Ich hatte mich schon gewundert, wie lange es dauert. Nun, am 9. September 2020 ist es so weit. Ein externer Mitarbeiter von uns muss 14 Tage in Quarantäne, weil irgendjemand in seinem Wohnheim – er ist in einer dieser Flüchtlingsunterkünfte zu Hause – auf Covid-19 positiv getestet wurde. Traumschön. Zwei Wochen wird er nicht arbeiten können. Wenigstens zwei Wochen, sagte mir die Dame von der „Corona Hotline“. Denn es könne sein, dass sich die Tests der Kontaktpersonen verzögern könnten, je mehr Kontakt sie hatte und man die Kette vollends nachvollziehen könnte.
Immer wieder in den letzten Wochen erhielt ich Mails mit hoher Priorität, ob wir Mitarbeiter in der Unterkunft X oder Y hätten, denn dort sei jemand positiv auf Corona getestet worden. Dass es eine Frage der Zeit ist, wann unsere Niederlassung betroffen sein wird, wussten wir. In ohnehin wirtschaftlich bescheidenen Zeiten belastet so etwas das Betriebsergebnis zusätzlich. Und es ist unklar, inwieweit wir den Lohn, den wir zunächst fortzahlen müssen, zurück erstattet bekommen. Bürokratie ist vorprogrammiert und im Falle eines Ablehnens des Antrags – da können Sie sich sicher sein – wird der Klageweg bestritten.
Denn das Problem ist, dass der Mitarbeiter in Quarantäne de jure arbeitsunfähig ist. Sprich: Homeoffice ist in der Produktion ein schwieriges Unterfangen. Daher werden wir ihn weiter beschäftigen und bekommen vom Kunden kein Geld, was den Cashflow minimiert. Natürlich werden wir alles daransetzen, dass wir unser Geld zurückbekommen. Denn es ist nicht unser Verschulden, wir wollten keine Quarantäne, und wir haben sie auch nicht veranlasst. Der Mitarbeiter ist de facto arbeitsfähig und sitzt zu Hause, weil ein Mächtiger auf einen Knopf drückt. Bin ich der Einzige, der das gruselig findet? Die Kündigungsfrist beträgt – der Mitarbeiter ist noch neu – wesentlich weniger als 14 Tage. Wir könnten ihn kündigen und in 14 Tagen wieder einstellen oder ersetzen. Was wir nicht tun, aber seien Sie sich sicher, dass dies andere Unternehmen handhaben. Weil sie es können. Weil der Staat ihnen den Anreiz dazu gibt.
Kaum jemand scheint sich darum zu scheren. In meinem Umfeld nicken die Menschen in einem absurden Devotismus die herrschaftlichen Entscheidungen ab. So servil, so unterwürfig der Deutsche gerne „den Asiaten“ beschreibt, so servil und unterwürfig gibt er sich. Ein ehemaliger Kollege hat einen thailändischen Partner. Im Februar kam er nach Deutschland zurück. Also hat er beide Länder erlebt, wie sie mit dem Virus umgegangen sind. Schon in den ersten Wochen nach den harten Maßnahmen im März war er konsterniert ob des Obrigkeitsdenkens der Deutschen, das seiner Meinung nach wesentlich ausgeprägter ist als in Thailand. Ich kann das nicht beurteilen, aber ich sehe, wie die Lust am Gelenktwerden steigt. Citius, altius, fortius, als gäbe es kein Morgen mehr. (Ein witziges Video zum Thema finden Sie hier.)
Das Amt hat immer recht
Was in der DDR die Partei war, ist beim Gesamtdeutschen das Amt. Es hat immer recht. Masken für Kinder im Unterricht? Machen wir. Keine Masken für Lehrer und keine Masken im Bundestag. Geht klar! Masken im leeren Zugabteil über Stunden? Ist eben angeordnet! Maske auf dem menschenleeren Provinzbahnhof? Ist einfach so. Vor einiger Zeit sah ich eine ältere Dame mit zwei Einkaufstüten erschöpft aus dem Zug aussteigen. In Steinach (o. d. Tauber) stieg mit ihr, noch mehrere Meter entfernt, eine weitere Person aus. Außer Atem setzte sie die Maske ab, die sie natürlich im wenig befüllten Zug getragen hatte. In dem Moment ertönt die Durchsage, man soll sich doch bitte an die „Hygieneregeln“, also das Tragen von Mund- und Nasenschutz, halten. Erschrocken setzte sie die Maske wieder auf. Das haben wir uns verdient, soweit haben wir es gebracht, dass Oma Hilde sich das Atmen nimmt, weil es eine Autorität befohlen hat.
