Der Sonntagsfahrer: Verhalten bei leerem Tank

Ich schlug meinem Kumpel folgende Vorgehensweise vor: „Ich tanke und du schaust weg“. Und so geschah es. Dieser Vorgang war insofern bemerkenswert, als damit von uns ein frühes Zeichen für die inzwischen verbindliche deutsche Energiepolitik gesetzt wurde.

Viele kennen ja die alte Journalisten-Regel: „Hund beißt Mann“ ist kein Aufreger, „Mann beißt Hund“ hingegen sehr. Der gestrige „Bahnbreakdown“ (Bild.de) mit stehenden Zügen, die nicht mehr über den Betriebsfunk erreichbar waren, ist eher kein Aufreger, sondern inzwischen so etwas wie Alltag. Deshalb will ich das hier gar nicht weiter ausführen, auch nicht, ob es sich dabei um Sabotage handelte oder um die Folgen der ganz normalen Bahnpolitik, das kommt ohnehin auf das gleiche heraus.

Berichtenswert ist aber die Ansage eines Zugführers, der unlängst (nach glaubwürdiger Aussage eines Freundes von mir) in Höhe von Koblenz durch den Bordlautsprecher bekannt gab: „Wir erreichen unser Ziel pünktlich und bitten um Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten“. Ob es sich dabei um einen Freudschen Versprecher oder subversive Kritik an den bestehenden Verhältnissen handelte, sei einmal dahingestellt. Zugnummer, Datum und Uhrzeit liegen mir vor, ich werde sie aber nicht preisgeben, wahrscheinlich hat der Mann zwei Kinder und muss ein Häuschen abbezahlen. 

Jedenfalls vertraue ich seit einiger Zeit wieder auf mein heiliges Blechle und einen Tank mit fossilen Brennstoffen, die sich so gut bevorraten lassen wie ein Gebinde Dosenbier im Vorratskeller. Wenn ich beispielsweise aus dem fernen Bayern des Nachts in Berlin eintrudele, tanke ich trotz der späten Stunde erst einmal genüsslich voll. Getreu dem Motto: Egal was passiert, damit kommst du zur Not und mit aerodynamisch angelegten Ohren auch wieder nach Hause. Ein Winter in Berlin ist nur etwas für Leute, die gerne in Wladiwostok Urlaub machen.

Grundsätzlich ist in diesen Zeiten ein voller Tank so etwas wie die Münchner Rückversicherung und außerdem eine Spardose. Fragen Sie mal die Bundesregierung. Oder Sabine. Die ist nämlich allergisch gegen rot aufleuchtende Tankuhren. Eine Zeit lang habe ich mir in jugendlichem Übermut einen Spaß daraus gemacht, die maximale Reichweite meiner jeweiligen Gefährte experimentell zu ermitteln. Ging nicht immer gut. Wer einmal mit stotterndem Motor und Sabine am Wegesrand liegen geblieben ist, tut das nie wieder, ich schwör. Prinzipiell zählt das Liegenbleiben mit leerem Tank aber zum Anekdoten-Schatz eines jeden Automobilisten, man möchte diese vergangenen Stunden der Kontemplation nicht missen, auch nicht die oft ausgedehnten Spaziergänge. 

Das männliche Bedürfnis nach dem Austesten von Grenzen

Eine der ersten technischen Details, die schon in früher Kindheit meine Neugier weckten, war der Reservehebel im Fußraum des elterlichen VW-Käfer. War der Sprit alle, geriet die Fuhre ins Ruckeln, mein Vater drehte den Hebel mit dem rechten Fuß um, und der Motor nahm spuckend wieder seinen Betrieb auf. Jetzt wusste man: Es sind nur noch ein paar Liter im Tank. Meine Mutter reagierte stets schlecht gelaunt auf dieses Manöver, da gibt es eine weibliche Kontinuität in unserer Familie. Es trifft offenbar das männliche Bedürfnis nach dem Austesten von Grenzen und verwegener Herrschaft über ein technisches System auf das weibliche Bedürfnis, mit der Brut rechtzeitig das warme Nest zu erreichen. 

