Thomas Rietzschel / 23.07.2018 / 14:30 / 14 / Seite ausdrucken

CSD: Die Fiktion einer Sonderstellung in der bürgerlichen Gesellschaft

Ich bin nicht schwul – und das ist auch gut so. Genauso wie es gut ist, dass sich andere Männer in Männer, Frauen in Frauen verlieben. Gleich, mit welchem Geschlecht sie oder er sexuell verkehren, sie verhalten sich ihrer Veranlagung gemäß: normal. Dies anzuerkennen ist ein moralisches Gebot, das die bürgerliche Gesellschaft lange nicht respektierte. Homosexuelle waren gezwungen, ihre Identität zu verleugnen, nicht selten sogar vor sich selbst. Gaben sie sich zu erkennen, drohten ihnen Ausgrenzung, Diskriminierung, schlimmstenfalls Verfolgung. 

Ebenso wahr ist jedoch, dass davon schon länger keine Rede mehr sein kann, nicht hierzulande und nicht, solange wir die Freiheiten westlicher Zivilisation genießen. Das gesellschaftliche Bewusstsein hat sich gewandelt. An den Stammtischen werden über Lesben und Schwule nicht mehr zotige Witze gerissen als über die Heteros. Dumpfbacken, die sich daran aufgeilen, wird es immer geben. Die „Ehe für alle“ ist gleichwohl gesetzlich verbrieft.

Die Homosexuellen sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Passend zu ihrem diesjährigen Christopher Street Day (CSD) startete die Warsteiner Brauerei eine „Out-of-Home-Kampagne“ für „Toleranz und Offenheit“. Auf City Light Postern und Mega-Light Selects erscheint die Warsteiner Tulpe in Regenbogenfarben. 

Um welche „Rechte von Schwulen und Lesben“ sollte es da beim CSD am vergangenen Samstag in Berlin noch gehen? Freibier für alle? War der politische Anspruch nur vorgeschoben? Wurde das Spektakel um seiner selbst willen inszeniert? Versammelten sich die Demonstranten zur Parade, weil sie sich nicht damit abfinden wollen, als so normal angesehen zu werden, wie sie es von Natur aus sind? Packte sie die Nostalgie? Marschierten sie auf, um der Öffentlichkeit noch einmal das Interesse abzunötigen, auf das sie zählen konnten, solange man ihnen Unzucht und Lasterhaftigkeit unterstellte?

Scheunentore, die längst offenstehen

Ich weiß es nicht, konnte dem Treiben nur noch verwundert zuschauen. Denn erstens haben Schwule wie Lesben mit der Präsentation ihrer eigenen Sexualität Scheunentore eingerannt, die längst offenstehen. Und zweitens haben sie sich damit selbst einen Bärendienst erwiesen. Sind sie doch genau wieder – und unterdessen freiwillig – in der Außenseiterrolle aufgetreten, in die sich nicht länger drängen lassen wollten.

So wurde mit dem Berliner Christopher Street Day zuerst und vor allem die Fiktion einer Sonderstellung der Homosexuellen in der bürgerlichen Gesellschaft wiedererweckt, völlig unvereinbar mit der Realität unserer Tage. Ganz abgesehen davon, dass es ohnehin keinen Grund gibt, die spezifische Ausprägung der in jedem Fall naturgegebenen sexuellen Veranlagung in besonderer Weise anzuerkennen.

Sie ist eine intime Angelegenheit, nichts, was in den öffentlichen Raum gehört, auch nichts, wofür in irgendeiner Weise, und sei es mit einer ausgelassenen Party, Werbung zu machen wäre. Erst recht nicht darf dafür dem Steuerzahler in die Tasche gegriffen werden. Das aber geschieht zwangsläufig bei einer Fete wie dem Christopher Street Day.

Wenn über 500.000 Menschen im Berliner Zentrum zusammenkommen, sind Straßen und Plätze zu sperren, der Verkehr ist umzuleiten. Hunderte von Polizisten müssen die Sicherheit gewährleisten, zumal es in der Stadt genügend moslemische Sittenwächter gibt, bei denen zu befürchten steht, dass sie sich die Homosexuellen, dem Koran nach „verbrecherische Menschen“, vorknöpfen könnten. Nicht zu reden von den Kosten der Müllabfuhr danach. Sechsstellige Beträge laufen da schnell auf. Peanuts im Vergleich zu den Summen, mit denen die öffentliche Hand sonst um sich wirft. Doch auch kein Pappenstiel angesichts der Tatsache, dass es um etwas ging, das die Privatangelegenheit eines jeden sein sollte.

Der Exhibitionismus der einen und der Voyeurismus der anderen

Aber haben sich dekadente Gesellschaften nicht allemal dadurch entlarvt, dass sie aus jeglicher Intimität voyeuristischen Gewinn zu schlagen versuchen? Und war es dann nicht vielfach die Homosexualität, an deren verklemmter Darbietung sich die Massen delektierten, und das, obwohl die gleichgeschlechtliche Liebe per se keineswegs als ein Phänomen der Dekadenz anzusehen ist? Da die Veranlagung dazu eine zutiefst menschliche ist, hat es Schwule und Lesben zu allen Zeiten gegeben, in aufblühenden sowie in untergehenden Gesellschaften. Erst der Lustgewinn an der Inszenierung, der Exhibitionismus der einen und der Voyeurismus der anderen, macht aus ihr ein dekadentes Spektakel.

