Thomas Rietzschel / 24.10.2020 / 06:25 / Foto: Pixabay / 63 / Seite ausdrucken

Dem Deutschen Volke: Spaßbad statt Reichstag!

Der Unterhalt des Deutschen Bundestags kostet den deutschen Steuerzahler rund eine Milliarde Euro jährlich. Exakt wurden 2019 für den Betrieb des Hohen Hauses 974 Millionen aufgewendet. Mehr noch dürfte der Saldo 2020 ergeben. Verglichen mit den 1,5 Billionen, die das Finanzministerium für die Finanzierung der Corona-Erregung im laufenden und dem kommenden Jahr veranschlagt, mag das kaum der Rede wert sein. Dennoch ist es eine Stange Geld, die sich ohne Verlust einsparen ließe, seit der Staat dazu übergegangen ist, per Verordnung zu führen. 

Mit dem, was die Regierung tut und beschließt, werden die Abgeordneten, 709 an der Zahl, kaum mehr befasst. Corona hat der parlamentarischen Demokratie das Wasser abgegraben. Die Exekutive herrscht nahezu unumschränkt, einzig die Judikative macht ihr, wie jüngst bei der Verhängung des Beherbergungsverbotes, gelegentlich einen Strich durch die Rechnung, indes sich die Legislative wegduckt. Ehe ihre Ohnmacht peinlich auffällt, schlagen sich die Abgeordneten in die Büsche, auf der Bundes- wie auf der Länderebene. 

Wer schert sich noch um ihre gesetzgebende Funktion? Die Kanzlerin hat darauf ohnedies nie viel gegeben. Und nun, da die befeuerte Corona-Angst beinahe alles möglich macht, will auch das regierende Fußvolk nachziehen. Autokraten wie Söder und Spahn sehen ihre Stunde gekommen. Der Gesundheitsminister will sich die zunächst zeitlich begrenzte Möglichkeit, par ordre du mufti, ohne parlamentarische Diskussion und Absegnung, durchzuregieren, „verstetigen“ lassen. 

Natürlich, räumt er großmütig ein, könne man darüber „auch im Bundestag“ reden, wegen ihm sogar „noch öfter“. Mit anderen Worten, es kümmert ihn sowieso nicht, was bei den Debatten herauskommt. Der gesetzgebende Vorrang des Parlaments geht ihm am Allerwertesten vorbei. Kein Gedanke daran, dass es nicht „auch“, sondern zuerst beschließen muss, wozu er, der Minister, berechtigt ist, was er zu veranlassen oder zu verbieten hat. 

Es gibt keine „Notverordnung“ im Grundgesetz

Stattdessen ein autoritäres Machtgehabe, fadenscheinig gestützt auf eine Infektionsschutzgesetz, das vieles ermöglicht, aber gewiss nicht die Missachtung des Hohen Hauses. Dazu bedürfte es einer wiederum parlamentarisch beschlossenen „Notverordnung“. Allein sie würde es den Herrschenden erlauben, die gewählten Volksvertreter von der Politik auszuschließen, sie zur schnelleren Bewältigung einer Krise zu entmachten. Im Grundgesetz ist diese Möglichkeit nicht vorgesehen.

Vielmehr wurde sie bewusst ausgeschlossen, nachdem Hitler den in der Weimarer Verfassung berücksichtigten „Ausnahmezustand“ verstetigt hatte, um die Diktatur zu rechtfertigen. Daran haben auch die später ins Grundgesetz eingefügten Passagen zur politischen Organisation im Katastrophenfall nichts geändert. 

Es liefe selbstverständlich auf einen historischen Fehlschluss hinaus, würde man die damalige mit der heutigen Situation vergleichen. Das wäre blanker Unsinn. Wenn wir aber einerseits und zu recht bei jedem Aufmarsch rechtsradikaler Rüpel die Alarmglocken läuten, um dem Rückfall in unselige Verhältnisse vorzubeugen, gilt es ebenso den Anfängen auf höherer Ebene zu wehren. Wer sich im Zuge der Corona-Krise ermuntert fühlt, die Rechte der Bürger einzuschränken, vergreift sich an der Demokratie. 

Sind doch die lautstark beschworenen Vorsichtsmaßnahmen allemal Akte autoritärer Machtanmaßung. Das mag von Fall zu Fall unvermeidlich sein, wäre unter Umständen sogar berechtigt, wenn es nicht an den Parlamenten vorbei geschehen würde, sich die Regierenden nicht als Köche aufspielten, obwohl sie bloß Kellner sind. 

Eine Sperrstunde für die Viren?