Ich erinnere mich gut an die nächtliche Heimfahrt von einer bäuerlichen Kirmesfeier in der Eifel, es schneite und wir fuhren 20 Kilometer vor unserem Ziel durch das einsame „Lutzerather Loch“ ein tief eingeschnittenes Tal mit anschließender Steigung von 24 Prozent. Dies erforderte die Nutzung des ersten Ganges und Vollgas, was den Verbrauch in schwindelnde Höhen getrieben haben muss. Außerdem neigte sich der Tank möglicherweise in die falsche Richtung, jedenfalls blieben wir kurz vor der Kuppe liegen. Mein Vater gab uns einige Hinweise für den Umgang mit Wölfen, Bären und Hyänen, was meine Mutter nicht wirklich lustig fand. Er verschwand im Dunkeln und kehrte nach zwei Stunden mit einem Bauern, einem Traktor und einem Fünf-Liter-Kanister zurück. 

Ein zeitgeistiges Revival dieser schönen Erinnerung erlebte ich dann in West-Australien, wo ich mich 1995 zusammen mit einem Fotografen auf dem Rückweg von einer Schafsfarm im Outback verfahren hatte. Es war die Zeit eines Boykotts gegen die Firma Shell, wegen angeblicher Meeresverunreinigung durch die geplante Versenkung der Öltank-Insel „Brent Spar“. Das Ding wurde nicht mehr gebraucht, sollte gereinigt und im Nordatlantik versenkt werden. Dort hätte es, wie Schiffswracks auch, allenfalls ein hübsches und biologisch abbaubares Riff für Meereslebewesen gebildet. Doch Greenpeace machte einen Riesenskandal daraus, woraufhin die Deutschen nicht mehr bei Shell tanken wollten. Und das nicht einmal in Australien, wie mir mein Fotograf mit zum Schwur erhobener Hand versicherte. 

Und es kam, wie es kommen musste. Nach endloser Kurverei über Wellblechpisten erreichten wir irgendwo im Kimberley endlich wieder eine befestigte Straße. Die Tankuhr war bereits seit einiger Zeit am unteren Rand des Instruments festgenagelt. Wir richteten uns auf eine einsame Nacht am Wegesrand ein. Und dann erschien am Horizont ein gelbes Licht. Genauer gesagt ein Roadhouse und darüber das Markenzeichen von Shell, eine gelbe Muschel, die mir so lieblich vorkam wie der Stern von Bethlehem. Ich schlug meinem Kumpel folgende Vorgehensweise vor: „Ich tanke und du schaust weg“. Und so geschah es. Dieser Vorgang war insofern bemerkenswert, als damit von uns ein frühes Zeichen für die inzwischen verbindliche deutsche Energiepolitik gesetzt wurde.

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

Foto: Diverse via Wikimedia Commons

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T. Schneegaß / 09.10.2022

@Otto Nagel: Wir müssen nicht ungeduldig werden, morgen erscheint der “Montagsfahrer”, am Steuer Osthold. Heute erstmal vielen Dank für die dringend nötige Erheiterung an Herrn Maxeiner.

Hans Meier / 09.10.2022

Ich habe letztens eine Realität auf der Autobahn erlitten. Es ist eine “elende Schleicherei im Konvoi”. Vorne so ein “Mist-Stück mit seinem bekloppten Testla” der den Tempomat auf 108 Km/h stehen hat, vielleicht guckt der auch noch nebenbei Videos” aber der “träumt in seine Chose”. Dahiter eine dieser “Lieseln mit nem dicken Daimler” die den Teslafahrer vor allen Dränglern beschützt. Und dann noch die “dahintreibenden Cruiser” die auf ganz wichtigen Sicherheits-Abstand achten. Es ist zum… dieses Ausbremser-Pack im Lack der Nippon-Früchtchen mit te Hybride, die also mehrere teure Technik für mehr Kosten auf der Straße einem Eiligen in den Weg stellen, damit der “auf gar keinen Fall” weiter mit 180 Km/h gemütlich seinen Zielen schneller näher kommt. Und ich habe es verstanden, diese Senioren sind sehr sehr langsam in ihren letzten Reaktions-Spielräumen, deshalb die vielen Assistenz-Systeme oder diese “Schleicher-Tonnenschwere Elektroschleicherei”. Theoretisch hätte so ein “Autoscouter die Chance” schnell davon zu ziehen, aber das “Protzprunkstück” wird befahren, von “einer motorischen Krüke”. Da haben die “Hirnströme schon auf Automatik” also den sparsamsten Teil der “Intelligenz” umgeswicht, da stehen diese “Verkehrs-Staubildner”, den Stau beschützende und ganze Ensempels die mit “toten Baus-Stellen” vor “Grüner Verkehrs-Politik stahlender bewußster Vernachlässigung der Infra-Struktur.

