Thilo Schneider / 22.08.2019 / 16:30 / 23 / Seite ausdrucken

Chorknaben im Safe Space

Haben Sie sich je die Frage gestellt, was ein „Knabenchor“ ist? Also, fernab aller Polemiken gegen tatsächliche Missbrauchsfälle? Könnte es sein, dass in einem Knabenchor nur Knaben singen? So kleine Domspatzen bis zum Erreichen des Stimmbruchs? Falls Sie das dachten, sind Sie noch nicht in der Realität des Jahres 2019 angekommen. Nur, weil sich ein Knabenchor Knabenchor nennt, heißt das noch lange nicht, dass da nur Knaben singen sollten.

So sah es wenigstens die Mutter einer neunjährigen Nichtknabin, deren Lendenfrüchtchen vom Träger des Berliner Staats- und Domchores, der Universität der Künste (UdK), als Chormitohneglied abgelehnt wurde. Begründet hat die UdK die Ablehnung damit, dass „es an einer Grundlage für eine Ausbildung in dem Chor fehle und zudem ihre Motivation für einen Einstieg in den Domchor nicht genüge.“ Oder, auf Deutsch: Die Knäbin kann es nicht und hat auch „keinen Bock“. Das wiederum hat die Väterin erzürnt, denn sie sieht ihre Singdrossel von „gleichberechtigter Teilnahme an staatlichen Leistungen und staatlicher Förderung wegen der Zugangsbeschränkung auf Jungen“ ausgeschlossen und daher eine „Diskriminierung des Mädchens auf unzulässige Weise“. Und hat kurzerhand die UdK wegen Diskriminierung verklagt.

Die UdK wiederum ist der Ansicht, dass sie das Görl durchaus hätte mitträllern lassen, wenn „sich die Auswahlkommission bei ihrem Vorsingen von einer außergewöhnlichen Begabung, hoher Leistungsmotivation und entsprechender Kooperationsbereitschaft der Erziehungsberechtigten hätte überzeugen können und wenn ihre Stimme dem angestrebten Klangbild eines Knabenchores entsprochen hätte.“ Außerdem gäbe es „zwischen Mädchen- und Jungenstimmen anatomische Unterschiede, was zu differenzierten Chorklangräumen führe“.

Oh diese Kleingläubigen! Im Jahr 2019 gibt es keine „anatomischen Unterschiede“, sondern lediglich „soziale Konstrukte“, und wenn sich der Domspatz von Berlin als Knabe fühlt, dann muss er auch das Recht haben, im Knabenchor zu singen. Da die Knäbin aber noch nicht volljährig ist, muss eben die Mutter für sie fühlen und wenn die UdK nicht auf die Mutter hören will, dann muss eben die UdK fühlen. Oder, auf balinarisch: „Wolln wa ja mal sehn!“

Warum sollte es denn keine Jane Bond geben?

Ein Beispiel, das Förderschule machen könnte: Wo steht eigentlich, außer in irgendwelchen Statuten, dass Frauen nicht in Herrenfußballmannschaften spielen dürfen? Und wer hat aufgeschrieben, dass Ilka Gündogan nicht bei den Frauen mitkicken darf? Wollen wir wirklich im Jahr 2019 noch um ein Y am Namens- und Chromosomenende streiten? Warum dürfen keine Frauen bei der Tour de France mitfahren, sondern müssen ihren eigenen Club aufmachen? Warum sollte es denn keine Jane Bond geben? Ob bei den katholischen Priestern, den Päpsten oder den Sumo-Ringern: Die letzten Männerdomänen müssen endlich zu Domäninnen werden! 

Freuen wir uns also endlich auf komplett geschlechtsgleiche Filme und Wettbewerbe. Wenn die Ritterin die männliche Jungfrau aus den Klauen der Drächin rettet, Gräfin Draculine zitternde Jungmänner beißt und die „Women of color“ Adolphine Hitler Josefa Stalina den Zickenkrieg erklärt. Nur um die männlichen Noch-nicht-so-lange-hier-Seienden würde ich mir dann Sorgen machen, wenn sie, von erfahrenen Frauenpulks umringt, Kontakterfahrungen der eher unerwünschten Art machen. Nichtsdestotrotz könnten sich auch daraus interessante Lerneffekte ergeben. Du bist nicht traumatisiert, bis dich ein Pulk proseccobeschwipster Endfünfzigerinnen unter begeistertem Kreischen und lautem Gejohle an allen männlichen Ecken und Kanten befummelt hat. Mitglieder der Chippendales können davon im Männerchor singen! 

Wann aber ist sie denn nun erreicht, die absolute Gleichstellung? Die menschliche Erfindergeisterin bemüht sich bereits, der Anatomie die Grenzen vom Stoppelbartgesicht zu reißen und warum sollen Männer eigentlich keine Kinder bekommen können? Allerdings könnte ich mir hier dann doch ein tiefes Vetorecht von Frauenverbänden vorstellen, dass ihnen hier ein geschlechtliches Alleinstellungsmerkmal genommen wird, mit dem sich seit Anbeginn der Schöpfung doch auch ganz gut leben ließ – zumindest, solange Frauen wenigstens einen Sohn gebaren. 

