Cora Stephan / 17.06.2021 / 11:16 / Foto: il-mondo-di-don-camillo / 80 / Seite ausdrucken

Cora Stephan: Die Stimme der Provinz – meine E-Rache

Radfahrer, die Allerwokesten der Woken! Die Besten der Guten! Umwelt- und Klimaretter, dem Fortschritt immer zwei Tritte voraus!

Mich nerven sie. Vor allem in der Stadt. Bin ich als Autofahrer unterwegs, muss ich bei jedem Rechtsabbiegen lauern, ob nicht von fern noch einer von ihnen herbeigerast kommt, denn sollte ich ihn womöglich aus Versehen zum Betätigen ihrer Bremsen zwingen, gibt es eine Schimpfkanonade, begleitet von eindeutigen Gesten. Noch übler ist der unschuldige Fußgänger dran. Da harrt er nun aus an der Ampel und wartet auf das beruhigend woke grüne Licht – aber wehe, er hat dabei ein paar Schritte nach vorn zur Fahrbahn gemacht und steht nun womöglich auf dem für Radfahrer abgetrennten Streifen des ursprünglich einmal „Bürgersteig“ genannten und einst großzügigen Terrains, das er lange schon mit parkenden Autos teilen muss! Jäh straft ihn ein Klingelkonzert, der gestreckte Mittelfinger, ein gezischtes „Mach hinne, Omma“ und eine feuchtwarme Duftwolke aus Schweiß und Deo.

Autofahrer halten mittlerweile brav vor jedem Zebrastreifen, falls sich auch nur ein Wesen in seiner Nähe aufhält, Radfahrer hingegen reiten ungerührt einfach in der Mitte durch. Sie sind ja auch in höherem Auftrag unterwegs: Wir retten die Welt! Und was tust du, außer einem läppischen Mineralwasser zuzusprechen?

So sehen sie aus, die Machtverhältnisse.

Auf dem Land – ach, auf dem Land! War früher alles besser. Als ich noch auf dem Rad zur Not auch den Ballon d’Alsace bezwang, begegnete mir bei der morgendlichen Radrunde höchstens eine ältere Bauersfrau in Kittelschürze und mit Eimer am Lenker und Harke in der Hand, die sich auf schwankendem Rad zu ihrer Parzelle begab. Autofahrer quetschten sich gerade mal handbreit an der schwankenden Bäuerin vorbei, selbstredend ohne reduziertes Tempo. Die musste unsereins noch durch penetrantes Fahren in der Mitte der rechten Straßenseite disziplinieren. Heute bremst ein einsamer Radfahrer auf der B 49 ganze Wagenkolonnen aus.

Das E-Bike – meine Rache an rabiaten Radfahrern

Ein einsamer Radfahrer? Ach was: Ganze Sturmtrupps sind hier mittlerweile unterwegs. Irgendjemand muss verbreitet haben, dass unsere Dorfstraße eine wunderbare Abkürzung bedeutet und hier höchstens Katzen, Hunde, Hühner, Kinder und lahmarschige Spaziergänger im Weg stehen könnten. Allabendlich – an Wochenenden ohn‘ Unterlass – sausen sie hier vorbei, die Sporttreter, mit einer Geschwindigkeit, die jeden Treckerfahrer erblassen lässt. Manch einer bewegt bei Tempo 20 noch nicht einmal mehr die Pedale.

Das alles hat uns Corona und das vermaledeite E-Bike beschert. Seit sie tags nicht mehr im Büro und abends nicht mehr in der Kneipe sitzen konnten, wurde der Feierabend von den arbeitenden oder auch bloß angestellten Klassen zunehmend auf dem Radweg bestritten. Doch dort trifft man nunmehr mitnichten nur die Menschen in der Midlifecrisis, die um ihre Figur bangen, sondern alle, die es noch auf ein Rad mit Tiefeinstieg schaffen. Die Bauersfrau in Kittelschütze hat die Parzelle längst aufgegeben, jetzt sitzt sie mit ihrem Gespons gut gepolstert auf dem E-Bike und lässt sich durch die Landschaft tragen. Bei „Turbo“ muss man kaum noch irgendein Körperteil bewegen, das läuft fast ganz von alleine. Die Schnittigeren in den enganliegenden Klamotten hingegen nutzen die Trethilfe, um mit voller Power an den Alten vorbeizusurren – das ist der Sound, der wochenends das Gekecker der Elstern und Geschnatter der Hühner kongenial unterstreicht. Was für ein herrliches Surren und Zischen!

Sagte ich schon, dass Radfahrer eine Pest sind? Doch wer schon immer auf Charlie Brown gehört hat, der weiß um seinen weisen Rat: „If you can’t beat them, join them“. Ich habe jetzt auch eins, ein E-Bike mit Tiefeinstieg. Und es ist mir egal, ob das ein unfairer Vorteil ist, wenn ich die beiden Männer mit den kräftigen Waden, die nebeneinander herfahren und das jüngste EM-Spiel bekakeln, höflichst bitte, mich überholen zu lassen. Sie müssen ja nicht wissen, dass ich dabei lediglich meine Rache genieße. Rache an rabiaten Radfahrern und all den anderen Naturfreunden, die zwecks Klimasensibilität dem roten Milan das Brutgebiet und mir den Horizont mit ihren nutzlosen Windrädern zugestellt haben.

Ich mach mir hier mein eigenes Wokistan. Der Strom dafür kommt schließlich aus der Steckdose. Das Netz ist der Speicher. Annalenas Tiefkühlhähnchen sei Dank.