Gerhard Döring / 09.10.2022

Ist es nicht tragisch komisch? Die ganze Welt, ja sogar das komplette Universum, besteht aus unendlich viel Energie. Selbst das kleinste Staubkörnchen. Aber es gibt eine besondere Rasse Menschenaffen, welche sich zur Zeit ganz oben fühlt und uns nicht einen Funken Energie mehr gönnt um eben diese Welt zu retten. Leider hat diese Sekte mit all Ihrem Wahn z.Zt. das uneingeschränkte Sagen und selbst bereitstehende Kraftwerke aller Art sind für die verpönt. Und nun kommen Sie Herr Maxeiner und machen aus dieser Idiotie eine neue Art von Humor. Das hilft uns!

S. Gerhard / 09.10.2022

Der Vergleich des Winters in Berlin mit Wladiwostok lässt mich kalt. Aber das Titelbild ist aufregend: Ein Luftschiff geht unter, von einem Dampfschiff aus beobachtet.

S. Andersson / 09.10.2022

Ja, ja ... der gute alte Reservekanister. Das mit Grenzen austesten ist ja mal ganz witzig, wenn man jung ist. Das was jetzt kommt ist schon ab zu sehen ... die Speditionen fangen schon an ihre Kunden aus zu sortieren, was dann für Michel & Micheline bedeuten wird das Waren Politisch/ Lobbyistisch Motiviert nicht mehr greifbar seinen werden. Betrifft dann auch das Bier…. was beim Fußball gucken wichtig ist. Bin mal gespannt was die Geld & Machtgeilen Polit & Lobby-Genossen da jetzt machen wollen . ... Lastenfahrräder für alle umsonst ... so was in der Art muss es schon sein .... oder stoppen die jetzt den ganzen Unsinn mit Kriegshetze, Corinnavirus & Co .... wäre die einfachste Lösung für Volk und die schlechteste für die selbst ... Meineid sag ich da nur ...Ooops, fast vergessen ... bei diesem Spiel kann man lange nach dem Reserve-Hahn suchen ... den gibt es nicht in diesem Spiel

Lars Schweitzer / 09.10.2022

Ich hätte auch nicht gedacht, dass es mal so weit kommt, aber inzwischen tanke ich immer bei halbleerem Tank. Und wenn ich mir die Zählerstände der Zapfsäule vom Tankvorgang vor mir anschaue, machen das inzwischen einige so.

Hans Hofmann-Reinecke / 09.10.2022

Die Frauen und die Tankanzeigen… Ich war einmal mit einer freundlichen Passagierin in meiner einmotorigen Piper Cherokee unterwegs. Sie fand die vielen Anzeigen im Cockpit zwar verwirrend, hatte aber eine sofort identifiziert: „FUEL LEFT“, zu Deutsch „verbleibender Treibstoff“. Was sie beunruhigte war, dass die auf null stand. Das wäre doch gefährlich, insbesondere in einem Flugzeug. Ich reagierte mit übertriebener Gelassenheit, um sie zu ärgern. Schließlich aber zeigte ich ihr eine andere Anzeige. „FUEL RIGHT“, und da war noch eine ganze Menge. Das Flugzeugt hatte zwei Tanks.

Paul Siemons / 09.10.2022

Ich boykottiere seit Monaten “meine” über mehr als vier Jahrzehnte frequentierte Esso Tankstelle, da ich dort an der Kasse so germanisch-herrisch wegen meiner zwangsweise umgebundenen Windel (“Das ist nur eine Stoffmaske!”) angemault wurde, dass ich mir vorkam wie einst beim Bund. Auf meine Frage, ob ich dann jetzt auch nicht bezahlen dürfe, gab es einen Blick, wie ihn ein Kreuzfeld-Jakob-krankes Schaf nicht besser hinbekommen hätte. Eher gehe ich zu Fuß, als jemals dort noch einmal zu tanken.

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