Da bin ich ganz ehrlich verblüfft

Das Berliner Miss-Verwaltungsgericht, das über die Wahl zwischen „künstlerischer Freiheit“ und Diskriminierung zu be- und empfinden hatte, hat sich – tapfer und gegen den Zeitgeist – übrigens dieser mittlerweile ganz und gar biologisch-konservativen Sichtweise angeschlossen und die laute Klage der Mutter abgewiesen. Was mich – da bin ich ganz ehrlich – verblüfft. Ich hätte gedacht, gerade ein Berliner Richter würde auch diese Geschlechter-Bastion schleifen. Zur „Ehrenrettung“ der Klägerin sei aber auch angemerkt, dass die UdK in einem Anfall künstlerischen Zorns der Mutter schriftlich gab, dass „Ihr Wunsch aussichtslos ist. Niemals wird ein Mädchen in einem Knabenchor singen!“ Diese zwar fachlich richtige Aussage (weil es dann eben kein Knabenchor mehr ist) dürfte erst aufgrund der formulierten Art und Weise die entsprechende Klage provoziert haben. Das kann man auch netter machen. 

Im Grunde genommen geht es doch um Eines: Männer und Frauen sollten gleichberechtigt sein, was aber nicht gleich „gleich“ bedeutet. Und gerade von den Leuten, denen es ja gar nicht genug „Vielfalt“ bis hin zur Einfalt geben kann, wäre eigentlich zu erwarten, dass sie sich über den wirklich und meist nur kleinen Unterschied zwischen Mann und Frau freuen und diesen zu würdigen wissen. 

„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist eine gute und richtige Sache. Daneben finde ich es toll, dass es Frauen gibt, die Frauen sind und Männer gibt, die Männer sind. Findet sich dann ein passendes Paar, dann werden beide gemeinsam etwas Größeres erschaffen, als einer allein dazu in der Lage wäre. Eigentlich sollten wir uns darüber freuen und keine gleich öde Ebene zwischen den Geschlechtern planieren. Es lebe der (manchmal kleine) Unterschied!

(Mehr Knabengesänge des Autors auch auf www.politticker.de)

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Barbara Stein / 22.08.2019

Nun ja, der Artikel läßt mich schmunzeln, die Kommentare dazu auch mal laut herauslachen. Wunderbar wäre es, wenn diese Mutter hier bei Achgut mal einen Blick auf dieses Amüsement richten würde. Was ich schon immer mal loswerden wollte: Ich weigere mich, mich mit den “innen”, den * und den “diversen” in irgendwelchen Texten abzumühen. Konsequent sollten wir diesen Quatsch negieren, auch wenn es einen geradezu zu dem tollsten Verhohnepiepeln reizt.  Vor einigen Jahren, auf alle Fälle während der Merkelschen Amtszeit, habe ich DE schon einmal mit einem großen Schilda verglichen. Kennt noch jemand ein idiotischerisches Beispiel für das, was in unserer Heimat abläuft?

Belo Zibé / 22.08.2019

Ich finde, die Frau hat völlig richtig gehandelt! Seit ich den Dudelsack für mich entdeckt habe , klage ich einen Platz bei den Berliner Philharmonikern-die Wiener dürfen es auch sein- ein. Die sind bekannt, kommen rum ,anders als die Truppe auf den Mittelaltermärkten oder Schlammfestivals rund um die Wagenburgen. #WirKlingenBunt!  Ausserdem würde es was hermachen, wenn ich in Gesprächen lässig sagen könnte,  dass ich zur instrumentalen Vielfalt bei den Berliner Philharmoniker beitrage.  Diese Orchestermodelle sind ja ohnehin völlig veraltet und die Rollenbilder innerhalb der Streicherfamilie müssen zwingend neu überdacht werden. Die Bratschen z.B- 1.Lage, 2.Lage , Notlage- sind den 1. Violinen und Celli nicht gleichberechtigt.Das ist nicht mehr zeitgemäss! Von den Kontrabassist*Innen ganz zu schweigen.Die kriegen ja wegen des Ungetüms in der Wohnung oder weil sie nie im Mittelpunkt stehen noch nicht einmal w/m/d als Lebensabschnitts*gefährtInnen.

Wilhelm Rommel / 22.08.2019

Na, Herr Schneider, wenn das Ganze mal nicht noch ein Nachspiel vor dem EuGH f. Menschenrechte hat: Das weibliche Elter der solchermaßen schnöde abgewiesenen Nichtknabin macht jedenfalls ein derart grimmig-entschlossenes Gesicht (vergleichbar allenfalls den zahlreichen um 1900 errichteten Standbildern des Großen Kurfürsten bei/vor/nach Fehrbellin), dass ich fest mit so etwas rechne… Ansonsten muss man sich ja tatsächlich ernsthaft fragen, warum derartige Verhaltensauffälligkeiten immer zuerst in der Spree-Metropole auftreten: Am Grundwasser allein scheint es nicht zu liegen und auch nicht nur an der Berliner Luft-Luft-Luft. Beides mag natürlich, wenn eine entsprechende Prädisposition bereits vorliegt (“Du bist verrückt mein Kind, du musst nach Berlin / Da wo die Verrückten sind, da gehörst du hin”) stimulierend im Sinne einer erhöhten Intensität des Phänomens wirken - die Zahl nachweisbarer bzw. klinisch relevanter Fälle auch und gerade bei der dortigen Kultur- und Politprominenz scheint ja kaum noch überschaubar - höchste Zeit also für eine themengebundene Bertelsmann-Studie… Danke für den amüsanten Beitrag! W. Rommel    