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Leserpost

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Bernd Maier / 17.06.2021

“Radfahrer, die Allerwokesten der Woken!” Der Hang zum Radfahren dürfte tief in ihrer Natur verwurzelt sein. Sie kommen gut vorwärts, wenn sie nur schön nach oben buckeln und nach unten treten…

Gerald Schwetlik / 17.06.2021

Cora Stephan, ich weiß nicht, wo sie wohnen, aber sie sollten einmal einen Ausflug nach Münster machen. Ihre Satire wird dort von der Realität bei weitem übertroffen. Die linksgrüne Fahrradszene hat die Stadt fest im Griff. Besonders der Ring, die Promenade, ist Jagdgebiet für den Planeten rettenden Radler. Fahrradstraßen sprießen dort aus dem Boden wie der Giersch in meinem Garten. Gestern parkst du noch vor deinem Häuschen, dass sich seit 80 Jahren im Besitz deiner Familie befindet, heute liegt da eine Aufklappfahrradstraße und du kannst sehen, wo du deinen Planetenkiller abstellst. Was früher der katholische, CDU wählende Furor in Münster an schwarzem Muff verbreitet hat, ist heute der woke, linksgrüne Wähler, der Fußgänger und Autofahrer als Freiwild betrachtet. Der deutsche Spießer radelt heute zusammen zwieträchtig mit den völlig von Verkehrsregeln befreiten Studenten durch diese gebeutelte Stadt. Die ersten Räder mit SUV würdigem Rammschutz sollen dort auch schon gesichtet worden sein. Stell dir vor, es ist Krieg und du hast kein Fahrrad!

Flroian Bode / 17.06.2021

@Matthias Graubarth: Es gibt durchaus Gründe, eine Radhose mit Polster zu tragen, die mit dem Schniedel nichts zu tun haben.

Claudius Pappe / 17.06.2021

PS : Schaut euch mal in den Ebike Foren um. Da wimmelt es nur so von Autohassern und woken Menschen. Jeder zweite hat dort eine Solaranlage auf dem Dach und hat/ will ein e-Auto.

Wolfgang Heinrich Scharff / 17.06.2021

Sehr richtig! Es sollte einmal ausgerechnet werden, wie viel Schaden der deutschen Wirtschaft allein dadurch entsteht, dass Leistungsträger, die zu wichtigen Terminen unterwegs sind, gezwungen werden, beim Rechtsabbiegen auf möglicherweise vorbeifahrende Radfahrer achten zu müssen. Was für Abgründe an Zeitverlust sich da auftun! Ich meine: Der Straßenverkehr ist dem Menschen zur zweiten Natur geworden, und in der Natur gibt es klare Hierarchien: Das Auto steht oben, dann kommt das Motorrad, und dann erst Radfahrer und Fußgänger.

Claudius Pappe / 17.06.2021

Nun mal langsam mit den elektischen Pferden. Fahre schon immer Rad, ( zum Spaß )  nun halt mit ebike. Allerdings hasse ich die öffentlichen Autoverkehrswege. Dort ist man nicht sicher. Busse , LKWs, Autos, Radfahrer, e-Roller Fahrer, Skater und Fußgänger nehmen einem die Vorfahrt. Am Wochenende fahre ich nicht mehr auf den Feld-, Wald- und sonstigen, für den Autoverkehr nicht zugelassenen, Wegen. Warum ? Die Tiefeinsteiger und auch die mit dem Diamantrahmen nehmen Überhand. Ältere Damen, können, wenn sie anhalten müssen, ihr 5000 Euro ebike nicht halten. Komischerweise halten die neu hinzugekommenen Ebiker immer vor oder hinter Kreuzungen um ihre Pläuschchen zu halten. Und Rechts vor Links kennen Radfahrer nicht.

Hjalmar Kreutzer / 17.06.2021

Verehrte Frau Stephan, Ihre „Stimme der Provinz“ ist für mich ein zusätzlicher „Sonntagsfahrer“ mitten in der Woche, dankeschön! Übrigens sind nicht nur Don Camillo und Peppone, sondern auch Jaques Tati auf dem Fahrrad in einer Rolle als Briefträger herrlich amüsant anzusehen. Findet sich bestimmt auf YouTube oder in der arte-mediathek!

Hans Reinhardt / 17.06.2021

Deutschland, das Land der Radfahrer, auch im übertragenen Sinne: nach oben buckeln und nach unten treten. Aber das nur am Rande. Was mich am meisten stört, ist, dass sie alle so hässlich sind. Und so verwahrlost. Ich wohne auf dem flachen Land und alljährlich werden wir von Horden wildgewordener Rentnern auf Rädern heimgesucht. Deichrudelradler. Heuschrecken auf 2 Rädern. Halbnackte Pensionistinnen, in deren Cellulitisdellen sie ihren kompletten Reiseproviant an Äpfeln verstauen könnten, blaue Krampfadern metastasieren über reinweiße Männerbeine, Frauen mit Oberarmen, die lefzenartig bis auf den Gepäckträger hängen, kahle Schädel ohne Helm oder Mütze, ein ästhetischer Overkill spielt sich jeden Sommer ab. Niemand wird mit dem Alter attraktiver, aber wo steht geschrieben, dass man seine Mitmenschen mit seiner Nacktheit belästigen muss? Gestern radelte ein Ü70-Exemplar mit nichts als einer Badehose bekleidet an uns vorbei. Schämt sich so jemand denn gar nicht? Meine Frau verriss vor Schreck fast das Lenkrad und ich wünschte mir eine Bordkanone.

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