Claudio Casula / 16.03.2024 / 06:15 / Foto: Screenshot, "funny dog" / 179 / Seite ausdrucken

Der Siegesrausch der Volkserzieher

Die Fälle, in denen der Staat gegen seine Kritiker übergriffig wird, mehren sich. Jetzt reichen schon Petitessen, um ihnen die Folterwerkzeuge zu zeigen. Der Boden dafür wurde längst bereitet.

„Der Vorsitzende der Bürgerinitiative gegen staatliche Willkür ist heute Morgen ohne Abgabe von Gründen von der Polizei festgenommen worden.“ Über diesen Spruch lachten wir in den achtziger Jahren. Und heute?

Wer hätte gedacht, sich jemals in einem Land wiederzufinden, in dem Polizisten einen Mann vom Fahrrad reißen und zu Boden bringen, weil er aus dem Grundgesetz vorgelesen hat? In dem frühmorgens die Polizei eine Wohnungsdurchsuchung bei jemandem durchführt, der den Hamburger Innensenator in einem Tweet mit „Du bist so 1 Pimmel“ adressierte? In dem man von einem Polizisten die Geschwindigkeit vorgeschrieben bekommt, mit der ein Apfel zu essen ist? Oder in dem eine 16-jährige Schülerin aus dem Unterricht geholt wird, um eine Gefährderansprache über sich ergehen zu lassen, weil sie ein unterkomplexes TikTok-Video gepostet hat, in dem die Popularität der AfD mit den (ebenfalls blauen) Schlümpfen verglichen wird?

Dieser Vorfall, der sich am 27. Februar in Ribnitz-Damgarten ereignet hat, ließ eben den Blätterwald rauschen. Die Details sind einigermaßen umstritten: Während die AfD und konservative Medien wie die Junge Freiheit davon sprechen, die Polizisten hätten das Mädchen aus dem Chemiesaal des Richard-Wossidlo-Gymnasiums vor den Augen der Mitschüler „abgeführt“, stellt die Polizei selbst den Ablauf anders dar: Demnach habe der Schulleiter das Mädchen aus dem Raum geholt, bevor die Gefährderansprache – wohl im Büro des Schulleiters – gehalten wurde. Von den Mitschülern seien die Beamten nicht wahrgenommen worden. Letztlich habe es keinen Anfangsverdacht gegeben.

Letzteres kann nicht überraschen, denn weder das Schlumpf-Video noch das Statement der Schülerin, Deutschland sei für sie kein Ort, sondern Heimat (!), sind in irgendeiner Weise eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und noch sicherer keine Straftat. Allerdings mag sich manch einer durch die Ankündigung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (zuständig übrigens für „Heimat“) und Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang, nun auch Äußerungen „unterhalb der Strafbarkeitsschwelle“ ins Visier zu nehmen, ermutigt fühlen, unliebsame politische Ansichten schon im Frühstadium zu ersticken.

Multiples Versagen der öffentlichen Organe

Schleichend ist ein muffiges Biotop entstanden, in dem sich Anschwärzer und Meldemuschis ermächtigt fühlen, ihre Mitmenschen schon wegen kleinster Bagatellen zu verpfeifen. Nur in einem solchen Klima kann ein 18-Jähriger, der sich selbst zum „Anzeigenhauptmeister“ ernannt hat, durch die Gegend radeln, tausende Falschparker anzeigen und sich dabei im sicheren Gefühl wähnen, der Menschheit damit etwas Gutes zu tun. Ordnungswidrigkeiten hält er für „Verbrechen“, da meint er sich die Rolle als Hilfssheriff anmaßen zu dürfen. In Umkehrung des Grundsatzes, Unschuldige zu schonen, sagt denn auch Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD), der die Kritik an dem Polizeieinsatz an der Schule im Landtag zurückweist, der Appell laute weiterhin: „Lieber einmal zu viel rufen als einmal zu wenig“. 

Hier haben wir es gleich mit multiplem Versagen der Organe zu tun. Fangen wir beim Schulleiter Jan-Dirk Zimmermann an, der den Hinweis auf den TikTok-Post (siehe Denunzianten) zum Anlass nahm, die Polizei zu informieren, obwohl er, so er denn tatsächlich etwas Bedenkliches darin zu erkennen glaubte, es auch im Rahmen seiner Fürsorgepflicht dabei hätte bewenden lassen können, das Mädchen mal zu einem klärenden Gespräch in sein Büro zu bitten – wie weiland ein Direktor seinen später prominent gewordenen Schüler Hubert wegen eines deutlich brisanteren Flugblatts

Schließlich die Polizei, die sich momentan mit rasant steigender Kriminalität zu beschäftigen hat: Sie hätte den Schulleiter darauf aufmerksam machen können, dass der Gegenstand belanglos ist und ihm keinerlei Relevanz in Sachen Gefahren innewohnt, und dass sie gerade mit echten Problemen zu tun hat, von denen er sich in seinem Schulbüro gar keine Vorstellung macht. Schließlich der Innenminister, der sich hinter die Beamten stellt und glaubt, „dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt war“, schließlich habe es „keine Festnahme, keine Handschellen“ gegeben.