Wolfgang Kaufmann / 22.08.2019

Ja klar: Jane Bond jagt Doktorandin No. Ihre Waffeln sind: die legendäre Walküre PKK und eine Bertolli 418. Im Downshow setzt sie den Mösewicht mit einem Stuhlkreis außer Geschlecht. – Ich glaub ich bin im falschen Kochbuch.

Chr. Kühn / 22.08.2019

Ach, so lange Trans-Maenner im Frauensport besagte Frauen samt und sonders auf die Plaetze verweisen…jo, mei, froh sind die Frauen darueber sicher nicht, aber sie werden Verstaendnis dafuer haben, dass mich als Mann ihre potenziellen Klagen nicht wirklich interessieren…

Stefan Hofmeister / 22.08.2019

Es trägt zwar nicht viel zur Klärung der vielen offenen Fragen bei, aber als ehemaliges Mitglied des Regensburger Domchores möchte ich doch darüber aufklären, dass dort durchaus auch Spatzen nach dem Stimmbruch tirilieren. Bis dass das Abitur sie vom Chor scheidet. Abgesehen davon bin ich gespannt, ob der breiten Masse der ganze Blödsinn erst dann bewusst wird, wenn “der/die/das Mann-/Frau-/Diversschaft” noch nicht mal mehr in die Vorrunde kommt ... oder möglicherweise schon früher. Mir egal, ich bin raus, aber lustig wird das allemal!

P. Wedder / 22.08.2019

Es gibt also Hoffnung! Vielleicht wird ja auch bald der Frauenbadetag wieder gekippt…im Namen der Emanzipation.

Robert Bauer / 22.08.2019

Männer! Ab in die Damensauna - wenn Frau Künast oder Frau Schulze nicht zugegen sind.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Thilo Schneider / 30.01.2024 / 16:00 / 20

Jahrestag: Die Schlacht von Stalingrad geht zu Ende

Heute vor 81 Jahren ernannte Hitler General Paulus, der mit seiner 6. Armee in Stalingrad dem Ende entgegensah, zum Generalfeldmarschall. Denn deutsche Generalfeldmarschälle ergaben sich…/ mehr

Thilo Schneider / 26.01.2024 / 16:00 / 20

Anleitung zum Systemwechsel

Ein echter demokratischer Systemwechsel müsste her. Aber wie könnte der aussehen? Bei den Ampel-Parteien herrscht mittlerweile echte Panik angesichts der Umfragewerte der AfD. Sollte diese…/ mehr

Thilo Schneider / 18.01.2024 / 16:00 / 25

Neuer Pass für einen schon länger hier Lebenden

Ich will einen neuen Reisepass beantragen. Doch um ihn zu bekommen, soll ich den abgelaufenen mitbringen, ebenso meine Heiratsurkunde und Geburtsurkunde. Warum muss ich mich…/ mehr

Thilo Schneider / 16.01.2024 / 15:00 / 73

Zastrow-FDP-Austritt: „Ich will den Leuten noch in die Augen schauen können“

Holger Zastrow, Ex-Bundesvize der FDP, kündigt. In seiner Austrittserklärung schreibt er: „Als jemand, der in der Öffentlichkeit steht und durch seinen Beruf mit sehr vielen…/ mehr

Thilo Schneider / 11.01.2024 / 14:00 / 64

Was würden Neuwahlen bringen?

Kein Zweifel, die Ampel hat fertig. „Neuwahlen!“ schallt es durchs Land, aber was würden die angesichts der aktuellen Umfrageergebnisse bringen, so lange die „Brandmauer“ steht…/ mehr

Thilo Schneider / 10.01.2024 / 14:00 / 35

Das rot-grüne Herz ist verletzt

Die Leute begehren auf, vorneweg die Bauern. Es wird viel geweint. In Berlin, Hamburg, München und Stuttgart. Aus Angst. Aus Angst, von den Futtertrögen des…/ mehr

Thilo Schneider / 24.12.2023 / 12:00 / 25

Meine Agnostiker-Weihnacht

Herrgottnochmal, ich feiere tatsächlich Weihnachten. Wenn es doch aber für mich als Agnostiker eigentlich „nichts zu feiern gibt“ – warum feiere ich dann? Die Geschichte…/ mehr

Thilo Schneider / 02.12.2023 / 12:00 / 15

Jahrestag: High Noon bei Austerlitz

In der auch „Drei-Kaiser-Schlacht“ genannten Schlacht in Mähren besiegt Napoleon Bonaparte am 2. Dezember 1805, genau ein Jahr nach seiner Kaiserkrönung, eine Allianz aus österreichischen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com