Hersteller den Grund eher schamhaft verschleiern. Niemand gibt gerne zu, übertölpelt worden zu sein oder schlicht gepennt zu haben.
Aber was hat um Gottes Willen ein VW-Up mit Cybersicherheit zu tun? Könnte die Up-Flotte samt ihrer friedensbewegten Insassen von finsteren Mächten als Marschflugkörper gen Moskau geleitet werden? Oder gar vor’m Reichstag rumlungern, um Helge Lindh oder Marie-Agnes Strack-Zimmermann aufzulauern und mit der Scheibenwaschanlage nasszumachen?
Experte Joachim Mohs erklärt, die Cyber-Security-Vorschriften gewährleisteten nicht nur den „Schutz der Verkehrsteilnehmer vor gefährlichen Eingriffen in die Steuersysteme“, sondern reduziere auch das Risiko von „Angriffen auf das digitale Ökosystem der herstellenden Unternehmen“. Was ich mal so interpretieren möchte: Unbefugte sollten Nachbars Volkswagen nicht stilllegen können, lediglich das dazu autorisierte Finanzamt, wahlweise der Verfassungsschutz oder die örtliche Filiale „von Demoraktie leben.“
Drei Pflanzen pro Auto
Außerdem bringt mich das neue Wissen auf die Idee, mit Hilfe eines befreundeten Hackers den VW-Bus, der gegenüber auf der Straße parkt, zu infiltrieren, um anschließend die Konten der Volkswagenbank abzuräumen und als Spende an den Resozialisierungsfonds von Achgut.com zu überweisen. Die „Komplexität der Wertschöpfungsketten“ bietet offenbar bislang wenig bekannte Chancen für Quereinsteiger.
Porsche baut die betroffenen Modelle übrigens in Leipzig weiter – für die außereuropäischen Märkte. Beim Überqueren der Schweizer Grenze in Schaffhausen vollzieht sich ein Wunder wie beim Betreten der Grotte von Lourdes, und aus einer cybermäßig wildgewordenen Cruise-Missile respektive einem „Endgerät" wird wieder ein Auto. Aber vielleicht haben sich die Schweizer ja auch schon freiwillig unterworfen. Wie sagte António Guterres unlängst so schön: “We will never, ever give up making this world better for everyone, everywhere”.
Ich empfehle daher in Deckung zu gehen und möchte eine erneute Terrorwarnung aussprechen (siehe oben Juncker’sches Diktum): Die Weltgesundheitsorganisation, deren Fürsorge sich das deutsche Parlament gerade unterwarf, beginnt nun auch, sich für das Automobil, respektive seine Abschaffung zu interessieren. Wer den WHO "Global status report on road Safety 2023" liest, darf sich auf viele neue Vorschriften aus dieser Ecke zu Verkehrstoten, Schadstoffen, Klima und Energie gefasst machen, denn wir befinden uns in der "Decade of Action for Raod Safety 2021–2030". Vielleicht wird ein Lockdown für das Auto ja der Höhepunkt von Karl Lauterbachs Karriere und Machtentfaltung. Den Angehörigen der Branche empfehle ich eine Umstellung auf den Cannabis-Anbau. Drei Pflanzen pro Auto.
Dirk Maxeiner ist einer der Herausgeber der Achse des Guten. Von ihm ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.
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