Die Behauptung, all das geschehe ja nur, um die Pandemie wieder unter „Kontrolle“ zu bringen, die Verbreitung der Viren einzudämmen, ist ebenso lächerlich wie dummdreist. Oder sollen wir wirklich glauben, die Erreger ließen sich mit politischen Maßnahmen an die Kette legen, wir bräuchten die Sperrstunde, weil sie sich zwischen 23:00 Uhr abends und 6:00 Uhr morgens rasanter verbreiten als tagsüber? Soll ein mehr oder weniger grobmaschiger Lappen vor Mund und Nase Aerosole aufhalten, die mit bloßem Auge nicht wahrnehmbar sind? 

Und dennoch, obwohl der Schwindel und der Missbrauch der tatsächlich bestehenden Gefahr zu machtpolitischen Zwecken auf der Hand liegt, lassen sich die braven Bürger belügen, dass sich die Balken biegen. Eben erst war bei SPIEGEL-ONLINE zu lesen, dass wir „in einer Zeit“ leben, „in der zwischen dem Schutz von Gesundheit und dem Schutz von Freiheit und Bürgerrechten abgewogen werden muss“. Heißt: entweder das eine oder das andere. Carte Blanche für alle, die sich herrschaftlich berufen fühlen. Obwohl es sie de jure nicht gibt, können sie de facto nach dem Reglement einstiger Notverordnungen regieren oder „brachial durchgreifen“, um kurz in den Jargon der Kanzlerin zu verfallen. 

Wie weit muss aber auch die Erosion der parlamentarischen Demokratie bereits fortgeschritten sein, dass die Abgeordneten das alles hinnehmen, dass sie sich ihrer Rechte so unverschämt berauben und an den Rand des politischen Geschehens drängen lassen?  

Der schöne Schein des Parlaments

Zwar haben unterdessen wenige zaghaft aufgemuckt. „Wenn wir als Parlament unsere Aufgabe jetzt nicht wahrnehmen, dann hat die Demokratie einen dauerhaften Schaden“, sagte Wolfgang Kubicki vor Tagen. Denn: „Es ist die Aufgabe des Parlaments, wesentliche Entscheidungen zu treffen, und nicht die Aufgabe von Regierungsmitgliedern.“ Ähnlich klang es aus den hinteren Reihen der CDU. „Derzeit wurde“, konstatierte ihr Abgeordneter Andreas Mattfeldt, „der Bundestag bei Entscheidungen, die zu einer noch nie da gewesenen Einschränkung der Freiheits- und Grundrechte geführt haben, nahezu entmachtet. Das dürfen wir über einen so langen Zeitraum nicht dauerhaft hinnehmen.“ 

Wohl wahr, alles richtig! Nur, ist die Botschaft auch nach oben durchgedrungen, etwa bis zu Jens Spahn, der weiterhin darauf besteht, seine Sondervollmachten zu „verstetigen“? Was nützt es, wenn Wolfgang Schäuble verlangt, der Bundestag müsse „seine Rolle als Gesetzgeber und öffentliches Forum deutlich machen“, damit nicht der Eindruck entstünde, die „Pandemiebekämpfung sei ausschließlich Sache von Exekutive und Judikative“? Wozu braucht es ein Parlament, dessen Präsident so defensiv bemüht ist, den schönen Schein zu wahren. Weshalb soll dafür eine Milliarde Jahr um Jahr auf den Kopf gehauen werden. 

Wenn die Politik ohnehin freihändig schaltet und waltet, wäre es da nicht sinnvoller, den alten Reichstag anderweitig zu nutzen, etwa als einen Wellness-Tempel mit Spaßbad, Riesenrutsche aus der Kuppel hinunter in den gefluteten Plenarsaal, mit Kraft- und Massage-Räumen entlang der Gänge?

Die Abgeordneten könnten im Rahmen eines Sozialplans zu Bademeistern und Physiotherapeuten umschulen. Dienstag und Donnerstag wäre Frauentag in den Saunen. Die Inschrift draußen über dem Portal – DEM DEUTSCHEN VOLKE – entspräche wieder dem, was drinnen geboten wird. 

Foto: Pixabay

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W. Hoffmann / 24.10.2020

Ein historischer Fehlschluss, damals mit heute zu vergleichen? Mitnichten. Das IfSG wird gerade als Ermächtigungsgesetz ge- und missbraucht, ein Ende ist nicht in Sicht. Es ist sogar zwingend logisch, hier die Parallele zu ziehen, sie ist unübersehbar.

Uwe Heinz / 24.10.2020

Leider fehlt im Artikel der wichtigste Punkt, nämlich der Souverän, das Wahlvolk, Wir!! Wir haben unsere Abgeordneten beauftragt Entscheidungen in unserem Sinne zu treffen und die Regierung zu kontrollieren. Mit der lächerlichen Stimme, die wir haben, dürfen wir alle paar Jahre an die Wahlurne, um Leute zu wählen, die sich nun so einfach entmachten lassen und nun langsam zu einer Demokratiesimulation verkommen. Das hatten die Väter unseres Grundgesetzes so sicher nicht gedacht. Vielleicht sollten wir die Abgeordneten unseres Wahlkreises (egal welcher verdammten Partei sie angehören) jetzt mit wütenden Briefen überschwemmen und ihnen nochmal klar und deutlich zu verstehen geben, warum sie in dieses Parlament gewählt worden sind! Und nein, eine Vollalimentation über viele Jahre war nicht der Grund für ihre Wahl!

