Gute Nachrichten aus Afrika gibt es leider nicht häufig. In diesen Tagen kamen aber gleich zwei gute Nachrichten von der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Nach Einschätzung der WHO könnte der afrikanische Kontinent den Höhepunkt der Pandemie hinter sich gelassen haben. Wie die WHO-Regionaldirektorin für Afrika, Dr. Matshidiso Moeti (Botswana), am 27. August bei einer Videokonferenz afrikanischer Gesundheitsminister sagte, gehen die täglich gemeldeten neuen Fallzahlen in Afrika zurück, und damit könnte der Scheitelpunkt überwunden sein. Auch in dem am stärksten betroffenen Südafrika sind die Infektions- und Totenzahlen rückläufig.
Am 14. Februar war der erste Fall einer Ansteckung auf dem Kontinent mit dem neuartigen Coronavirus bekannt geworden. Niemand weiß wirklich, warum die in der westlichen Welt ausgemalten düsteren Szenarien bisher nicht eingetreten sind. Heute, sechs Monate später, zeigt die Pandemie-Realität, dass der Kontinent von dem Massensterben bislang weitgehend verschont blieb. Die bekannten Fallzahlen haben dieser Tage die Millionen-Marke überschritten und es sind in New York deutlich mehr Menschen an COVID-19 gestorben als in allen 55 Staaten des Kontinents (28.000 Opfer).
In Lagos in Nigeria leben fast vierzehntausend Menschen pro Quadratkilometer, doppelt so viele wie in New York. In Ruanda gibt es Mitte August 2020 rund 2.100 infizierte, achthundert Patienten befinden sich in Kliniken, insgesamt wurden bis heute fünf Todesfälle gezählt. Afrikas offizielle Sterberaten liegen derzeit vierzigmal unterhalb der in der europäischen oder amerikanischen Bevölkerung.
Frei vom Polio-Wildvirus
In diesen Tagen hat die WHO Afrika als frei vom Polio-Wildvirus erklärt. Jedes Land auf dem Kontinent war betroffen. Misstrauen gegenüber Impfungen erschwerten die Arbeit der WHO. Der Kampf gegen Polio ist dort schwer, wo islamische Extremisten die Verschwörungstheorie verbreiten, der Westen wolle durch die Impfung muslimische Kinder sterilisieren.
Erst als Südafrikas Präsident Nelson Mandela sich 1996 für die Impfungen einsetzte, wurde die Krankheit in Afrika verstärkt bekämpft. Die Polio-Erreger greifen das Nervensystem an und können lebensbedrohliche Lähmungen herbeiführen.
Dies sei einer der größten Erfolge in der Geschichte der öffentlichen Gesundheit. Seit 1996 wurden allein in Afrika mehr als neun Milliarden Schluckimpfungen verabreicht. Damit seien nun fünf von sechs WHO-Regionen, in denen etwa 90 Prozent der Weltbevölkerung leben, frei vom Erreger der Kinderlähmung. Nur in Pakistan und Afghanistan kämen noch Fälle von Polio-Wildvirus vor. Dies ist laut WHO das zweite Virus, das auf dem Kontinent ausgerottet wurde, nach den Pocken vor 40 Jahren.
Nachtrag:
Drei Tage, nachdem die WHO Polio in Afrika für ausgerottet erklärte – seit vier Jahren hatte es auf dem Kontinent keinen Fall mehr gegeben –, musste die UNO leider wider Erwarten neue Fälle im Sudan melden. Das UNO-Büro für humanitäre Hilfe (OCHA) erklärte, dass in 9 der 18 sudanesischen Bundesstaaten mindestens 13 Menschen an Kinderlähmung erkrankt sind. Weitere Fälle wurden in Äthiopien, Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik gemeldet. Großangelegte Impfkampagnen des sudanesischen Gesundheitsministeriums mit Unterstützung des UNO-Kinderhilfswerks UNICEF werden vorbereitet. Im Sudan waren seit zehn Jahren keine Fälle mehr nachgewiesen worden.
Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Drei Nachauflagen folgten 2019 und 2020. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.