Unbotmäßigen die Folterwerkzeuge zeigen

Wenn hinter den Ankündigungen Faesers und Haldenwangs die Absicht steckt, die Leute derart zu verunsichern, dass sie nicht mehr wissen, was sie noch sagen dürfen und was nicht, ohne sich der Gefahr auszusetzen, es mit der sich immer repressiver gebärdenden Staatsmacht zu tun zu bekommen, und dass diese sich im Zweifel lieber auf die Zunge beißen, scheinen sie mit dieser Methode bereits einigermaßen Erfolg zu haben. Die Mitschüler der Schlumpf-TikTokerin sind jetzt vorgewarnt und dürften sich entsprechend verhalten. Maos „Bestrafe einen, erziehe hundert“ zieht immer.

Interessant ist an diesem Fall auch, dass dieselben Parteien, die auf eine Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre hinarbeiten, offenbar schon maximal harmlose semipolitische Statements mit Sympathien für „rechts“ zum Anlass nehmen, unbotmäßigen Jugendlichen die Folterwerkzeuge zu zeigen – was sie nach einem Video, das die Klimabewegung feiert oder „FCK AFD“ propagiert, selbstverständlich nicht getan hätten. Jetzt, wo die Hysterie im Land wegen einer vermeintlich drohenden Machtergreifung der Rechten überreichlich geschürt wurde, meint man, die Daumenschrauben ohne größeren öffentlichen Widerstand anziehen zu können. Auf mediale Unterstützung darf man auch in diesem Fall zählen, etwa, wenn der NDR gleich eine „Hetzkampagne“ erkennen will, der sich Schule und Schulleiter ausgesetzt sähen.

Andererseits ist es durchaus denkbar, dass der Schuss, wie so viele, nach hinten losgeht. Vorfälle wie der in Ribnitz-Damgarten könnten der AfD wieder ein paar zusätzliche Prozentpünktchen gebracht haben. Die Mutter des Mädchens spricht von einer „Stasi-Scheiße“, die sie nicht für möglich gehalten hätte, und nicht wenige Ostdeutsche dürften das ähnlich sehen und sich eher fragen, ob sich nicht ganz andere Leute eine Gefährderansprache gefallen lassen müssten, Stichwort „Bedrohung der Demokratie“.

Das Nervigste an der Meinungsfreiheit in diesem Land, so ätzte neulich jemand, sei das Aufräumen nach der Hausdurchsuchung. Das ist so sarkastisch-witzig, wie es bedenklich ist. Über den eingangs erwähnten Gag mit der staatlichen Willkür kann der Autor dieses Textes schon länger selbst nicht mehr lachen.

 

Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten.

Foto: Screenshot, "funny dog"

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Dirk Freyling / 16.03.2024

Aphoristisch ausgedrückt: Der Schulleiter, die willfährigen Polizisten und die jubelnde Menge der angeblichen Antifaschisten sind so weit links, dass sie ganz weit rechts wieder rauskommen.

S. Marek / 16.03.2024

Man sieht ja, daß die Regierung und der gesamte administrative Apparat in D den digitaliesierungsrückstand zur China eingeholt haben und mit Erfolg die neuesten Entwicklungen in AI und KI einsetzen da eigene angeborene Intelligenz nicht vorhanden war und ist. Auf dem Weg überholen wir locker alle andren. Mal sehen wann es der letzte Michel und Micheline bemerkt werden und endlich ihre Zivilcourage auch bei Wahlen zeigen.

Franz Zotter / 16.03.2024

Wir befinden uns im Kulturkrieg. Und der wird mit zunehmender Brutalität der Aggressoren durchgeführt. Nur die Angegriffenen diskutieren noch. Oder besser gesagt lassen sich andauernd in Diskussionen verwickeln, um ihr kulturelles und letztlich auch ethnisches Auslöschen nicht doch noch zu verhindern. Es gibt nur eine Gefahr für die Angreifer. Dass die Mehrheit der auszulöschenden begreift, was passiert und sich gemeinsam zur Wehr setzt.  Doch das ist nicht in Sicht bei einer Gesellschaft, der es am wichtigsten ist, ja nicht unangenehm aufzufallen. Selbst dann nicht, wenn schon die eigenen Kinder durch feindliche Ideologie indoktriniert werden, in psychische Probleme getrieben werden oder zahlreich vergewaltigt und ermordet werden. Nein, immer brav sein, lautet das Motto. Reden wir doch noch ein bisschen, während die Angreifer schon Phase XY ihres Vernichtungsfeldzuges umgesetzt haben.

