Olaf Scholz und Ehefrau Britta Ernst haben Frankreichs Präsident Macron und Gattin zu einer rustikalen Jause an einer Fischbude ausgeführt. Was haben die beiden da bloß essen müssen?
Als Helmut Kohl einst den französischen Staatspräsidenten François Mitterand zum Saumagen-Essen in den Deidesheimer Hof bat, bewies der frühere Bundeskanzler immerhin Stil. Die Spezialität aus Kohls Pfälzer Heimat – eine Art Wurst aus Schweinefleisch, Brät und Kartoffeln – kommt zwar deftig daher, doch schön angebräunt und begleitet von süß-sauren Balsamicolinsen lässt sich durchaus von einer Speise gehobener Provenienz sprechen. Vor allem, wenn der Saumagen von der Metzgerei Hambel in Wachenheim an der Pfälzer Weinstraße stammt, wo sich Kohl regelmäßig eindeckte und man mit allerlei Varianten aufwartet: Neben der klassischen Version gibt es Saumagen mit Kastanien, Schafskäse und sogar mit schwarzen Trüffeln.
Unter Kohls Nachfolgern, dem Currywurst-Adepten Gerhard Schröder, gefolgt von Kartoffelsuppenmutti Angela Merkel ging es nicht nur kulinarisch markant bergab. Mit Ampelkanzler Olaf Scholz ist man nun in jeder Hinsicht ganz unten angelangt – nämlich beim Fischbrötchen. Anlässlich einer deutsch-französischen Kabinettssitzung in Hamburg durfte das französische Präsidentenpaar Emmanuel und Brigitte Macron jüngst mit einer solchen Nordsee-Schrippe unliebsame Bekanntschaft machen.
Diverse Fotos und Videosequenzen zeigen Macron und Gattin sowie Olaf Scholz und Ehefrau Britta Ernst beim Stehimbiss in Blankenese, wo eigens zwei Verkaufsbuden im Stil des Hamburger Fischmarktes aufgebaut worden waren. Den Gesichtsausdruck des französischen Präsidentenpaares bei dieser rustikalen Jause im Anschluss an eine Airbus-Werksbesichtigung und eine Hafenrundfahrt kann man, diplomatisch ausgedrückt, als angestrengt distanziert charakterisieren.
Rohe Zwiebeln: Belastung für Verdauungstrakt und politische Gespräche
Fischbrötchen ist der Oberbegriff für ein waagerecht aufgeschnittenes Brötchen, das mit verschiedenartigen Fischzubereitungen belegt ist. Als da wären Bismarckhering, Rollmops, Sprotten, Lachs, Makrele, Matjes oder auch Nordseekrabben (Granat), im letzteren Fall spricht man dann aber von einem Krabbenbrötchen. Weitere typische Zutaten sind (rohe) Zwiebeln, saure Gurken, Salatblätter oder, wenn gebratener oder frittierter Fisch im Spiel ist, Remouladensauce. Hausgemacht kann die pikante Mayonnaise recht gut schmecken, nur leider wird man in den allermeisten Fällen mit einem Industrieprodukt abgespeist. Das französische Originalrezept für eine Sauce Remoulade enthält gehackte Kräuter, Sardellen, Gewürzgurken, Kapern und Olivenöl.
Um welche der oben genannten Varianten es sich bei Macrons Fischbrötchen handelte, ist auf den zur Verfügung stehenden Bilddokumenten nicht mit hinreichender Sicherheit auszumachen. Nur die aus dem Brötchen hervorquellenden Zwiebelringe sind in der präsidialen Hand deutlich zu erkennen, der man ansieht, dass sie bei den regelmäßigen Staatsbanketten im Élysée-Palast erlesenere Speisen und Getränke zum Munde führt als am hamburgischen Elbstrand.
Eigentlich ist ein Sandwich, bei dem rohe Zwiebeln zum Einsatz kommen, eine kulinarische Kriegserklärung. Ich habe ja schon mehrfach auf die grundsätzliche Unbekömmlichkeit roher Zwiebel hingewiesen. Wenn überhaupt, sollte es sich um hauchdünn geschnittene Gemüsezwiebeln handeln, wobei die Ringe auch in diesem seltenen Idealfall einen schlechten Atem machen und schwer im Magen liegen. Eine ernstzunehmende Belastung nicht nur für den Verdauungstrakt, sondern politische Gespräche jeder Art. Doch Macron nebst Gattin machten gute Miene zum bösen Spiel und wahrten eiserne Contenance.
Bleibt noch die Frage zu erklären, mit welcher Art von Fisch die den Macrons kredenzten Sandwiches zubereitet worden waren. Einem Video zufolge werden auf einer der Buden „Krabben, Elbaal, Bismarck“ annonciert. Die Hamburger Morgenpost sprach von „Fischbrötchen mit Elbaal und Bismarckhering“. Die Formulierung legt nahe, dass die Brötchen zugleich mit Aal und Hering belegt gewesen seien, doch das halte ich für unwahrscheinlich. Denn der selten gewordene Aal – vermutlich Räucheraal – ist eine, wenn auch gehaltvolle, Delikatesse, während (sauer eingelegter) Bismarckhering vor allem für ein Katerfrühstück nach durchzechter Nacht taugt.
„Wie call it a Franzbrötchen“
Ob es sich wirklich um Aal aus der Elbe handelte, lasse ich einmal dahingestellt. Nur glaube ich nicht, dass man Aal mit rohen Zwiebeln kombiniert. Auch Krabben mit Zwiebeln sind unüblich, weil dem penetranten Aroma des Lauchgewächses eigentlich nur Hering Paroli bietet. Macron dürfte also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Heringsbrötchen erwischt haben.
Merkwürdig, dass es überhaupt Bismarckhering gab, ist doch die Aversion, die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock gegen den Eisernen Kanzler hegt, seit längerem aktenkundig. Vielleicht ein bewusster Affront des Bundeskanzlers gegenüber seinem grünen Koalitionspartner und Vorbote einer Großen Koalition? Dann wäre Scholzens „Fischbrötchen-Diplomatie“ ein Platz in den Geschichtsbüchern sicher.
Als wären es nicht schon genug der hamburgischen Spezialitäten gewesen, nutzte eine bundesweit erscheinende Boulevardzeitung Macrons Besuch noch für ein wenig PR in eigener Sache und diente dem Präsidenten zusätzlich zum Fisch- noch ein Franzbrötchen an. O-Ton des Exklusivberichts: „Der Präsident freut sich, schüttelt den BILD-Reportern die Hand: „Ah, bien. Merci beaucoup!“ Seine Hand sei weich gewesen, „eingecremt“ und habe „nach Veilchen“ gerochen, fiel dem unbestechlichen Berichterstatter auf. Also erfolgte die Franzbrötchen-Übergabe offenbar schon vor dem Fischbrötchen. Und weiter: „Kanzler Scholz lacht, nimmt auch eine Tüte entgegen und erklärt seinem Staatsgast: Wie call it a Franzbrötchen.“
Franzbrötchen sind so etwas wie die Hamburgische Version der Zimtschnecke. Sie werden allerdings nicht mit Hefe-, sondern Plunderteig gebacken und sind blättriger und lockerer als die aus Skandinavien stammenden, kompakteren Schnecken. Angeblich erinnert das Gebäck an die französische Besatzungszeit Hamburgs unter Napoleon von 1806 bis 1814. Das Wortspiel: „Franzbrötchen für den Franzmann“ verkniff sich die Zeitung und glücklicherweise auch der Kanzler, doch zumindest wissen wir nun, dass Scholz kein Französisch spricht.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mitgegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.