Inzwischen geht es in der Politik zu wie im Fußball. Auf dem Platz stehen sich zwei Mannschaften gegenüber: auf der einen Seite die Bunten, angetreten in den schwarz-rot-grün gestreiften Trikots der Champions von gestern, und auf der anderen die Aufsteiger in blau. Sie noch einmal mit knapper Not geschlagen zu haben war der Sieg, den Christ- und Sozialdemokraten, Linke und Grüne nach den gestrigen Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg einhellig feierten.
Zwar verloren CDU und SPD da wie dort nach Punkten. In Potsdam sackten die einen auf 15,6 ab; gerade noch 7,6 Prozent der Wählerstimmen vereinigten die anderen, die Sozialisten, in Dresden auf sich, indes die Grünen in beiden Bundesländern mit geringen Zuwächsen einen Achtungserfolg errangen. Nur was spielte das für eine Rolle, da die „demokratischen Parteien“ ohnehin im Team spielten, um den befürchteten Wahlsieg der AfD zu verhindern, in Sachsen sogar mit einer Mauschelei im Vorfeld, der juristisch umstrittenen Begrenzung ihrer Parlamentssitze auf höchstens 30.
Dass die „Verfassungsfeinde“, so Katja Meier, die Spitzenkandidatin der Grünen in Sachsen, dennoch zweistellig zulegten, auf 27,8 Prozent da und auf 23,5 in Brandenburg, dass sie in beiden Parlamenten zur zweitstärksten Kraft aufrückten, wurde als ein Kollateralschaden freier Wahlen in Kauf genommen. Kaum, dass sie die Zitterpartie verlustreich überstanden hatten, sonnten sich die amtierenden Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und Dietmar Woidke schon wieder in dem Gefühl, die Mehrheit des Volkes hinter sich zu haben.
Es ist noch Luft nach unten da
Nun gehört es zum Ritual der Wahlauswertung, sich noch im Niedergang als Sieger zu feiern. Dass die Einbußen noch größer sein könnten, als sie es sind, können die politischen Falschmünzer allemal geltend machen, wenigstens solange noch Luft nach unten ist. Insofern nichts Neues aus dem Osten. Wenn aber der regierende Sachse behauptet, die deutlich gestiegene Wahlbeteiligung sei seiner abgestraften Partei zugute gekommen, dann spricht das für einen bedenklichen Realitätsverlust.
Wo lebt der Mann, da er sich zu der Ankündigung versteigt, in der kommenden Amtsperiode, „die Menschen für die Demokratie begeistern“ zu wollen? Was schwebt ihm vor? Meint er gar, die eben überstandene Wahl sei nicht demokratisch genug gewesen, weil der politische Gegner aus ihr gestärkt hervorgegangen ist, während seine eigene Partei abermals Federn lassen musste? Fürchtet er, mit seinem wiederholten Aufruf zur Wahlbeteiligung Geister gerufen zu haben, die ihn beim nächsten Mal abwählen könnten? Hat ihm niemand gesagt, dass die Demokratie eine pluralistische, eine durchaus populistische Veranstaltung ist, in der sich populus, das Volk, für diese oder jene Partei entscheiden kann?
Wer da gewinnen will, muss die Bürger überzeugen, in ihrem Interesse zu regieren. Damit, dass diejenigen, die glauben, die Machtfrage unter sich ausmachen zu können, allesamt in das gleiche Horn blasen, ist es nicht getan. Wo den etablierten Parteien nicht mehr einfällt, als die gemeinschaftliche Ausgrenzung einer konkurrierenden Partei, wird die Demokratie auf den Kopf gestellt..
Politiker, die das Volk vertreten sollten, spannen die Bürger vor den Karren ihrer eigenen Existenzsicherung. In Sachsen wie in Brandenburg haben die Wähler diesen Schwindel durchschaut. In Sachen Demokratie bedürfen sie keiner Nachhilfe. Schon allein die gestiegene Wahlbeteiligung von 66 und 60,5 Prozent hat das gezeigt. Wer das Gegenteil behauptet, nur weil die AfD erhöhte Stimmenanteile für sich verbuchen kann, diffamiert ein Viertel des Wahlvolks.
Politiker, die das nicht wahrhaben wollen, regieren mit der Hand vor den Augen, aller Voraussicht nach für weitere fünf Jahre in Sachsen sowie in Brandenburg. Alles in Butter auf dem morschen Kutter.