Gérard Bökenkamp, Gastautor / 28.08.2021 / 12:00 / Foto: Pixabay / 43 / Seite ausdrucken

Afghanonomics – Die inkompetentesten Imperialisten der Geschichte

Von wegen Imperialisten und Ausbeuter: Nach Afghanistan hat Amerika Billionen Dollar gepumpt, ohne etwas mitzunehmen. Und auch weitere 100 Milliarden fürs Militär halten Chinas Einfluss nicht auf.

Nicht alles in der Welt lässt sich in Zahlen ausdrücken. Das Ausmaß des politischen und militärischen Desasters der USA in Afghanistan schon. Die groteske Geldverschwendung dieses Militäreinsatzes stellt sogar noch die deutsche Energiewende in den Schatten. In den letzten 20 Jahren haben die USA in Afghanistan zwei Billionen Dollar ausgegeben. Wie das Forbes Magazin ausrechnete, also etwa 300 Millionen Dollar pro Tag. Oder anders ausgedrückt: Pro Afghanen haben die Amerikaner 50.000 US-Dollar gezahlt. Alternativ hätten die Amerikaner auch jedem Afghanen eine lebenslange Grundrente von 1.000 Dollar im Jahr aussetzen können, was etwa doppelt so hoch ist wie das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen.

Es gehört zu den gepflegten Allerweltweisheiten, die nicht nur bei einem linken Publikum Anklang finden, dass die USA eine imperialistische Macht sind und ihre Kriege in Wahrheit nur dazu dienen, die Rohstoffe der besetzten Länder auszubeuten. Dieses linke Dogma wird aber durch die Zahlen nicht bestätigt. Im Jahr 2019 hat Afghanistan offiziell Güter für 870 Millionen Dollar exportiert – für ein Land dieser Größe so gut wie nichts. Das heißt, der Gesamtwert der von Afghanistan legal exportierten Güter entsprach den Kosten von drei Tagen amerikanischer Besatzung. Die wichtigsten Rohstoffe, die Afghanistan legal exportiert, sind Nüsse und Früchte, Gemüse, Knollen, Wurzeln und Gewürze. Das beliebteste Exportgut Opium ist aus dieser Rechnung natürlich ausgenommen.

In Afghanistan werden Vorkommen von Gold, Kupfer, Cobalt und Eisen im Wert von Billionen von Dollar vermutet. Die Tagesschau berichtet darüber, siebzig Prozent des Gebietes sei dabei geologisch noch gar nicht erforscht. Es werde aber damit gerechnet, dass die Taliban bald im Bündnis mit den Chinesen diese Schätze heben werden. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen:

Die angeblichen US-Imperialisten besetzen eine der größten Rohstoffschatztruhen der Welt. Statt die Schatztruhe zu öffnen, die Schätze zu heben und abzutransportieren, wie klassische Großmächte es getan haben, kratzen sie nicht einmal am Schloss, versenken zwei Billionen Dollar und ziehen dann ab, um ihren Erzrivalen, den Chinesen, diese Schätze kampflos zu überlassen. Nun – wenn die Amerikaner tatsächlich Imperialisten sind, wie ihnen der Antiamerikanismus vorwirft, dann sind sie die inkompetentesten Imperialisten, die dieser Globus ja gesehen hat.

Gewaltiger US-Militärapparat ohne Nutzen

Afghanistan ist auch deshalb ein solches Menetekel, weil es auf ein viel größeres Problem der Supermacht verweist, einen absurd aufgeblähten und im Kern völlig nutzlosen Apparat, der Militärs, Diplomaten, Bürokraten, Beratern und „Experten“ ein anständiges Auskommen beschert, dessen Kosten aber in keinem angemessenen Verhältnis zu seinem Nutzen stehen:

In der US-Armee dienen 1,4 Millionen Soldaten. Dazu kommen 700.000 Zivilbeschäftigte. Das Außenministerium beschäftigt 25.000 Mitarbeiter und zusätzlich noch 45.000 Zivilangestellte weltweit. Die 17 Geheimdienste beschäftigen etwa 100.000 Personen und haben ein Budget von 50 Milliarden Dollar. Vier Millionen Amerikaner haben irgendeine Form von Sicherheitsüberprüfung, um vertrauliches Material einsehen zu dürfen, und die Zahl derjenigen, die sogar die höchste Sicherheitsstufe für den Zugang zu geheimen außenpolitischen Dokumenten besitzt, liegt bei einer Million.

Die Kosten dieses Apparates sind enorm. Donald Trump hat das Problem vom Grundsatz her verstanden, aber seine Schlussfolgerungen daraus waren völlig falsch. Die Verteidigungsausgaben wurden von 674 Milliarden US-Dollar im Jahr 2017 auf 778 Milliarden US-Dollar erhöht. Die Chinesen geben im Vergleich dazu „nur“ 252 Milliarden US-Dollar für das Militär aus, Russland 61,7 Milliarden US-Dollar. In einem direkten Krieg würden die Amerikaner immer gewinnen. Das „Problem“ ist nur, es gibt keinen direkten Krieg. Für die Art und Weise, wie heute Kriege geführt und gewonnen werden, sind diese gewaltigen Militärapparate weitgehend nutzlos.

