Claudio Casula / 11.08.2023 / 14:00 / Foto: Pixabay / 20 / Seite ausdrucken

Bundeswehr: Rosa träumen auf nachhaltigen Matratzen

In Ermangelung einer militärischen Bedrohung hat die Bundeswehr mit ihr übergestülpten Wokeness- und Öko-Regelungen zu kämpfen – und längst kapituliert. Neuer heißer Scheiß: ein Nachhaltigkeitsfragebogen für das Beschaffungswesen.

Wenn der Amtsschimmel vom Öko-Wahn befallen wird, kommen Ausgeburten wie der Leitfaden der Bundesregierung für eine nachhaltige Textilbeschaffung der Bundesverwaltung dabei heraus. Auf einschüchternden 124 Seiten ist von Nachweisen durch Gütezeichen und ökologische Ausschlusskriterien die Rede, vom Einkauf von nachhaltigen Matratzen und ökologischen Anforderungen an die Gewinnung der eingesetzten Rohfasern (Faseranbau, Keratinfasergewinnung oder Synthetikfaserherstellung), von der Angabe des Gewichtsanteils der Baumwollfasern aus kontrolliert biologischem Anbau über den Ausschluss von Chlor bei der Zellstoff-Produktion und Grenzwerte für N2O-Emissionen bis zu den Arbeitsbedingungen bei der Herstellung. Was Letztere betrifft, taucht sogar das Wort „Schuldknechtschaft“ auf. Dies alles durchgelesen und trotzdem den Verstand nicht verloren zu haben, das ist ein niemals zu schreibendes Ruhmesblatt.

Im Umweltbundesamt verrichten Sadisten ihr Tagwerk, die in ihren Leitfäden für öffentliche Beschaffungsstellen alles bis ins kleinste Detail vorschreiben. Nehmen wir als Beispiel den Leitfaden basierend auf den Kriterien des Umweltzeichens Blauer Engel für Windeln, Damenhygiene- und Inkontinenzprodukte (Absorbierende Hygieneprodukte) (DE-UZ 208, Ausgabe Januar 2021). „Der Leitfaden gilt für Einweg-Hygieneprodukte mit absorbierender Funktion für Körperausscheidungen, die eine gewisse Zeit am oder im Körper verbleiben. In den Geltungsbereich fallen dabei Babywindeln, Inkontinenzprodukte, Damenhygieneprodukte, Achsel Pads.“ 39 Seiten.

Oder sehen wir uns an, was bei der Herstellung einer blauen Strickjacke für Bundespolizisten („Nachhaltigkeitsaspekte: ökologisch, ökonomisch“) zu beachten ist. Sie dachten, Material, Farbe und die Anbringung des Polizei-Schriftzugs reichen? Dann sollten Sie sich einmal die 12 Seiten zu Gemüte führen, die jedes Fitzelchen regeln. Da haben die Angestellten im Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums wirklich nichts dem Zufall überlassen!

Gewissenhaft füllt der deutsche Soldat den gelben Sack

Auch die Streitkräfte werden auf Nachhaltigkeit getrimmt. Bereits seit 1990 gilt: „In der Bundeswehr sind grundsätzlich Produkte zu verwenden, die den unerlässlichen technischen und funktionalen Bedingungen entsprechen und darüber hinaus möglichst umweltverträglich sind“. Und: „Bei der Beschaffung ist die Umweltverträglichkeit als ein Qualitätsmerkmal zu bewerten, auch wenn daraufhin ein teureres Produkt ausgewählt werden muss.“ Geld spielt keine Rolle, wenn dem Öko-Fimmel Genüge getan werden muss. Die Bundeswehr und der Umweltschutz – das ist „gelebte Partnerschaft“.

