Thilo Schneider / 19.08.2020 / 06:00 / Foto: Pixabay / 127 / Seite ausdrucken

Das liberale Irrlicht 

Christian Lindner hat Linda Teuteberg gegen Volker Wissing als Generalsekretär ausgewechselt, gleichzeitig wurde Harald Christ, ein erst vor sechs Monaten von der SPD zur FDP desertiertes Parteimitglied, zum Nachfolger des „ewigen Schatzmeisters“ Hermann Otto Solms bestimmt. Nun sind Personalwechsel in einer Partei generell nichts Ungewöhnliches, und wenn Sie es nicht glauben, fragen Sie Andrea Nahles. Irritierend ist es allemal, wenn dies auf eine Art und Weise geschieht, die weniger Stil als ein Taucheranzug auf einer Beerdigung hat. 

Was hat Linda Teuteberg falsch gemacht? Ich bin geneigt zu sagen: Nichts. Wer nichts tut, macht nichts falsch. Die Aufgabe eines Generalsekretärs ist der Angriff, die Attacke auf den politischen Gegner. Das Klarstellen der eigenen Positionen. Und der Gegenschlag. Ja, das hört sich martialisch an, aber das ist es ja auch. Teutebergs letzter Debattenbeitrag in der WELT ist eher wachsweich, aber irgendwie nett, und „irgendwie nett“ ist für eine Generalsekretärin einer Partei, die sich für systemrelevant hält, zu wenig. Frau Teuteberg hätte auf die Titelseite der BILD gemusst, mit einer prägnanten Schlagzeile: „‚Mit Extremisten paktiert man nicht.‘ Teuteberg erteilt Koalition mit der SPD eine klare Absage!“ Patsch. Das wäre ein hübsches Geheule beim „antifaschistischen Krampfkommando Saskia Esken“ geworden. Stattdessen werden „Erzählungen der Linken nicht übernommen“. Ja, schön. Das ist hübsch, kommt bei den wenigen Intellektuellen, die den kompletten Artikel der Welt gelesen haben, „so geht so“ an, und genau das ist nicht der Job des Generalsekretärs.

Die FDP hat vom Grunde her tolle Ideen und Konzepte: Bürgerrechte, Freiheit, Individualismus, Vorankommen durch eigene Leistung, der Staat als Dienstleister, nicht als Fronherr, Wohlstand durch Wirtschaft, Chancengleichheit durch Bildung bei Start – nicht Gleichheit im Ergebnis, ein hervorragendes und pragmatisches Einwanderungskonzept undundund… Beim Wähler kommt jedoch ein „Klimaschutz schon auch ja, aber nein, aber nicht die AfD wählen, also wir uns jetzt, aber schon doch auch so ein Stückweit jetzt irgendwie…“ Wer bitte soll das wählen? 

Kleiner Zirkel eingeweihter Intellektueller

Christian Lindner, dessen lichtgestaltiges und bildgewaltiges Auftreten die FDP 2017 in den Bundestag hievte, entpuppt sich immer mehr als flackerndes Irrlicht, das zusammenzuckt, wenn es von dem medialen Windhauch „irgendwie rechts“ angepustet wird. Wären alle Politiker dieser Republik und dieser Partei so gewesen – es hätte nie einen Helmut Schmidt, einen Franz-Josef Strauß oder einen Hans-Dietrich Genscher gegeben. Nicht einmal einen Guido Westerwelle. Die Sehnsucht nach einer Partei links der AfD und rechts der die SPD links überholt habenden Union ist ja da. 15 bis 20 Prozent aller Wählerstimmen wären einer FDP, die ihre Positionen geradeheraus vertritt und auch im medialen Shitstorm zusammenhält, durchaus möglich. Und ja – da gehören nun auch einmal Polemik und Populismus mit zu den Instrumenten der Politik. Die allermeisten Wähler haben nun einmal weder Hegel noch Kant, sondern John Sinclair und Perry Rhodan gelesen. Die FDP kann sich zwar weiter als kleiner Zirkel eingeweihter Intellektueller, die sich mit sich selbst und der reinen Lehre beschäftigt, verstehen – nur wird das dann eben eng. Mit der 5-Prozent-Hürde. 

Immerhin war Volker Wissing keine 48 Stunden im Amt – schon wird geraunt, ob Lindner mit den beiden Neubesetzungen in Richtung Ampelkoalition im Bund schielt. Als ob diejenigen, die dafür laut in Medien und Öffentlichkeit applaudieren, jemals auch nur ansatzweise FDP wählen würden. „Wenn es möglich ist, ist es besser zu regieren, als nicht zu regieren“ soll Lindner gesagt haben. Ambitioniert für eine 5%-Partei, die selbst nicht genau weiß, was sie nicht will. Und wer bitte soll eine FDP wählen, der sich keine Ampelkoalition und SPD oder Grüne in Regierungsverantwortung wünscht? Wen diese Wähler wählen, liegt damit auf der Hand. Kleiner Tipp: FDP und Union sind es auf diese Art und Weise nicht.

Christian Lindner kommt mir immer mehr wie ein Elfmeterschütze vor, der mit Riesen-Anlauf auf den Ball zu rennt – um dann neben dem Ball kräftig in die Erde zu treten. Vielleicht bin ich aber auch einfach zu naiv und zu verbohrt, um die genialen personalpolitischen Schachzüge von Lindner zu erkennen? Kann ja sein. Wer braucht schon fünf Prozent Wählerstimmen im Osten, wenn er auch im Westen an der 5-Prozent-Hürde scheitern kann? Dabei ist es ja nicht einmal so, dass es der FDP an Personal mangeln würde. Der angriffslustige Terrier Albert Duin aus Bayern muss eher eingefangen als zum Jagen getragen werden, der ungeschmeidige, aber charismatische und enthusiastische Daniel Föst – das wären Alternativen gewesen, stattdessen macht sich jetzt in der FDP-Spitze eine Art „Freundeskreis CL“ breit, und Wolfgang Kubicki ist jetzt nun mehr „dabei, statt mittendrin“. 

