Volker Seitz / 21.11.2019 / 06:10 / Foto: Pixabay / 23 / Seite ausdrucken

Afrika-Gipfel in Berlin: Warten auf Godot

Am 19. November 2019 haben Bundeskanzlerin Merkel und deutsche Wirtschaftsverbände wie BDI, DIHK und Afrika-Verein zwölf afrikanische Staatschefs zum „G20-Investitionsgipfel“ nach Berlin eingeladen. Der Fokus lag auf privatem Engagement im Rahmen der deutschen Afrikapolitik und dem Austausch mit afrikanischen Regierungen. Bislang spielt der Kontinent für die deutsche Wirtschaft eine geringe Rolle. Nur 1,7 Prozent der Exporte gingen 2018 dorthin, und 2,1 Prozent stammen aus Afrika.

Der Entwicklungspakt soll Marokko, Tunesien, Ägypten, Äthiopien, Ruanda, Burkina Faso, Senegal, Guinea, Cote d'Ivoire, Ghana, Togo und Benin zugute kommen. 849 deutsche Unternehmen sind laut Zahlen der Deutschen Bundesbank derzeit auf dem afrikanischen Kontinent aktiv. Mehr als die Hälfte davon in Südafrika. In Ägypten sind es rund 70 Unternehmen mit einer Milliarde Euro. Siemens will in Äthiopien 20 Millionen Euro investieren, das Entwicklungsministerium (BMZ) gibt zehn Millionen dazu.

Die Zurückhaltung der Unternehmen hat verschiedene Gründe. Viele deutsche Unternehmen zögern trotz gestiegenen Interesses aufgrund der Rahmenbedingungen (Instabilität, Korruption und Rechtsunsicherheit) vor Ort nach wie vor. Diese Risiken schrecken vor allem kleine und mittlere Unternehmen ab. 

Weit hinter den Erwartungen zurück

Seit Juni läuft das Investitionsprogramm „Africa Connect“, das deutschen und europäischen Mittelstands-Unternehmen Darlehen gewährt, die private Banken aufgrund hoher Risiken nicht geben würden. Bisher haben sich 100 Firmen interessiert gezeigt. Auf dem G20-Gipfel in Hamburg 2017 wurde von Bundeskanzlerin Merkel für Afrika eine Milliarde Euro zugesagt. An die 24 „Leuchtturmprojekte“ sind bis heute lediglich etwa 20 Prozent abgeflossen. Die Initiative bleibt weit hinter den Erwartungen zurück, zählbare Entwicklungserfolge gibt es bislang nicht. Offenbar gibt es ein Kompetenzgerangel zwischen BMZ und Wirtschaftsministerium.

Stefan Liebing und Christoph Kannengießer, Vorsitzender beziehungsweise Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, schreiben in einem Gastbeitrag in der F.A.Z. vom 18. November 2019: „Der Wirtschaftsminister hat ein ‚Wirtschaftsnetzwerk Afrika‘ gegründet. Ziel: Die Koordination von Wirtschaftsverbänden und die Gründung neuer Beratungseinrichtungen. Das kann man machen, so lange man Mehrfachstrukturen, die nur verwirren, vermeidet. Eine ambitionierte Außenwirtschaftspolitik sieht anders aus. Sie erschöpft sich nicht in Marktstudien und Beratungstagen.“

Das BMZ gründete Anfang 2016 die Agentur für Wirtschaft & Entwicklung (AWE) als zentrale Anlaufstelle für deutsche Unternehmen, die in Afrika investieren wollen. Träger sollten die staatliche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) sein. Horand Knaup schreibt in der Wirtschaftswoche Ausgabe 48 vom 15.11.2019: „Gegen den ausdrücklichen Willen von GIZ und DEG setzte Müller Corinna Franke-Wöller als Chefin der AWE ein. Eine Frau mit wenig internationaler Kompetenz und mangelnden Kontakten in die Wirtschaft – dafür aber eine Duz-Freundin des Ministers. ‚Ihr stellt die jetzt ein.‘ Und auch ihr Mann Roland Wöller bekam mit Mitteln der GIZ einen gut dotierten Vertrag als ‚Berater für Politische Strategie‘. Heute ist Wöller Innenminister in Sachsen. Die Ergebnisse der Kumpelwirtschaft waren dürftig ... Das Gros der Firmen mit ernsthaftem Interesse meidet die AWE.“

China ist geschickter

Auf konkrete Maßnahmen, wie eine bessere Absicherung der Geschäfte und politische Unterstützung, haben die Unternehmen vergeblich gewartet. Zwischenstaatliche Vereinbarungen müssen gewährleisten, dass Investoren, die gemäß definierten entwicklungspolitischen Standards bereit sind zu investieren, zügig die erforderlichen Genehmigungen erhalten (bestechungsfreier Behördenapparat). Dies muss auch für die operativen Behördenabwicklungen des laufenden Geschäftes gelten (Zoll, Import und Export von Gütern, Unternehmenssteuern). 

