Der Volkswagenkäfer war für seine erstaunliche Schwimmfähigkeit bekannt. Leider gilt das nicht für den Volkswagen-Konzern, der Anstalten macht, demnächst am Meeresgrund zu parken. Die Vorboten sind im Werk Emden zu beobachten, wo E-Autos gebaut werden, die kaum einer haben will. Doch eingestellt wird die gut verkäufliche Verbrenner-Produktion.
Der Volkswagen-Käfer kann nicht nur fahren, sondern auch schwimmen. Das bewies sich immer wieder bei diversen Hochwassern. Fotos der großen Hamburger Sturmflut zeigen etliche Käfer, die durch das Hamburger Stadtgebiet treiben. Die Konkurrenz von Opel oder Mercedes war da längst landunter. Auch in der ikonographischen US-Volkswagenwerbung dieser Zeit spielte ein schwimmender Käfer eine Rolle, obwohl der steigende Meeresspiegel noch nicht zum Angstmachen taugte. Eine reißende Flutwelle hatte den Wagen von Mrs. Stevenson aus Pomona weggeschwemmt, und sie fand ihn eine halbe Meile weiter wieder. „Beide Türen gingen mühelos auf“, berichtete sie zurückblickend, „der Innenraum war völlig trocken und unbeschädigt. Nachbarn sagten mir, er habe die Fluten wie ein stolzes kleines Schiff gemeistert“. Die Amerikaner hatten sich in das in ihren Augen skurrile und unkaputtbare Autochen verliebt und orderten den Käfer millionenfach.
Der Käfer wird Kult und entwickelt sich zum offiziellen Dienstwagen der Hippie-Generation. Sogar Robert Kennedy hielt aus dem Sonnendach eines Käfers heraus Wahlreden für seinen Bruder. Während der Käfer in Deutschland den biederen Mittelstand mobilisierte, war er in den USA auch Ausweis für linksintellektuelles Bewusstsein. Und sein luftgekühlter Boxermotor machte ihn zum lautesten Statement gegen das flüsternde V8-Establishment, das man kaufen konnte.
Wie gesagt, der Käfer konnte recht gut schwimmen, ein Nebeneffekt seiner leichten Konstruktion mit einem geschlossenen Plattformrahmen. Bis nach Amerika hätte es das Krabbeltier allerdings selbst bei günstigen Winden nicht geschafft, weshalb man ihn im westlichsten deutschen Hochseehafen mit riesigen Autotransportern auf die kürzestmögliche Seereise schickte. 1964, da hatten die Amerikaner schon über eine Million Käfer gekauft, baute man in Emden dann folgerichtig ein großes Käferwerk, damit die Autos gleich vom Fließband in die Schiffe verklappt werden konnten. Das Volkswagenwerk Emden wuchs zum größten Industrieunternehmen westlich von Bremen und nördlich des Ruhrgebietes mit heute rund 8.000 Mitarbeitern heran. Der Überseehafen Emden entwickelte sich zum drittgrößen Autoverladekai Europas. Das heißt aber auch: Wenn Volkswagen hustet, dann liegt Emden auf der Intensivstation.
Der Absatz der Elektro-Modelle stockt massiv
Und genau das passiert in diesen Tagen. Davon hört man wie üblich allerdings nichts in der Tagesschau oder liest es in einer der großen Tageszeitungen, sondern man muss beispielsweise den Anzeiger für das Harlinger Land studieren, das ist eine Unterausgabe der Nordwest-Zeitung (NWZ), in deren Verbreitungsgebiet das Volkswagenwerk Emden beheimatet ist. Die Lokalnachrichten der Provinzblätter sind inzwischen zum Kanarienvogel im Bergwerksschacht geworden.
Und so erfährt der Leser der NWZ: Dort wo die Aufstiegsgeschichte der deutschen Autoindustrie einst Wirtschaftswundergeschichte schrieb, lässt sich aktuell wie unter einem Brennglas die Abstiegsgeschichte der deutschen Schlüsselbranche verfolgen. Und das nicht nur ökonomisch, sondern auch intellektuell.
„Das Emder Volkswagen-Werk wird die Produktion in diesem Sommer in Teilen länger stoppen müssen als ursprünglich geplant", fängt der NWZ-Bericht eher harmlos an und wird dann etwas konkreter: "Betroffen davon ist vor allem die Produktion der Elektro-Modelle. In diesem Bereich werden die Ferien um eine Woche verlängert. Zudem wird hier bereits ab nächster Woche die Spätschicht gestrichen – zunächst für die zwei Wochen bis zum Werksurlaub, womöglich aber sogar bis Ende des Jahres. Angedacht ist für die kommenden Monate sogar nur noch eine Normalschicht“.
