Carlos A. Gebauer, Gastautor / 03.08.2021 / 06:15 / Foto: Pixabay / 123 / Seite ausdrucken

Darf man Deutsche ohne Test aussperren?

Frage von Achgut.com:

Ist es überhaupt verfassungsrechtlich zulässig, die Einreise eines deutschen Staatsbürgers in sein Heimatland von seinem Impf- oder Gesundheitsstatus abhängig zu machen? Hat nicht eigentlich jeder Bürger das Recht, in sein Land zurückzukehren, ohne dass dies an zusätzliche Bedingungen oder Genehmigungsvorbehalte geknüpft werden kann? Es ist sicher legal und legitim, Einreisende an der Grenze zu testen, doch hier wird ja die Wiedereinreise von einem im Ausland zu erledigenden Akt abhängig gemacht.

Antwort von Carlos A. Gebauer:

Dass es falsch ist, sagt einem der gesunde Menschenverstand.

Einem asymptomatischen Bundesbürger die Einreise nach Deutschland zu verbieten, weil er nicht negativ getestet ist, verstößt gegen

  • Art. 2 I  GG, da seine Reisefreiheit ohne ernsthafte Begründung eingeschränkt wird,
  • Art. 2 II 1 GG, da seine Gesundheit (durch Stressexposition) geschädigt wird,
  • Art. 3 I GG, da Ausscheider aller anderen Art unbegrenzt einreisen können,
  • Art. 6 I GG, da der Betroffene von seiner Familie getrennt wird,
  • Art. 12 GG, da die Berufsausübung gestört wird,
  • Art. 14 GG, da das eigene Eigentum nicht (zu Hause) genutzt werden kann,
  • Art. 16 II 1 GG vielleicht sogar auch, weil faktisch eine temporäre Auslieferung stattfindet, und
  • Art. 20 I GG, weil das Sozialstaatsprinzip Solidarität auch mit kontaminierten Bundesbürgern erfordert.

Im Übrigen verstößt die Restriktion gegen Art. 21 Abs. 1 AEUV. Jeder EU-Bürger hat das Recht, sich frei und unbeschränkt in und zwischen den Staaten der EU aufzuhalten.

Die Testpflicht ist nicht geeignet, ein legitimes seuchenschutzrechtliches Ziel zu erreichen. Wer geimpft ist, muss nicht getestet werden, kann die Delta-Variante aber ebenso in seinem Rachenraum über die Grenzen transportieren. Die Inzidenzwerte sind nach wie vor nicht statistisch valide festgestellt; wem wann wo welche Gefahr drohen könnte, ist völlig unbestimmt.

Verhältnismäßigkeit nicht im Ansatz erkennbar 

Jedenfalls ist nichts dafür ersichtlich, dass eine massenhafte Gesundheitsgefährdung von Individuen und/oder Gruppen durch „Delta“ entstehen könnte. Auch eine substanzielle Beeinträchtigung der Behandlungskapazitäten im Gesundheitssystem ist nicht erkennbar. Andere Länder, die Herdenimmunität entstehen lassen (Großbritannien oder die Niederlande) zeigen massiv rückläufige Verdachtsmomente für Infektionen. Eine Verhältnismäßigkeit der Maßnahme ist nicht im Ansatz erkennbar.

Bei Inzidenzwerten, die einem Infektionsverdacht von ein oder zwei Menschen aus 10.000 entsprechen und also Erkrankungsrisiken im untersten Promillebereich indizieren – erst gar nicht zu reden von ernsthaften Krankheitsverläufen – lassen sich derartige bußgeldbewehrte Verbote rechtsstaatlich nicht valide legitimieren. Wäre eine solche Rechtsregel im Jahre 2019 erlassen worden, hätte sie das Bundesverfassungsgericht binnen Stunden kassiert.

Wir nähern uns offenbar australischen Verhältnissen. Wir nähern uns dem Punkt, an dem der Gesetzgeber die Kontrolle über das richtige Maß der Gesundheitspolitik vollends verliert. Die monatelang verantwortungslose Angstmacherei, das ununterbrochene öffentliche Panikreden und der anscheinend kontinuierliche Unwille, eine den Tatsachen angemessene Seuchenpolitik zu betreiben, tragen ihre fatalen Früchte.

Die einen leben in ihrer Blase, die anderen aber offenbar auch. Wenn Wolfgang Schäuble aktuell sinngemäß mit dem Satz zitiert wird, alle Wissenschaftler der Erde seien sich in der Beurteilung der Corona-Lage einig, dann ist zu attestieren: Auch er ist augenscheinlich das Opfer einer verzerrenden Nachrichten-Filterung. Jeder Jurist weiß, dass die „andere Ansicht“ stets bessere Argumente vortragen muss, um durchzudringen, als die relativ trägere „herrschende“.

Testexzesse an den Grenzen herbeinormiert

Aktuelle Meinungsführer werden aber erkennen müssen: Die letztjährigen Horrorszenarien des Bundesinnenministeriums haben sich nicht bewahrheitet. Auch das Coronavirus des Jahrganges 2019/2020 ist inzwischen ungezählte Male auf beiden Erdhalbkugeln mutiert. Es hat dabei das getan, was Coronaviren immer tun: Es hat gelernt, sich schneller zu verbreiten, doch es hat im ureigensten eigenen Interesse auch gelernt, seine Wirte besser vor sich selbst zu schützen und zu schonen. Kurz: Es ist harmloser geworden. Wie immer.