Man achtet auf den „Schutz von Natur und Umwelt auch in den Auslandseinsätzen auf Grundlage des deutschen Umweltrechts“. Schon 2008 berichtete die Welt vom Bürokratiewahn beim Einsatz in Afghanistan. Über die gelebte Praxis im Feldlager in Masar-i-Scharif etwa hieß es: „Die Bundeswehrsoldaten müssen ihren Müll entsprechend deutschen Umweltvorschriften trennen, obwohl die Kübel draußen, vor dem Kasernentor, wieder zusammengekippt werden.“ Denn in Kabul entsorgt der deutsche Soldat den ausgespülten Joghurtbecher gewissenhaft im gelben Sack, während der Afghane nebenan fröhlich Autoreifen verbrennt. In solchen Ländern funktioniert die Mülltrennung nämlich so, wie es Dieter Nuhr sagt: „Der Plastikmüll kommt in die Landschaft – und der Restmüll auch.“

Kürzlich ist an alle Dienststellen der Bundesverwaltung ein Fragenkatalog „Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit“ verschickt worden, den diese beantworten sollen. Dieser Katalog, der der Redaktion vorliegt, befasst sich mit der Frage der Nachhaltigkeit im Beschaffungswesen des Bundes. Noch handelt es sich um einen Versuchsballon; die Teilnahme ist freiwillig und dürfte nur besonders dienstbeflissene Gemüter (im Bundeswehr-Jargon: „Heißdüsen“) zur Aktion bewegen – oder eben ausgemachte Masochisten. Wenn allerdings alle Bundesbehörden in allen Beschaffungsbereichen mit ähnlichen „Leitlinien“ konfrontiert werden und ab 2024 den Fragebogen verbindlich ausfüllen und beantworten müssen, wird es richtig lustig.

„Recyclingpapier mit dem Blauen Engel mit Weißegrad ≤80“

Ein kleiner Streifzug durch den Fragenkatalog fördert unter anderem solche Perlen zutage:

Frage II.2 „Bestehen hausinterne Regelungen zur verstärkten Ausrichtung der Beschaffung am Leitprinzip der Nachhaltigkeit und zur verpflichtenden Berücksichtigung der Vorgaben des Maßnahmenprogramms zusammen mit allen gesetzlichen Regelungen und weiteren Vorgaben aus Fachprogrammen (u.a. §13 Bundes-Klimaschutzgesetz, § 45 15 Kreislaufwirtschaftsgesetz, Sorgfaltspflichtengesetz, AWV-EnEff (seit 1.1.2022 AWV Klima), Holzerlass)? (IV.2.b)“

Frage IV.4 „Wie viel vom beschafften Papier ist Recyclingpapier mit dem Blauen Engel mit Weißegrad ≤80 (ISO 80)? DIN A4 Blatt“

Frage IV.5.1 „Ihre Institution hat die Maßgabe von 100 % Recyclingpapier mit dem Blauen Engel in 60er bis 80er Weißegrad noch nicht erreicht. Wird diese Vorgabe ab 2023 umgesetzt?“

Frage IV.6.3.1 „Papierdruckerzeugnisse werden prioritär auf Papier mit dem Blauen Engel gedruckt, zugelassene Alternative ist eine Zertifizierung nach FSC-Recycled, nur ausnahmsweise kann Papier mit dem EU-Ecolabel verwendet werden. Auf Frischfaserpapier soll verzichtet werden.

Ihre Institution hat diese Maßgabe noch nicht erreicht. Mit welchen Maßnahmen werden Sie das Ziel erreichen, welche Gründe sprechen gegen die Zielerreichung?

Frage IV.8. und IV.8.1 betreffen Auftragswert für Hygienepapiere und Toilettenpapier ohne Blauen Engel, Frage VI.1 und Unterpunkte beschäftigen sich mit nachhaltiger Textilienbeschaffung (siehe oben). Außerdem geht es um die Begrenzung der Luftemissionen in den Prozessschritten der Textilveredelung, um den Auftragswert für Produkte, die den Nachhaltigkeitsanforderungen (d.h. den im Leitfaden empfohlenen Ausschlusskriterien) entlang der gesamten Textillieferkette entsprechen, um die Verwendung von Baumwollfasern aus rezyklierter Baumwolle und von Zellstofffasern aus nachhaltiger Forstwirtschaft nach den Prinzipien des FSC oder PEFC. Und und und. Von überragender Bedeutung auch: Werden bei Druckern wiederverwendete Kartuschen eingesetzt und werden leere Tonerkartuschen der Wiederverwendung zugeführt?

