Fachkräfte werden fast überall gesucht, selbst ältere sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt, derweil sind Menschen „mit Migrationshintergrund“ unter Arbeitslosen und Bürgergeldempfängern deutlich überrepräsentiert.
Ich weiß es, sie weiß es, wir wissen es. Sogar die Tagesschau weiß es. Und dennoch werden Monat für Monat Arbeitslosenzahlen gemeldet und verbreitet, die falsch sind. Im Zuge dieser ritualisierten Massenveralberung ergeben sich auch immer wieder – selten, aber immerhin – gute Nachrichten. Und da der Negativismus eine weit verbreitete Krankheit unter Journalisten ist, möchte ich dem in dieser Kolumne zumindest zum Teil widerstehen und frei nach meinem Vater beginnen, der einst meinte: „Schreib doch mal was Positives”.
Der Arbeitsmarkt ist an vielen Stellen ein Bewerbermarkt. Das bedeutet, dass es in vielen Berufszweigen mehr Stellen gibt als Bewerber. Das sind Fachkräfte wie Pfleger, Elektroniker, aber auch Industriemechaniker und Erzieher. (Details finden Sie hier.) Bei Pädagogen sagte man noch vor wenigen Jahren, diese gebe es „wie Sand am Meer”. Ein Grund mehr, sich bei der Berufswahl weniger am aktuellen Stellenmarkt zu orientieren, kann sich ändern, sondern an den langfristigen Perspektiven, die sich bei den verschiedenen Professionsfelder ergeben.
Agenda 2010 wirkt
Aber auch Akademiker werden gesucht. Gerade im Bereich der „Seniors”, was nichts mit der Altenpflege zu tun hat, sondern viel mehr mit Berufserfahrung. Ob es in der Lositistik ist, im Vertrieb, im Marketing oder im Controlling: Stellen sind frei. Wo vor zwanzig Jahren gerade in Konzernen hauptsächlich auf das Alter und die damit verbundenen geringeren Kosten geschaut wurde, existiert heute für Menschen ab 45 ein echter Arbeitsmarkt. Das gilt nicht nur für aktuell Arbeitslose, sondern vor allem für Mitarbeiter, die unglücklich beschäftigt sind. Bei vielen hat sich die Denkweise festgesetzt, man sei ab einem bestimmten Alter nicht mehr vermittelbar und man könne froh sein, überhaupt Arbeit zu haben. Das war auch lange Zeit der Fall.
Erst mit der Agenda 2010, die in diesem Jahr 20. Geburtstag feiert, wurde der Arbeitsmarkt wirksam flexibilisiert. Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe wurden zusammengelegt, für proper finanzierte Langzeitarbeitslose hieß es, zumindest in der Theorie, sie sollten sich bewerben, ansonsten werden Leistungen gekürzt. Gleichzeitig wurde für Firmen Arbeitnehmerüberlassung in Anspruch zu nehmen erleichtert. Ein Mittel, das für viele Joblose als den ersten Schritt in den ersten Arbeitsmarkt bedeutet. Für Angela Merkel bedeutete die Schröders Reform übrigens „ein Schritt in die richtige Richtung”. Es sei jedoch „nicht der große Wurf”. Etwas, was uns die Kanzlerin, abgesehen von ihrer verantwortungslosen Energie- und Einwanderungspolitik bis zum Ende ihrer Regentschaft, schuldig geblieben ist.
Arbeitslosigkeit und Migrationshintergrund
Währenddessen bot die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage einen ganz besonderen Einblick in die Arbeitslosenstatistik, der trotz 82 Seiten Arbeitsmarktbericht den Weg nicht in selbigen geschafft hat. Auf die Frage des Bundestagsabgeordneten Bernd Schattner (AfD), ob die Bundesregierung Kenntnis davon hat, wie viele Menschen mit Migrationshintergrund Bürgergeld beziehen, antwortete das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kurz und bündig: Im September 2022 hatten rund 2,35 Millionen der rund 3,84 Millionen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten einen Migrationshintergrund. Das entspricht 63 Prozent aller Leistungsbezieher. Zum Vergleich: Die Nachfrage, ob man die Zahl noch weiter in Hinblick auf die Herkunft qualifizieren könne, wurde mit Hinblick auf die Freiwilligkeit der Angaben der einzelnen Agenturen abgelehnt.
Laut Mikrozensus im Jahr 2019 leben 21,2 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland, was einem Anteil von 26 Prozent entspricht. Auch wenn man herausrechnet, dass sich die eine Zahl nur auf die erwerbsfähigen Menschen bezieht und die andere auf alle, sind die Menschen mit Migrationshintergrund bei den Bürgergeld-Beziehern deutlich überrepräsentiert.
Interessant wäre nun eine noch differenziertere Betrachtung. Zum einen führt die Bundesregierung an dieser Stelle gern den Sonderfall der ukrainischen Kriegsflüchtlinge an, zum anderen bezieht wahrscheinlich ein höherer Anteil der hier lebenden Afghanen Sozialleistungen, als dies unter Vietnamesen der Fall ist. Doch die Nachfrage nach genaueren Daten wurde nicht beantwortet. Begründung: die Freiwilligkeit der Angaben der einzelnen Agenturen.Fragesteller Bernd Schattner fasste zusammen: „Wir holen uns seit 2015 meist unqualifizierte Leute ins Land, während 2,7 Millionen Deutsche, davon eine Million hochqualifizierte Fachkräfte, im Ausland leben.“ Unterdessen steigt der Zuzug der für den deutschen Arbeitsmarkt nicht hinreichend Qualifizierten auf immer neue Rekordhöhen.