Im Verlauf des weiteren Textes wird der Bericht dann deutlicher:
„Entsprechende Informationen dieser Redaktion bestätigte jetzt der Betriebsratsvorsitzende Manfred Wulff. Grund für die doch sehr ungewöhnliche Maßnahme: Der Absatz der Elektro-Modelle stockt massiv. Die Nachfrage liegt fast 30 Prozent unter den ursprünglich geplanten Produktionszahlen."
Dagegen gehe die Produktion der Verbrenner-Fahrzeuge nahezu unverändert weiter. Sie ende aber, wie schon länger geplant, im Februar/März 2024 sowieso.
„Die Situation ist schon dramatisch“
Es gibt bei Volkswagen also zwei Arten von Autos, die nicht mehr verkauft werden: Die Elektroautos, weil die Kunden sie trotz heftiger Prämien offenbar nicht mögen. Und die Verbrenner, die die Kunden zwar mögen, deren Produktion aber eingestellt wird, weil Politiker sie nicht mögen. Nun weiß der etwas kundige Automensch beispielsweise aus dem Ableben der gegen Ende staatlich gelenkten britischen Autoproduktion: Fahrgemeinschaften zwischen Staat und Automobilindustrie enden in der Regel an der Notrufsäule.
Der VW-Betriebsrat meint laut NWZ: „Die Situation ist schon dramatisch“. Es laufe derzeit etwas „total schräg“. Und dann die Erklärung für das Dilemma: Nachdem der Vorlauf der elektrischen I.D Modelle abgearbeitet sei, bleibe die notwendige Nachfrage nun aus. „Die Kaufzurückhaltung hat viele Gründe, die ich teils auch verstehen kann“, habe der Betriebsratschef gesagt. Er bezeichnet sie nicht näher, dabei ist es gar nicht so schwer, ein paar aufzuzählen: zu teuer, zu schwer, zu unflexibel, zu wenig Reichweite – sowie das große Fragezeichen über dem Ganzen: Wo soll eigentlich hierzulande der Strom für die E-Autos herkommen? Er reicht ja noch nicht einmal für Wärmepumpen.
Nachdem Flottenbetreiber und institutionelle Dienstwagen-Betreiber politisch korrekt angeben können und die hohen Kauf-Subventionen abgegriffen haben, bleibt die private Nachfrage nun aus. Der Kunde ist eben nicht blöd. Und macht eine einfache Rechnung: Für einen Kaufpreis von rund 45.000 Euro fährt der VW-ID.4-Besitzer eine schwere Batterie und insgesamt 2,2 Tonnen spazieren. Wenn er viel Glück hat, kommt er damit etwa 350 Kilometer weit. Er kann sich allerdings auch für nur rund 12.000 Euro einen nur halb so schweren Dacia Sandero kaufen, der mit seinem 50-Liter-Tank locker 1.000 Kilometer weit fährt.
Die Volkswagen-Riege unter dem inzwischen entsorgten Herbert Diess glaubte tatsächlich, diese kleine Diskrepanz ignorieren zu können. Und nach Emden ist demnächst dann Ingolstadt dran, weil ja auch Audi in Zukunft vollelektrisch gegen die Wand fahren soll. Dessen Chef Markus Duesmann, ein führender Wokeness-Jubelperser der deutschen Industrie – und in dieser Kolumne liebevoll als „Audis Fahrradbote“ gewürdigt – wurde übrigens gerade die Audi-Führerlizenz entzogen. Doch trotz der auffälligen Abgänge verbreiten die Zurückgebliebenen weiter Durchhalteparolen. Sie scheinen offenbar nach wie vor entschlossen, weiterzugraben, obwohl sie bereits in einem tiefen Loch festsitzen.
Die Elektromobilität in ihrem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf
„Grundsätzliche Zweifel am Erfolg der Elektro-Welt am Emdener Standort hat Betriebsrat-Vorsitzender Wulff nicht“, schreibt die NWZ. An der Elektromobilität werde man nicht vorbeikommen. Merke: Die Elektromobilität in ihrem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf. Der kommende Elektro-Passat, der ID.7, werde dem Standort noch einmal „weiteren Schwung bringen“, ist Wulff überzeugt. Hier hilft es nur, den österreichischen Psychotherapeuten Paul Watzlawick zu Rate zu ziehen:
"Wenn Du immer wieder das tust, was Du immer schon getan hast, dann wirst Du immer wieder das bekommen, was Du immer schon bekommen hast. Wenn Du etwas Anderes haben willst, musst Du etwas Anderes tun! Und wenn das, was Du tust, Dich nicht weiterbringt, dann tu etwas völlig Anderes, statt mehr vom gleichen Falschen!"