Erst wenn alle diese drängenden Fragen geklärt sind und das Eiserne Kreuz als Erkennungszeichen für Gefechts- und Luftfahrzeuge der Bundeswehr durch den Blauen Engel ersetzt worden ist, wird man sich um solche Nebensächlichkeiten wie Ausrüstung, Ausbildungsstand der Soldaten und ähnlich aus der Mode geratenes Zeug kümmern können.

 

Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten.

Foto: Pixabay

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Gus Schiller / 11.08.2023

Da hatte der Spion aus dem Bundeswehrbeschaffungsamt ja ordentlich was nach Moskau zu faxen.

Elke K. Eggert / 11.08.2023

Zieh ich morgen in die Schlacht, so denk an mich. Auf den Punkt.

W. Renner / 11.08.2023

Wer so eine Regierung hat, braucht keine Feinde mehr.

Steffen Huebner / 11.08.2023

Ein Dreifach- Hoch! Ich bin froh, dass die Bundeswehr eine solche ausgefeilte Bürokratie hat - es kann nie genug sein. Denn nur diese schützt uns davor, für fremde Interessen kampftauglich und tot zu sein werden.

Klaus Keller / 11.08.2023

Die Leute machen das freiwillig. Die Wehrpflicht wurde ausgesetzt somit gibt es keinen Grund irgend jemanden zu bedauern der für die Bundeswehr in irgend einer Form tätig ist. Wer darunter leidet was mit seinen gezahlten Steuern passiert, dem kann ich nur raten, dann arbeiten Sie halt weniger. Kampfstreik nannte man das im Prinzip im ersten Weltkrieg. Damals ging es aber eher um eine andere Form der Arbeitsverweigerung. ggf ist die gestiegene Zahl der Krankschreibungen auf Grund psychischer Störungen der passende Hinweis darauf, wie man sich diesem Schwachsinn am Besten entzieht. Bleiben Sie gesund und der Bundeswehr wünsche ich erst mal keine gute Besserung. Bei einer anderen Bundesregierung mit anderen Grundsätzen, werde ich mir das noch mal überlegen. Bis dahin gilt die Eigensicherung des einzelnen.

Torsten Hopp / 11.08.2023

So können die deutschen Nazis nie mehr einen Krieg anfangen. Zehn Leute in der Verwaltung und einer im Feld.

Thomin Weller / 11.08.2023

Herr Claudio Casula sie sollten sich einmal bei nachhaltige-beschaffung dot com den “Leitfaden zur umweltfreundlichen öffentlichen Beschaffung von Software - Neufassung 2023” von Thomas Heine lesen. Echt irre. //“Dieser Beschaffungsleitfaden (Neufassung 2023) baut auf den Anforderungen des Blauen Engels für Softwareprodukte (DE-UZ 215) auf. Er enthält einen Katalog von Kriterien für die Beschaffung umweltverträglicher Software und erläutert, wie Beschaffungsstellen ihn bei Ausschreibungen einsetzen können.”// Falsche Software kann Hardware zerstören!—>//“Sie beeinflusst den Energiebedarf und kann dazu beitragen, dass Hardware vorzeitig ausgetauscht werden muss („Software-bedingte Obsoleszenz“)”//<—Interessant das die I-Seite als COM mit Sitz in Deutschland registriert ist. Wer hält da die Hand auf? Laut Creditreform eine Werbeagentur. Das ganze stinkt bestialisch zum Himmel.

Michael Lorenz / 11.08.2023

Schön aufheben. Denn es braucht Antworten, wenn dereinst Historiker fragen, wie ein Top-Industrieland mit fleißigen und innovativen Berschäftigten, einer stabilen Währung, einer funktionierenden Demokratie, einer vorbildlichen Rechtsstaatlichkeit und einem in der Welt bewunderten Ausbildungssystem derartig rasch und nachhaltig (!) vor die Hunde gehen konnte.

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