Dabei ist die Datenlage unklar: Diese Metaanalyse kommt zum Ergebnis, dass das Verhüten von Viruserkrankungen mit Gesichtsmasken nicht nachweisbar ist. Die Uni Tübingen kommt zum Schluss, dass die Wirksamkeit von Mund- und Nasenschutz nicht belegt ist, während Ärzte vor den gesundheitlichen Folgen warnen. Auf KaiserTV finden Sie eine erstaunliche Zahl von unbedenklichen Quellen, die die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen anzweifeln.
Doch wir handeln danach. Ich nehme mich da auch nicht aus. Aufgrund der ganzen Panik im März von Politik, RKI und besonderen Virologen war ich auf der Hut. Ich erinnere mich an eine im Nachhinein völlig absurde Diskussion mit meiner Mutter. Wenige Tage vor dem bayrischen Lockdown unterhielten wir uns, wie es sich mit dem Joggen im Wald verhielte. Als noch nicht ganz klar war, wie hart die Maßnahmen sein werden, war ich der Meinung, dass meine Mutter natürlich nicht joggen dürfe, wenn das der Staat anordnet. Und das, obwohl es wohl kaum einen Ort gibt, an dem das Risiko einer Infektion von Corona geringer ist als im Wald auf dem Land. Im Nachgang empfinde ich meine Haltung als peinlich unreflektiert. Es hat einfach jemand gesagt, und nun wird es dann auch gemacht.
Der Deutsche mag nun mal die Autorität. Freiheit im Geist und Handeln bergen auch immer die Gefahr, für etwas verantwortlich gemacht zu werden. Also überlässt man dies einer zentralen Intelligenz, die angeblich viel besser weiß, was das Individuum will und braucht.
Der Deutsche bückt sich vor der Macht
Mir bereitet diese Lust am Devotismus Sorgen. Ich hätte nicht für möglich gehalten, wie bereitwillig die Menschen alle möglichen Maßnahmen nicht nur akzeptieren, sondern sie auch noch aktiv bei anderen versuchen durchzudrücken. Eine Minute keine Maske in einem Supermarkt und Sie werden behandelt, als litten sie unter der offenen Tuberkulose. Dabei gibt es – vergleichen Sie Gunnar Kaisers Linksammlung – keine eindeutige Datenbasis, ob die Maske hilft oder nichts bringt. Dass sie bestimmten Gruppen schadet, dass sie zu Ausgrenzung führt, wie bei Gehörlosen oder bei Menschen mit Problemen mit der Sprache, ist bekannt. Und wenn es wahr ist, was Peter Hitchens, der Bruder des grandiosen, leider verstorbenen Christopher Hitchens twitterte, dass die WHO die Maskenpflicht nicht aus wissenschaftlicher Sicht befürwortet, sondern aus politischer, dann ist sie exakt das, was viele Autoren schon viel früher vermuteten: der neue Gesslerhut.
Inzwischen, immer noch der 9. September, hat sich noch ein weiterer Quarantänefall eines Geschäftspartners der gleichen Branche gemeldet. 14 Tage Quarantäne. 14 Tage kein Geld verdient. Doch was bei uns bloß – aber immerhin – Geld vernichtet, vernichtet bei anderen das Vertrauen in den Staat. Viele schließen sich sodann kruden Demonstrationen an, weil sie keine anderen Möglichkeiten sehen, ihre Meinung zu artikulieren. Abweichende Sichtweisen in die Schmuddelecke zu drängen, unliebsame Bekanntheiten auszuladen, ist das nicht mehr ganz so neue Spiel des Mainstreams. Und die Lust am Bücken der Deutschen macht es den Politikern leicht. Wie schrieb Thomas Mann so treffend:
„Euer Gehorsam ist grenzenlos, und er wird, daß ich es euch nur sage, von Tag zu Tag unverzeihlicher.“
Julian Marius Plutz arbeitet im Personalvertrieb. Er unterhält den Blog neomarius.blog, wo dieser Beitrtag in einer längeren Fassung erschien.