Heiko Stadler / 24.10.2020

Einen Politiker, der den Notstand schnell erkannte, ihn ausrief, sich über geltendes Recht hinwegsetzte und die akute Not wirkungsvoll linderte, bewundere ich wie keinen anderen Politiker: den damaligen Polizeisenator und späteren Bundeskanzler Helmut Schmidt in Hamburg bei der Sturmflut im Februar 1962. Der Notstand galt für einige Stunden und die Not akut und für jeden sichtbar. Nach Beseitigung des Notstands wurde keine “neue Normalität” ausgerufen, sondern die normale Rechtslage wieder hergestellt. Und jetzt stellen wir uns vor, die damalige Polizeipräsidentin hieße Angela Merkel. Am 17.02.1962 bricht eine Sturmflut über Hamburg herein. Menschen retten sich auf die Dächer ihrer Häuser. Die Polizeipräsidentin schwurbelt: “Die Nachrichten von einer Sturmflut sind eine Verschwörungstheorie”. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Die Polizeitpräsidentin meldet sich wieder zu Wort: “Wir haben ein Rechtsextremismus-Problem in der Polizei”. Irgendwann sinkt das Hochwasser wieder und die vielen Ertrunkenen werden beseitigt. Wieder meldet sich die Polizeipräsidentin zu Wort: “Das Hochwasser steigt dramatisch. Ich habe deshalb beschlossen, dass alle Menschen nur noch mit Schnorcheln Geschäfte betreten dürfen. Das ist jetzt die neue Normalität. Halten Sie sich bitte an die neuen Regeln und tragen Sie ihren Alltagsschnorchel!”

Peter Holschke / 24.10.2020

Das sind die Sünden der Väter. Schon Kohl und andere haben das gemacht. Es gab aber noch Bewußtsein, wohin das führt, wenn man es übertreibt. Und es gab widerborstige Persönlichkeiten, eigenständige Meinungen und Rücksichtnahmen im BRD-Politsystem. Das gab es in der DDR nicht. Unter Merkel hat das Eine mit dem Anderen wieder zusammengefunden. Und einen Reichstag als Prestige- und Versogungseinrichtung gab es auch bis 1945, ohne das dieser etwas zu sagen hatte. Es galt das Führerprinzip und genau das zeigt sich nun auch wieder. Das NS-Erbe wirkt bist heute und zeigt sich in neuer Blüte. Es hat überdauert, konserviert in den beiden zusammenführten Teilsaaten. Würden die Zentralregierung eine europäische Idee ernst nehmen, würden sie Macht nach unten verlagern und nicht mehr Macht an sich ziehen.  Es ist genau das passiert, was Maggie Thatcher befürchtet hat. Ein Deutschland mit Vormachtstreben in Europa, mit Erpressermoral, eingepackte in Geschenkpapier aus Euroscheinen. Im Gegenzug treten die Machteliten die Interessen des deutschen Volkes mit Füßen. Auch das hat es schon unter Hitler gegeben. Durch Hitler wurden Tatsachen geschaffen, welche eben weiterwirken. Dafür gibt es kein Lösung, vielleicht hilft nur die Auflösung.

J. Flint / 24.10.2020

Ein Spass-Bad ist es doch schon…Fehlt nur noch das Wasser oder eben Ikea-like viele Bunte Bälle ;-).

giesemann gerhard / 24.10.2020

Ja, nach dem Vorbild der Riesenhalle von “Cargolifter”, anstatt der Luftnummer “Zeppelin” lieber im Parterre dümpeln. Ist mir mein Hund im Sturm noch treu, das Luft nicht mal im Winde ..., so der Hl. Franziskus (1182 - 1226). Von Assisi, nicht aus Argentina. Nichts Neues unter der Sonne und Helium, “das Sonnige” ist hundsteuer. Wasserstoff ginge auch, aber der Paul von Hindenburg (1847 - 1934) warnt ... .

Sabine Heinrich / 24.10.2020

Zum letzten Absatz Ihres erfrischenden, bitteren Textes: Die Inschrift DEM DEUTSCHEN VOLKE dürfte bald den Bilderstürmern zum Opfer fallen, sind doch in ihr zwei Giftwörter enthalten. Außerdem haben Sie vergessen, den muslimischen Frauen einen Frauentag einzuräumen. Also - bitte nachbessern!

Walter Weimar / 24.10.2020

Danke, ein kurzer Text und alles gesagt. Traurig nur der Anlaß dazu.

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