Volker Seitz / 30.08.2020 / 16:00 / Foto: Pixabay / 25 / Seite ausdrucken

Corona: Gute Nachrichten aus Afrika

Gute Nachrichten aus Afrika gibt es leider nicht häufig. In diesen Tagen kamen aber gleich zwei gute Nachrichten von der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Nach Einschätzung der WHO könnte der afrikanische Kontinent den Höhepunkt der Pandemie hinter sich gelassen haben. Wie die WHO-Regionaldirektorin für Afrika, Dr. Matshidiso Moeti (Botswana), am 27. August bei einer Videokonferenz afrikanischer Gesundheitsminister sagte, gehen die täglich gemeldeten neuen Fallzahlen in Afrika zurück, und damit könnte der Scheitelpunkt überwunden sein. Auch in dem am stärksten betroffenen Südafrika sind die Infektions- und Totenzahlen rückläufig.

Am 14. Februar war der erste Fall einer Ansteckung auf dem Kontinent mit dem neuartigen Coronavirus bekannt geworden. Niemand weiß wirklich, warum die in der westlichen Welt ausgemalten düsteren Szenarien bisher nicht eingetreten sind. Heute, sechs Monate später, zeigt die Pandemie-Realität, dass der Kontinent von dem Massensterben bislang weitgehend verschont blieb. Die bekannten Fallzahlen haben dieser Tage die Millionen-Marke überschritten und es sind in New York deutlich mehr Menschen an COVID-19 gestorben als in allen 55 Staaten des Kontinents (28.000 Opfer).

In Lagos in Nigeria leben fast vierzehntausend Menschen pro Quadratkilometer, doppelt so viele wie in New York. In Ruanda gibt es Mitte August 2020 rund 2.100 infizierte, achthundert Patienten befinden sich in Kliniken, insgesamt wurden bis heute fünf Todesfälle gezählt. Afrikas offizielle Sterberaten liegen derzeit vierzigmal unterhalb der in der europäischen oder amerikanischen Bevölkerung. 

Frei vom Polio-Wildvirus

In diesen Tagen hat die WHO Afrika als frei vom Polio-Wildvirus erklärt. Jedes Land auf dem Kontinent war betroffen. Misstrauen gegenüber Impfungen erschwerten die Arbeit der WHO. Der Kampf gegen Polio ist dort schwer, wo islamische Extremisten die Verschwörungstheorie verbreiten, der Westen wolle durch die Impfung muslimische Kinder sterilisieren. 

Erst als Südafrikas Präsident Nelson Mandela sich 1996 für die Impfungen einsetzte, wurde die Krankheit in Afrika verstärkt bekämpft. Die Polio-Erreger greifen das Nervensystem an und können lebensbedrohliche Lähmungen herbeiführen.

Dies sei einer der größten Erfolge in der Geschichte der öffentlichen Gesundheit. Seit 1996 wurden allein in Afrika mehr als neun Milliarden Schluckimpfungen verabreicht. Damit seien nun fünf von sechs WHO-Regionen, in denen etwa 90 Prozent der Weltbevölkerung leben, frei vom Erreger der Kinderlähmung. Nur in Pakistan und Afghanistan kämen noch Fälle von Polio-Wildvirus vor. Dies ist laut WHO das zweite Virus, das auf dem Kontinent ausgerottet wurde, nach den Pocken vor 40 Jahren.

Nachtrag:

Drei Tage, nachdem die WHO Polio in Afrika für ausgerottet erklärte – seit vier Jahren hatte es auf dem Kontinent keinen Fall mehr gegeben –, musste die UNO leider wider Erwarten neue Fälle im Sudan melden. Das UNO-Büro für humanitäre Hilfe (OCHA) erklärte, dass in 9 der 18 sudanesischen Bundesstaaten mindestens 13 Menschen an Kinderlähmung erkrankt sind. Weitere Fälle wurden in Äthiopien, Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik gemeldet. Großangelegte Impfkampagnen des sudanesischen Gesundheitsministeriums mit Unterstützung des UNO-Kinderhilfswerks UNICEF werden vorbereitet. Im Sudan waren seit zehn Jahren keine Fälle mehr nachgewiesen worden. 

 

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Drei Nachauflagen folgten 2019 und 2020. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

S. v. Belino / 30.08.2020

Die im Vergleich zu anderen Teilen der Welt offenbar vorteilhaftere Situation bezüglich Corona könnte in Afrika sehr wohl mit der prinzipiell besseren, da weitaus variantenreicheren, genetischen Ausstattung (riesiger Gen-Pool) der Bevölkerung zu tun haben. Über diese Thematik dürften es einige wissenschaftliche Abhandlungen geben, vornehmlich aus dem angelsächsischen Raum. Ich jedenfalls freue mich sehr für die Afrikaner, dass sie sich - was ihre Widerstandskraft gegenüber Angriffen aus dem Imperium der Mikroben angeht - zumindest gegenüber Corona bisher überraschend gut behaupten konnten. Weiter so!

H.Störk / 30.08.2020

Könnte es damit zu tun haben, daß in Afrika weniger multimorbid Vorerkrankte über 80 in Pflegeheimen vor sich hinvegetieren? Weniger Risikogruppe, weniger Tote.