Behandlungsbedürftig klingt auch VW-Sprecherin Indra van Schwartzenberg: „Wir sind zuversichtlich, dass die Auslastung des Werks mit der Markteinführung des ID.7 Ende des Jahres wieder steigt". Die noch viel teurere Idee Nummer 7 soll also endlich besser bei der Kundschaft ankommen als die gescheiterte Idee Nummer 4, einfach indem man noch fester an die Idee glaubt. Mit der Elektromobilität ist es nämlich wie mit dem Sozialismus, der grundsätzlich makellos voranfährt und lediglich unter ein paar Fehlzündungen leidet, warum man unverdrossen immer wieder zum Startpilot greifen und die Fuhre neu starten muss.
Die Handreichung dazu gibt der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) und fordert die Weiterführung der staatlichen Subventionen. Es sei Aufgabe der Politik, über „neue Anreizmechanismen, etwa über Vergünstigungen bei der Mehrwertsteuer“ nachzudenken. Da das Land Niedersachsen ein großer Anteilseigner an VW ist, hat man also beschlossen, sich selbst zu bescheißen, weil der Kunde sich nicht mehr bescheißen lassen will. Auch davon wird nix übrigbleiben, ganz einfach weil die staatlichen Zuwendungen durch einen Einfüllstutzen erfolgen, an dessen Ende der Tank vergessen worden ist.
Ferner meint Lies: „Für die Kunden muss Elektromobilität planbar finanziell sicher sein, auf Dauer günstiger als Verbrenner, komfortabel beim Laden, sauber durch grünen, günstigen Strom und damit attraktiv sein.“ Das einzige Problem dieser astreinen Argumentationskette: Grünen günstigen Strom wird es in diesem Land aller Voraussicht nach nie wieder geben, dafür haben unsere Weltenretter nachhaltig gesorgt, etwa mit einer Sprengladung unter dem Kernkraftwerk Philippsburg. Aber vielleicht entdeckt man ja Pfeifen im Walde als unerschöpfliche neue Energiequelle, dafür gibt's dann einen Preis auf dem Greentech-Festival.
Eine Beleidigung des Verstandes
Wirtschaftsminister Lies legt sogar noch eins drauf: Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien müsse „Stabilität und Planungssicherheit in die Strompreise“ gebracht werden. Dieser Hinweis geht ein wenig an der Tatsache vorbei, dass durch die erneuerbaren Energien soeben Stabilität und Planungssicherheit aus unserer Energieinfrastruktur vertrieben wurde, genau wie zahlreiche Unternehmen, die das Weite suchen. Es ist allmählich eine Beleidigung des Verstandes und eine intellektuelle Zumutung, sich immer noch solchen Stuss anhören zu müssen.
Ganz besonders dürften die Mitarbeiter von Volkwagen das so empfinden. Zuerst werden jetzt die am schlechtesten bezahlten Leiharbeiter auf die Straße gesetzt, die ersten 300 in der kommenden Woche. Ein Großteil der 1.500 Leiharbeiter kann nicht mehr auf eine Übernahme hoffen, wird also ebenfalls abserviert. Und dies, weil man die Produktion von Autos, die die Menschen kaufen wollen, einstellt, und die Produktion von Autos, die keiner haben will, als alternativlos darstellt. Emden ist demnächst überall.
Merke: Wir erleben gerade live und in Farbe, wie deutsche Großkonzerne sich auf die totale Staats- und Subventionswirtschaft umstellen. Der Kunde ist nicht mehr das Maß der Dinge, sondern der Staat und die Utopien der ihn Beherrschenden. Dafür genügt ein Blick auf die Automobilwerbung, die einst die Emotionen und Wünsche des Kunden zu wecken suchte und inzwischen zum Schaufenster woker und bunter Gesellschaftbilder avancierte. Leute, die davon angesprochen werden, kaufen aber eher keine Autos, sondern treffen sich zum Stuhlkreis im autonomen Zentrum. Den Menschen im Hochseehafen Emden möchte man daher zurufen: Alle Mann in die Rettungsbote! Zur Not tut es auch ein alter VW-Käfer.
Dirk Maxeiner ist einer der Herausgeber der Achse des Guten.Von ihm ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.