Unter neuem Glanz und der neuen Glorie...

Gute Güte – sogar Wolfgang Kemmerich wäre eine Alternative in der Führungsspitze, ganz egal, wie ungeschickt er sich angestellt hat. Aber er ist bekannt und er steht für die Konservativen in der FDP. Nein, Wissing und Christ sollen es richten und die FDP zu dem neuen Glanz und der neuen Glorie heben, die die alte Glorie von Rainer Brüderle ist. Hoffentlich ist wenigstens Gerhart Baum, die große alte Dame der sozialliberalen Scheel-FDP, jetzt zufrieden und quakt nicht mehr dazwischen. Die 70er haben angerufen und wollen ihren Innenminister zurück. 

Fakt: Eine Ampel im Bund wird es mit meinem Parteiausweis nicht geben. Eine FDP, die keine FDP sein will, ist nicht meine Partei. Und ich bin auch nicht ihr Mitglied. Dann suche ich mir einen anderen Zirkus und die sich einen anderen Clown. Word. Dann sollen sie eben mit plus minus fünf Prozent herumkaspern. Möglicherweise ist ja die PARTEI eine seriöse Alternative für mich. Die für Deutschland ist es nicht. 

(Weitere Zornausbrüche des Autors unter www.politticker.de

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Martinique / 19.08.2020

Ich denke, es fehlte Ihnen bei Frau Teuteberg doch das “pissen op de AfD”, bzw. die unqualifizierten Angriffe auf die Schwefelpartei, wie Sie sie hier von Zeit zu Zeit abgeliefert haben! Frau T, mit ihrer qualifizierten und ruhigen Art war eine angenehme Erscheinung im Politikbetrieb! Ganz im Gegensatz zu den üblichen unsachlichen, pöbelnden, unangenehmen und uninformierten Politschranzen. Für Lindners Atrophie kann sie nichts. Sie ergehen sich in strategischem Gewäsch, inhaltsleer. Links der AfD, rechts der SPD, der Herr Duin, der Herr Föst, natürlich Genscher usf.. Sonst noch was? Inhalt? Ideen? “Kemmerich…ganz egal, wie ungeschickt er sich angestellt hat”, ja nee, is klar - Sie sollten bei Perry Rhodan bleiben, Kant haben Sie sicher nicht gelesen.

Paul Siemons / 19.08.2020

Nicht mal mein Zahnarzt wählt mehr FDP.

Ernst Dinkel / 19.08.2020

In Thüringen hätte man konsequent bleiben müssen, um den alten SED-Klüngel in die Wüste zu schicken. Aber dann ruft FDJ-Mutti aus Südafrika an und schon reiht man sich wieder da ein, wo sich schon zu viele auf die Füße treten. Wer braucht so eine Partei?

P. F. Hilker / 19.08.2020

“Das deutsche Volk ist eine Schweinebande”, wusste schon Wilhelm II.

Arnd Siewert / 19.08.2020

Lieber Herr Schneider, nach den vielen trefflichen Kommentaren -ihre Partei/unserer Politik- betreffend gründen Sie doch eine Querdenkeniniative vor Ort und gehen am 29.08 mit nach Berlin um zu erkennen, das Demokratie und Grundgesetz gestern waren…. - kreatives Abreißen unseres Landes ist angesagt-

Markus Rüschenschmidt / 19.08.2020

@Andreas Hofer: Wer ist “Auschwitzleugner-Lager”? Wer leugnet hier Auschwitz? Diese abstruse, völlig absurde Behauptung/Unterstellung ist einfach nur bösartig von Ihnen! Trump mit AfD und CORONA (und der Leugnung des Virus?) in einen Topf zu werfen, ist einfach gemein (und das ist höflich formuliert) - und es heißt “Corona”, nicht “Corana”.

Jürgen Großheim / 19.08.2020

Aufmacher bei Tichys Einblick von heute. Annalena bei Lanz. Die Grünen-Vorsitzende behauptet vor laufenden Kameras, ein “Nazi” wäre fast Ministerpräsident in Thüringen geworden. Meint sie damit den thüringischen FDP-Vorsitzenden und Kurzzeit-Ministerpräsidenten Kemmerich? Das lässt tief blicken in Baerbocks Demokratieverständnis. Der Grüne Kolbold hat gesprochen und jeder weiß was davon zu halten ist. Und Lanz fragt diese Halbgare ob sie Kanzlerin könnte. Deutschland wohin lässt du dich hinführen? Hinter die Grüne Fichte.!

Thomas Brox / 19.08.2020

Linda Teuteberg, die bisherige Generalsekretärin der FDP, war Angestellte des Staatsapparats, eventuell sogar Beamtin, danach staatliche Alimentation im Parlament, siehe [Wikipedia: Linda Teuteberg]. Linda Teuteberg kennt Marktwirtschaft bestenfalls vom Hörensagen. Der Nachfolger ist auch nicht besser. ++ Die FDP ist der billige und leicht durchschaubare Versuch Liberalismus vorzutäuschen. Die FDP sollte als Partei aufgelöst und zerlegt werden: Der etatistische Teil zu den Grünen, der kümmerliche marktwirtschaftliche Teil zur AfD.

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