Würden die Gesetzgeber, die nun die neuerlichen Testexzesse an den Grenzen herbeinormiert haben, in Lehrbücher der Virologie geschaut haben, hätten sie lesen können: Zwischen April und Dezember sind Coronaviren in Mitteleuropa gar nicht auf Tour. Ihre Fachberater sitzen offenbar zu oft und zu lange in Talkshows, um hier noch einmal nachgeblättert zu haben.

Das Wunder des Jahres 2020 ist die Entdeckung des „asymptomatischen Infizierten“. Man nannte ihn früher bekanntlich einen „Gesunden“. Erstmals in der Geschichte der Menschheit, heißt es in den Tiefen des Internet, kann man nun eine Krankheit, die man nicht hat, sogar an Menschen weitergeben, die gegen sie geimpft wurden. Und ebenfalls neu in der Menschheitsgeschichte soll dieser paradoxe Vorgang durch Testpflichten an Staatsgrenzen unterbunden werden.

Ich fühle mich in diesen Tagen immer wieder an meine Jugend erinnert, als Jango „Clownpower“ Edwards sein Publikum minutenlang mit dem Versuch fesselte, einen Kopfsprung in ein Wasserglas zu machen. Anders als Jango scheint manche Kölsche Kassandra irgendwann tatsächlich gesprungen zu sein.

Carlos Alexander Gebauer ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht und Publizist.

Foto: Pixabay

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Martin Stumpp / 03.08.2021

@John Savage, NEIN, es gibt kein Einreiseverbot nur eine Strafandrohung von 25.000 €, die natürlich nicht für Merkels Gäste gilt, wie nahezu jedes andere Gesetz auch.

Gabriele Kremmel / 03.08.2021

@John Savage: Wer spricht denn von einem Einreiseverbot? Die Frage ist, ob die Einreise der eigenen Staatsbürger an Bedingungen geknüpft werden darf wie z.B. ein im Ausland vorgenommener Corona-Test.

heinrich hein / 03.08.2021

Wie so oft im Leben ist auch der Umgang mit der “Pandemie” eine Frage der Bildung. Und man erkennt immer mehr, wo die Reise hingeht. Der Großteil unserer Mitmenschen ist an Leichtgläubigkeit und mangelhafter Bildung nicht mehr zu überbieten. Die Zukunft wird bei einer derartigen Anzahl strunzdummer (Mit-)Menschen nicht unbedingt angenehm.

T. Schneegaß / 03.08.2021

@John Savage: Stimmt, es wird kein Deutscher an der Grenze zurück ins Ausland geschickt, er wird nur, falls er eines der drei g nicht erfüllt, wie ein Verbrecher registriert (im Gegensatz zu “Schutzsuchenden”) und den Behörden, hier wahrscheinlich den Krankheitsämtern, als solcher gemeldet. Die dürfen dann ein kleines Bußgeld wegen “illegalen Grenzübertrittes” kassieren. Das vierte, aber entscheidende G, nämlich GESUND, hat für diesen “Rechtsstaat” keine Bedeutung mehr, der Verdächtigte muss nachweisen, dass er zu Unrecht verdächtigt wird. Genügt Ihnen die Klarstellung?

Rainer Winter / 03.08.2021

Wann kommt sie, die 1989/90 verkohlte „Deutsche Revolution“? Das Klientel, das uns regiert, hat seine Nichteignung leider hinreichend unter Beweis gestellt!  Und die Gerichte sind inzwischen auch in ihrer Hand. Der Rechtsweg ist in Sachen Grundrechte daher offenbar dauerhaft ausgeschlossen oder nur noch der Form halber existent.

Dirk Jungnickel / 03.08.2021

@Claudius Pappe Das wäre - theoretisch - sinnvoll. Dann müßte man die Erleuchtete auch gehörig durchleuchten. Auch bei Lauterbach, Spahn etc. würde die ROTE SPERRLAMPE schon aufleuchten, wenn sie sich dem Reichstagsgebäude nur nähern. Die Einreisestichkontrollen mit hoher Strafandrohung bei Fehlen einer Test- oder Impfbescheinigung sind dehalb perfide, weil das einem Generalverdacht gleich kommt. Nicht einmal die Stasi - Schergen durften nach dem Transit - Abkommen wahllos Autos an den Übergangsstellen kontrollieren. Es mußte ein begründeter Verdacht bestehen. Der war gegeben, wenn die Infrarot- Anzeige mehr Personen als Insassen anzeigte, als sichtbar waren. Damit will ich nicht etwas “DDR” - Unrecht schön reden.

Stephan Bender / 03.08.2021

“Wenn Wolfgang Schäuble aktuell sinngemäß mit dem Satz zitiert wird, alle Wissenschaftler der Erde seien sich in der Beurteilung der Corona-Lage einig, dann ist zu attestieren: ...”—- Wer eine “Schwarze Null” erfindet, nachmacht oder verfälscht, oder nachgemachte oder verfälschte “Schwarze Nullen” unrechtmäßig in Verkehr bringt, sollte sich nicht zur Wissenschaft äußern!

Volker Kleinophorst / 03.08.2021

@ J. Savage Wir wissen schon, es ist nur in der Diskussion. Wenn bei Merkelmania etwas in der Diskussion ist, ist das Grund genug besorgt zu sein.

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