Frances Johnson / 30.08.2020

Das RKI gibt die Dunkelziffer für Kupferzell mit dem Faktor 3,9 an. Da wohl niemand glaubt, dass in Südafrika oder auch Nigeria ausreichend getestet wurde/wird, setze ich diese hypothetisch sehr konservativ mit 10 an, vermutlich ist sie höher. Verstorbene in Südafrika und Nigeria jeweils ca. 2% der gemessenen CV-Positiven. Teilen durch 10, bitte! Ergebnis: Wie bei anderen Formen von schwerer Grippe. Zwei Prozent auch in etwa in Kalifornien, Texas, Arizona und Florida. Die Dunkelziffer dürfte irgendwo zwischen der in Kupferzell und der von mir geschätzten liegen. Vielleicht wird so etwas eines Tages genauer untersucht. Auch wenn die Ableberate in westlichen Gesellschaften höher sein dürfte (mehr Diabetes, Adipositas, Hypertonus, Herz-Kreislauferkrankungen sowie höheres Durchschnittsalter), liegt sie vermutlich unter Berücksichtigung einer Dunkelziffer immer noch unter einem Prozent.

Volker Dreis / 30.08.2020

Afrika hat ein viel jüngeres Durschnittsalter als Europa oder die USA. Alleine schon daraus erklärt sich eine niedrigere Sterberate. Wobei die offiziellen Zahlen nicht in jedem Fall stimmen müssen.

Ulla Schneider / 30.08.2020

Hallo Herr Seitz, das geht aber gar nicht. Wollen die nicht weiter sterben, die Afrikaner?  Sie können doch nicht einfach den Regelfall ad absurdum führen und die europäische Angststrategie ausser Gefecht setzen.  Wirklich wunderbar, dass die Afrikaner, in denen von Ihnen genannten Gegenden, offensichtlich mehr gesunden Menschenverstand aufweisen als die journogläubigen und angsterfüllten Europäer. Ich denke da nur an die Geschichte mit der positiv getesteten Papaya. - Polio ist fürchterlich. Ich hatte als Kind Klassenkameraden, die damit kämpfen mussten.  Es kann sein, dass die Beweglichkeit wieder kommt, aber leider nicht immer.  Ich bin mir sicher, dass auch dort die Polioinfektion bald eine Legende sein wird.

Petra Wilhelmi / 30.08.2020

Naja, im Westen ist das düstere Szenario ja auch nicht eingetreten. Es wird nur noch Corona simuliert mit einem Test der keine Corona-Krankheit ertesten kann. Dazu kommt noch, dass Afrika irrelevant für die Welt ist. Europa dagegen muss transformiert werden, also wird eben immer weiter Pandemie gespielt.

Andi Nöhren / 30.08.2020

Naja. Niemand weiß, wie viele Leute in Deutschland durch Covid-19 gestorben sind, und da soll es tatsächlich echte Daten über die Anzahl von Personen geben, die in Afrika durch dieses Virus gestorben sind?? Können die dort wirklich besser und ehrlicher zählen, als deutsche Behörden?

Gabriele Kremmel / 30.08.2020

Das sind wirklich gute Nachrichten, auch wenn es nicht erstaunt: Kann es sein, dass es in Afrika keine Erfinder von Corona-Tests und -Impfstoffen gibt und die Pandemie dort für monetäre Interessen eher weniger nützlich ist?

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Volker Seitz / 12.05.2024 / 10:00 / 16

In Lagos gendert man nicht

Über Teju Cole's "Tremor" könnte man nur Gutes sagen, wenn der deutsche Verlag sich nicht entschlossen hätte, den Text lächerlich zu gendern. Doch dafür kann der…/ mehr

Volker Seitz / 22.04.2024 / 12:00 / 16

Ungarns kluge Entwicklungshilfe

Entgegen seinem Ruf leistet Ungarn sehr kluge Beiträge in der Hilfe für afrikanische Länder und ihre Bewohner. Anders als bei uns gilt es nicht als…/ mehr

Volker Seitz / 18.04.2024 / 06:15 / 18

Anders sparen in Afrika

Auch wenn Afrika hierzulande vielleicht nicht als Hort der Sparsamkeit gilt, so hat sich auf dem Kontinent doch eine interessante eigene Form des Sparens entwickelt,…/ mehr

Volker Seitz / 09.03.2024 / 06:00 / 58

Kolonialismus auf dem Obstteller?

Überall werden Spuren des Kolonialismus aufgedeckt, denn es muss schließlich „dekolonisiert" werden. Auch in Botanischen Gärten und auf dem Obstteller. Doch woher kommen die Kolonialfrüchte wirklich?…/ mehr

Volker Seitz / 20.02.2024 / 10:00 / 39

Kein deutscher Wald für Afrika?

Das Aufforsten in Afrika ist sicher gut und hilft dem Klima, glaubt das Entwicklungsministerium und spendiert 83 Millionen Euro. Dafür gibts „Wiederaufforstung", wo nie Wald war, Monokulturen…/ mehr

Volker Seitz / 11.02.2024 / 10:00 / 6

Der Kartograf des Vergessens

Der weiße Afrikaner Mia Couto wurde zum wichtigsten Chronisten Mosambiks. Sein neuer Roman beschreibt die Wirren vor der Unabhängigkeit und die Widersprüche in der Gegenwart.…/ mehr

Volker Seitz / 06.02.2024 / 13:00 / 14

Afrikas alte Männer

Politische Macht wird von afrikanischen Langzeitherrschern als persönlicher Besitz angesehen. Etliche Autokraten klammern sich deshalb schon seit Jahrzehnten an ihre Sessel. Seit langem frage ich…/ mehr

Volker Seitz / 28.01.2024 / 11:00 / 21

Warum Wasser in Afrika nicht knapp sein müsste

Nicht das Fehlen von Wasser-Ressourcen, sondern ihre ineffiziente Nutzung, mangelnde Investitionen und Missmanagement sind der Grund für die Knappheit von Wasser in Afrika.  In der…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com