Cora Stephan: Die Stimme der Provinz: Weihnachten, Fest der Familie

Weihnachten! Fest der Liebe! Und der Familie.

Und schon fangen die Probleme an. Ein Rückblick, in der Hoffnung, dass es den Nachgeborenen besser ergeht: Unsereins musste vor versammelter Verwandtschaft Weihnachtslieder auf der Blockflöte spielen. Dem Anlass angemessene Gedichte vortragen. Mussten Mutters größten Wunsch erfüllen: „Brave Kinder!“ Durften dabei zuhören, wie sich die Eltern stritten, weil das männliche Elternteil über das „liebe Jesulein“ spottete und auch sonst alles tat, um die trauliche Atmosphäre zu stören.

Alle Jahre wieder. Alle Jahre, in denen Mutter versucht hatte, das perfekte Weihnachten zu organisieren – damals war zwar mehr Lametta, das hat aber auch nicht geholfen. Entsprechend entspannt nahm man das Abendbrot ein, bevor wir Kinder wieder nicht bekamen, was wir uns gewünscht hatten. (Der Hund wurde als Steifftier geliefert.)

Ich gebe zu: ich entfloh dem Familienterror frühzeitig, wie so viele meiner Generation, und übte jahrelang, Weihnachten zu ignorieren. Wie konnten wir auch wissen, dass vielen Vätern im Krieg jeder Sinn für Romantik abhandengekommen war? Und dass jemand wie meine Mutter nach Hunger und Kälte und Flucht und jahrelanger Einquartierung irgendetwas an Heimatlichem und Heimeligem zurückholen wollte, das sie womöglich vorher auch kaum hatte? Dass der ganze Weihnachtsstress aus der unschuldigen Sehnsucht nach einem geschichtslosen Moment des Friedens entstand?

Die „Anywheres“ dominieren den Zeitgeist

Nun, das konnte wohl nicht gutgehen. Aus meiner Generation gibt es erstaunlich viele Elendsberichte und verfilmte Schauergeschichten über abgrundtief gestörte Familien. Möglich, dass diese Generation das an die nachfolgende weitergegeben hat: Die tiefe Abneigung gegen Familie, gern auch in ihrer kleinbürgerlichen und „reaktionären“ Form. Die „traditionelle“ Ehe sollte 1968ff auf dem Müllhaufen der Geschichte landen. Da sehen viele sie heute noch, weg damit, mitsamt der lästigen Nachwuchsproduktion. Die ist nämlich, genau, klimaschädlich.

Doch mit all diesen Abgesängen auf die Familie verhält es sich wie mit den Anywheres gegen die Somewheres: Die einen fühlen sich als ungebundene Kosmopoliten, die ihren Platz überall auf der Welt finden, die anderen sind verwurzelt und an Ort und Familie gebunden. Doch die „Anywheres“ dominieren den Zeitgeist.

So beklagte etwa Jutta Allmendinger im Coronafrühjahr 2020 eine „entsetzliche Retraditionalisierung“, weil Frauen in der Krise zu Hause blieben und sich mehr um die Kinder kümmerten. Und das, obwohl doch die SPD so lange schon die „Lufthoheit über den Kinderbetten“ beansprucht!

Kein Modell ist das einzig wahre

Auch neuerdings treibt der Affekt gegen Ehe und Familie wieder üppige Blüten. Wer bei Männern vor allem an „toxische weiße Männer“ denkt, wird sie nicht heiraten wollen. Wer bei Kindern an ihre „Klimaschädlichkeit“ denkt, wird keine Familie anstreben. Und wer lieber solo durchs Leben geht, möge das tun, man muss ja keine Religion draus machen. Doch im Gegensatz zu dem, was viele „Powerfrauen“ sich wünschen, erweist sich Familie als ein erstaunlich überlebensfähiges Konzept. Und zwar vor allem in der Krise, wenn der Staat weit weg ist und man sich auf die Allernächsten verlassen muss. Die Anywheres repräsentieren vielleicht den Zeitgeist, nicht aber die gelebte Wirklichkeit.

Bei mir hier in der Provinz lebten gleich nebenan bis vor Kurzem vier Generationen unter einem Dach, jetzt sind es noch drei – wie bei zwei benachbarten Familien auch. Und nein, das liegt nicht an einem irgendwie bäuerlichen Bedarf an kostengünstigen Arbeitskräften. Es scheint von allen Beteiligten genauso gewünscht zu sein.

Alles hat seine Berechtigung, kein Modell ist das einzig wahre. Es gab schon immer Frauen, die weder Mann noch Kind wollten. Es gab schon immer Männer, die keine Familie gründen durften. Es gibt Menschen, die nicht nur zu Weihnachten ihre Familie meiden. Und es gibt Leute, die wissen, auf wen sie sich im Ernstfall verlassen können. Zum Beispiel auf die eigene Familie.

Insofern sei allen Familien ein angenehmes Fest gewünscht. Streitet euch mäßig und esst nicht zuviel! Selbstredend sei auch den anderen nur das Beste gewünscht – insbesondere den Ungeimpften, die ja eigentlich gar nicht feiern sollen.

Doch! Jetzt erst recht! Ihr seid keine „kleine extremistische und ungehemmte Minderheit“, wie der neue Kanzler kürzlich behauptete. Ihr seid schätzungsweise 12 Millionen. Also tut euch zusammen! Weihnachtsspaziergänge sind gesund und stärken das Immunsystem.

 

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Foto: Bundesarchiv/ Mehmet Sonal CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia Commons

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Ludwig Luhmann / 23.12.2021

Ja, genau: FROHES FEST!

Klaus Keller / 23.12.2021

Ein gefährlichen Kennzeichen. SU wurde von manchen Leuten als Sowjetunion gedeutet so das mancher LKW in fernen Ländern versehentlich beschossen wurde. - Frohes Fest! Und ein friedlichen Jahreswechsel mit genug Abstand zu dem was Sie nicht in der Nähe haben wollen.

M.Friedland / 23.12.2021

Die Aufteilung in “anywheres” und “somewheres” ist sehr realistisch. Allerdings kommen die “somewheres” problemlos ohne die “anywheres” aus; andersherum würden die “anywheres” ohne die “somewheres” in kürzester Zeit verhungern….

Jörg Themlitz / 23.12.2021

...und die anywheres sind heut die Transmissionsriemen für die weltweite und rasend schnelle Verbreitung von Viren bis in die letzte Provinz. Schon vor vielen, vielen Jahren haben anywheres Masern, Pocken und Cholera zu den Indianer nach Amerika gebracht.

Ralf.Michael / 23.12.2021

Frau Stephan, bleiben Sie entspannt ! Manche können mit Deutschland nichts anfangen, manche nichts mit Weihnachten. Es gibt dazu wirklich kein universelles Konzept. Am 21.12 war Midvinter und ich ich als Freireligiöser feiere kein Weihnachten, meine Frau als Shintoistin übrigens ebenfalls nicht ! Dadurch und Damit gehen wir auch jeden Konsumterror geschickt aus dem Weg ;o)) Das Einzige, welches wir überhaupt feiern ist ” Shinnen “, nämlich den 1.Januar ab 00:00. Jedem das Seine….und einen Guten Start für 2022, dem Jahr des Tigers !!

Dr. Jäger / 23.12.2021

Ich halte es wie Dickie Hoppenstedt. Ich halte mir die Augen zu, und strecke die Zunge raus.  Meine Antwort auf den ganzen Klimbim. FROHES FEST!

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