Generell wird nicht zur Kenntnis genommen, dass Afrika für viele Unternehmer noch immer ein mühsamer und riskanter Kontinent bleibt. Hinzu kommt die mangelnde Infrastruktur. Es fehlt an gut ausgebauten Straßen und Bahnverbindungen. Deshalb sind – auch wegen korrupten Zöllnern – die Transportkosten viel zu hoch. Selbst im Tourismus ist Afrika südlich der Sahara mit vier Ausnahmen (Botswana, Mauritius, Südafrika und die Seychellen) das Schlusslicht.

Für größere Investitionsvorhaben, etwa im Energie- oder Verkehrssektor in Afrika, erhalten deutsche Unternehmen in der Regel keine Kredite von den Banken, da diesen das Risiko zu hoch ist. Daher sind staatliche Garantien, etwa Hermes-Bürgschaften zu günstigen Konditionen, notwendig. Dazu Liebing und Kannengießer in dem erwähnten Gastbeitrag in der F.A.Z.: „Dass sich das Bundeswirtschaftsministerium dafür feiert, dass ganze vier Länder in Afrika den Hermes-Selbstbehalt von 10 auf 15 Prozent reduziert habenmag angesichts der komplizierten Ressortabstimmung verständlich sein. Solange unsere Nachbarländer Exportbürgschaften längst zu deutlich besseren Konditionen für viel mehr Länder anbieten, besteht hier in Wahrheit ein starker Wettbewerbsnachteil.“  

Das Thema ist seit Jahren auf dem Tisch. Die deutschen Unternehmen warten weiter. Im Gegensatz zu Deutschland hat China eine klare Strategie für Afrika und ist inzwischen zum wichtigsten Handelspartner aufgestiegen. Das chinesische Modell hat in Afrika innerhalb von fünf bis zehn Jahren mehr Arbeitsplätze und Infrastruktur geschaffen als der Westen mit seiner „Entwicklungshilfe“ in 60 Jahren.

 

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Zwei Nachauflagen erschienen 2019. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

Foto: Pixabay

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K. Reinhold / 21.11.2019

Also Herr Seitz, gestern in der Tagesschau war noch alles gut. Und jetzt ihr Beitrag hier. Es gibt sicher Experten in der Wirtschaft, die wüssten, wie es geht. Und die sind sicher auch zu solchen Veranstaltungen zugegen. Dass Ihre Beiträge hier auf der Achse von den „Obrigen“ nicht beachtet werden, ist nachvollziehbar. Aber mindestens genau so schlimm ist das Ignorieren der Wirtschaftsvertreter / Experten vor Ort. Es muss schlimm sein, sein Fach zu verstehen und von solchen Kompetenzbolzen nicht beachtet zu werden., ja sogar von ihnen verhöhnt zu werden.

Wilfried Cremer / 21.11.2019

Die Chinesen genießen das nötige Vertrauen der Afrikaner, weil sie nicht mit der Verhütungskeule drohen. Dasein schließt Vermehrung ein - und steht vor und über der Vernunft.

Manuela Pietsch / 21.11.2019

Das chinesische Modell ist doch aber sicher gaaanz böse, denn die Chinesen würden nicht investieren, wenn es sich für sie nicht lohnen würde. Bei uns ist das jedoch verpönt. Am Ende wird man sagen (und vielleicht tut man es jetzt schon), dass China Afrika ausbeutet, weil es damit Geld verdient. Was mir nicht ganz in den Sinn will ist, wie die chinesische Kultur und Arbeitsmoral mit afrikanischen Arbeitern zusammenpasst. Damit haben ja europäische Menschen in Asien schon Probleme. Ich hatte mal von einer Firma gelesen, die in Afrika Menschen anstellten, die nicht mehr zur Arbeit kamen, nachdem ihr Wochenlohn ausgezahlt wurde und erst wieder erschienen, nachdem dieser alle war.

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