Zu denen, die sich das in Berlin jetzt nicht wollten entgehen lassen, zählte auch Klaus Wowereit. Bereits 2001, kurz nach seinem Amtsantritt als Regierender Bürgermeister von Berlin, hatte er öffentlich bekannt: „Ich bin schwul – und das ist auch gut so!“ In seiner Stellung als Politiker verlangte das damals noch einen gewissen Mut. Mit diesem Coming-out wurden Tore aufgestoßen. Wer vorgibt, sie immer noch erstürmen zu wollen, läuft ins Leere.

PS. In Frankfurt a. M. erstreckte sich die Feier des Christopher Street Day über drei Tage, vom Freitag bis zum Sonntag. Bereits Stunden vor dem Abschluss der Veranstaltung wurden acht Fälle sexueller Belästigung angezeigt. Über die Herkunft der Täter schweigen sich Veranstalter und Polizei wie üblich aus. 

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Leserpost

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Thomas Gruber / 23.07.2018

Dieser Artikel unsinnig und auch überflüssig. Der Verfasser interpretiert Sachen in die Veranstaltung hinein, die es nicht gibt. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, der Verfasser des Artiktels sieht hier “Verschwörer” am Werk. Dabei handelt es sich beim CSD heute um eine Fete, wie das Oktoberfest oder irgend eine Kirmes in der Provinz auch. Und solche Veranstaltungen verursachen ab und an auch Kosten für die Allgemeinheit und erhöhen ab und an auch das Steueraufkommen der “belasteten” Gemeinden und der dort lebenden Bürger. So ist das halt mal in Deutschland, wenn man feiert.

Wolfgang Kaufmann / 23.07.2018

Nachdem Homo- und Transsexualität gesellschaftlich verbrieft sind, zielen die nächsten Massenkundgebungen darauf, Männern™ zu garantieren, dass sie minderwertige Wesen ungestraft messern dürfen, und Frauen zu garantieren, im Schutz der heimischen Burka ihre Weiblichkeit zu zelebrieren. Jeder darf sich kulturell ausleben, wie es ihm oder ihr passt. Ausgenommen natürlich Rechte, Juden und alte weiße Männer, denn die sind der Quell alles Bösen. Ende Sarkasmus.

SIlvia Orlandi / 23.07.2018

Solidaritaet mit wirklich sexuell Verfolgten in muslimischen Laendern? Fehlanzeige. Aufklaerung ueber Aids ? Hepatitis u.a. ?  Geht im Spektakel unter.Die Steuergelder koennte man sinnvoller ausgeben fuer Medikamente, Krankenhaeuser,Hospize. Aber das sind fuer diese Spassvoegel zu ernste Themen.

Moritz Schneider / 23.07.2018

Ich war am kürzlich auf dem Frankfurter CSD. In der Tat ist es eigtlich (Im Gegensatz zu den CSDs Mitte der 90er) nur noch eine große Werbeveranstaltung und Event-Party. Firmen können sich da auf dem Zug präsentieren und auch die Parteien und die evangelische Kirche. Gratiswerbung, während man ein Zeichen für Toleranz setzt. Die CSD-Macher von Frankfurt haben aber erstaunlicherweise tatsächlich noch konkrete Ziele/Forderungen. Meine Lieblingspunkte sind hier die “Besetzung von Rundfunkräten” und die “Mitwirkung in allen relevanten gesellschaftlichen Gremien”. Und wer glaubt, dass die Diskriminierung durch die Gesellschaft so kaum noch existiert, für den wird als Anliegen folgende Forderung aus dem Hut gezaubert: “Bekämpfung von Diskriminierung innerhalb [der] Community”. Willkommen zum CSD 2050. Motto: Irgendwer wird sich schon noch diskriminiert fühlen.

Robert Jankowski / 23.07.2018

Ganz ehrlich: in diesem Staat wird viel Geld für Mist verschleudert und Lobbyisten sahnen für ihre Klientel Milliarden ab. Die paar Mios für den CSD sind dagegen doch gut angelegtes Geld. Zumindest haben einige Hunderttausend wirklich Spaß dabei. Über den rheinischen Karneval rege ich mich als protestantischer Norddeutscher doch auch nicht mehr auf. Was die anonymisierten sexuellen Übergriffe angeht: alles Einzelfälle. ;o)

Gabriele Schulze / 23.07.2018

Ja, wer keinen Sonderstatus hat, bastelt sich einen. Ist das öde!! Wenn die Opfer-Leute wüssten, wie langweilig dies Gemache ist! Ein anderer Aspekt - die von Ihnen angesprochenen Kosten. Das ist allerdings nicht langweilig, sondern bedarf der Überprüfung - welcher Institutionen, weiß ich nicht. Bund der Steuerzahler?

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