aaron treppe / 16.03.2024

Der Mann darf da eigentlich kein Schuldirektor bleiben, das war bodenlos. Er steht in der Reihe der sich selbst ermächtigenden zumeist grünen Beamten, die auch noch da sind, wenn der Ampelspuk vorbei ist. Typen, die auch stolz jede Abschiebung durchstachen und sich dabei wie Heilige vorkamen. Aber mit CDU Grünen wird nichts besser, alles bleibt wie es ist, nur schlimmer, und der Krieg wird mit etwas Anstrengung auf Europa überspringen, das würde fast alle Probleme lösen, leider wär niemand mehr da um Habecks CO2 Erfolg: Ok wir haben einige Verluste aber was für ein Sieg fürs Klima, oder irrgendwas mit die sind nicht tot die atmen nur nicht mehr, feiern könnten, aber die Menschen sind diesen drittklassigen Lautsprechern ja eh egalk. Damit sich niemand beklagen kann, macht sich auch Haldenwang geschmeidig um die gräusliche Verhöhnung der Ampel zu stoppen, umgekehrt ist natürlich weiterhin fast alles erlaubt, Correctiv, mit ihrer lausigen Kampagne, die Täter Opfer Umkehr im Fall dieser Schülerin, offen unfair und dabei vor Stolz fast platzend. Dass sie diese Miesheiten beim Wechsel der Mehrheiten zurückgezahlt bekommen ist ihnen wumpe oder sie sind zu dumm daran zu denken. Dass die Ampel, speziell die Grünen, grossen Sxchaden anrichten würden war klar, aber mit dieser Politik der verbrannten Brücken und Erde hat wohl niemand ausserhalb der Grünenspitze gerechnet, energietechnisch, gesellschaftlich, rechtlich, vom Wohlstandsverlust ganz zu schweigen. Feinde ihrer eigenen Wähler, das muss man erst mal hinkriegen. Skrupel und trostlos diese Typen.

Patrick Meiser / 16.03.2024

Nur für den unwahrscheinlichen Fall, daß dieser unsägliche Lehrer Jan-Dirk Zimmermann (welch ein bescheuerter Vorname) hier mit liest: Es kann ja keiner was dafür, daß Sie jüngeren Jahrgangs sind, die ‘kids’ von heute hören ja auch völlig andere Musik als wir Alten (weißen Männer), trotzdem weiß ich von meinen Kindern, daß auch denen der Name “Pink Floyd” ein Begriff ist (diese Musik mussten sie zwangsweise anhören, weil das meine Lieblingsband ist). Und ein Lehrer von Format auch jüngeren Baujahrs - kennt diesen Song und diese Strophe aus ‘Thw Wall’ : “We don’t need no education We don’t need no thought control No dark sarcasm in the classroom Teacher, leave them kids alone Hey! Teacher! Leave them kids alone!” Mr. Zimmermann, you’re thick as a brick !

Talman Rahmenschneider / 16.03.2024

Karel Pipovic: Korrekt. Allerdings nicht alle, vergessen Sie das nicht. Wenn Sie Beamte meinen, auch nicht alle, aber ein zu großer Teil. Polnische Freunde meinen, das sei auch sehr en vogue in Polen.

Peter Bernhardt / 16.03.2024

@A. Ostrovsky   ,,,,,,,,,,,,,,,  Noch ein Fundstück aus dem Schatzkästlein des verstaubten, bundesdeutschen Hausfreundes:  “Sie ist eine Großnichte Mussolinis, und sie erinnert sich daran, wie gut der Großonkel zu den Kindern war”. [Die Zeit, 01.07.1994, Nr. 27]

Else Schrammen / 16.03.2024

Ach, und zum “Anzeigenhauptwachmeister”. Der sollte etwas vorsichtiger sein und nicht so eine dicke Lippe riskieren. Sonst passiert ihm das, was vor Jahren bei uns im Dorf geschehen ist. Der neue Stadt-Land-Dorfpolizist - kein Rheinländer, also ziemlich verkniffen und pingelig - ging mit einem männnlichen Teil der Bevölkerung in die Dorfkneipe und animierte sie zum Trinken, oder besser zum Saufen. Wenn die Jungs dann, im guten Glauben an eine Verbrüderung, nach Hause fuhren, hat der nette Polizist die abgefange und wegen Trunkenheit am Steuer angezeigt Das hat dieser Mann von der Staatsgewalt wohl zwei- bis dreimal mit immer anderen durchgeezogen. Dann haben ihn Nachts, weit weg von einer Straßenlaterne, bösen Geister heimgesucht, die ihm eine anständige Tracht Prügel verabreicht haben. Die Schadenfreude der ganzen Bevölkerund war umwerfend. Es ist nie herausgekommen, wer die Übeltäter waren. So ging’s früher, in der guten alten Zeit-

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