China baut seinen Einfluss immer weiter aus

Während die USA ihren Militärhaushalt um 100 Milliarden Dollar aufgestockt haben, haben die Chinesen ihren Einfluss in Asien, Afrika und Lateinamerika weiter ausgebaut. Die Chinesen erhöhen den Druck auf Taiwan und zementieren ihre Ansprüche im Pazifischen Ozean. China macht neben Australien und dem Iran jetzt bald auch Afghanistan zu seinem Rohstofflieferanten. Der Einfluss Chinas in Afrika lässt sich im Abstimmungsverhalten der afrikanischen Staaten in der Taiwan-Frage bei den Vereinten Nationen ablesen. Haben sich die afrikanischen Staaten früher in dieser Frage neutral verhalten, sind sie inzwischen eine feste Bank Pekings. In Lateinamerika destabilisieren Kuba und Venezuela mit der Rückendeckung der Chinesen proamerikanische Länder wie Chile, ohne dass die USA einen Finger rühren.

Die Frage dängt sich auf: Wozu brauchen die USA eine dreiviertel Billion Dollar an Militärausgaben, wenn sie nicht einmal in der Lage sind, mit sechzigtausend Turban-Trägern in einem Land fertig zu werden, dessen wichtigste Exportgüter Opium, Nüsse und geknüpfte Teppiche sind? Wozu unterhalten die USA 17 Geheimdienste, wenn die Chinesen ihnen vor ihren Augen eine Weltregion nach der nächsten entreißen?

Die wichtigsten Militärschläge unter Donald Trump waren der Abschuss von sechzig Tomahawk-Marschflugkörpern auf die Syrische Wüste und die gezielte Tötung des iranischen Generals Quasem Soleimani. Für solche Operationen wäre aber die Erhöhung der Verteidigungsausgaben um hundert Milliarden Dollar nicht nötig gewesen. In seinem Buch über die „Neuen Kriege“ hat der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld schon vor zwanzig Jahren vorausgesagt, dass ein Großteil der konventionellen Militärapparate im Zeitalter asymmetrischer Kriegführung überflüssig werden würde. Afghanistan hat diese These erneut bestätigt. Diese Thesen werden jetzt seit zwanzig Jahren diskutiert, ohne dass daraus praktisch Schlussfolgerungen gezogen würden. Das große Problem der westlichen Welt ist nicht „Imperialismus“, wie traditionelle Linke vermuten, sondern politische Inkompetenz.

Foto: Pixabay

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Dr Stefan Lehnhoff / 28.08.2021

Amerika hat nichts bekommen, weil es ein Land ist. Länder haben kein Geld, ebensowenig wie Regierungen. Die Milliarden sind nicht nach Afghanistan geflossen (die sind nämlich, bis aus Kasei und Co gar nicht reicher), sondern es ist von unseren Steuern und weginfkationierten Vermögen an den militärischen und heute vor allem auch IT- finanziellen Komplex geflossen. Sie kapieren es nicht: Links und Rechts, das ist was für Sitzordnungen und Salon Theoretiker sowie für die Dummen Konsumenten der beherrschten Medien. Es geht immer um das selbe, seit Kain Abel erschlagen hat. Einige Amens gen berauben andere. Afghanistan war ein Vehikel dieses Raubzuges, so wie es jetzt auch Corona ist. Wachen Sie mal in der Realität auf! Oder ertragen Sie das nicht?

S.Bahr / 28.08.2021

Man muss doch mal konstatieren, dass in keinem islamischen Land, das westliche Bestreben erfolgreich verlief, diese Länder mit einer Demokratie zu beglücken. Selbst vom „islamischen Frühling“ in Ägypten ist nichts geblieben. Diese Kulturen lehnen eine westliche Demokratie schlichtweg ab, hätten aber gerne den westlichen Wohlstand. So ist man in der Situation, wenn westliches Geld als Geschenk ausbleibt, der Hass auf den Westen sofort aufflackert in Form von Islamismus. Mit anderen Worten, wir müssten uns praktisch von außen die westliche Demokratie dort erkaufen, sie kommt bei diesen Völker nicht von innen heraus. Warum soll überhaupt die Demokratie für alle das Beste sein, man sieht doch wie der Westen selbst mit der Demokratie zugrunde geht. Der Islam muss nur abwarten.

Katharina Fuchs / 28.08.2021

“Gewaltiger US-Militärapparat ohne Nutzen (...)  einen absurd aufgeblähten und im Kern völlig nutzlosen Apparat, der Militärs, Diplomaten, Bürokraten, Beratern und „Experten“ ein anständiges Auskommen beschert, dessen Kosten aber in keinem angemessenen Verhältnis zu seinem Nutzen stehen” - - - Der gewaltige Militärapparat ist nicht nutzlos - er ist Selbstzweck. Er ist eine phantastische Einnahmequelle für alle, die von ihm leben. Natürlich hätte man auch gerne Bodenschätze und politische Vorteile von den verschiedenen Einsätzen, und manchmal klappt das sogar (im Irak haben sich so einige gesundgestoßen), aber im Endeffekt ist der MIC ein Moloch, der sich in erster Linie selbst am Fressen hält. Es gibt da einen schönen, alten Film: The Pentagon Wars, der die Korruption bei der Entwicklung des Bradley Fighting Vehicle satirisch aufs Korn nimmt. Lohnt sich anzuschauen. - - - Afghanistan hat sich auch rentiert - zumindest für all jene, die ihre Pratzen im Drogengeschäft hatten. Vermutlich orientieren sich die Geschäfte nun eher in Richtung Fentanyl.

Andreas Rochow / 28.08.2021

Ein bedenkenswerter Aspekt. Und trotzdem bin ich froh und dankbar, dass der “Weltpolizist” noch von der USA und nicht von den Russen oder von Nordkorea oder sonstwem gestellt wird. Insofern sehe ich auch keinen Anlass, das Nato-Bündnis grundsätzlich infrage zu stellen. Eher sollte man sich entschließen, robuste UN-Missionen als Friedensstreitmacht für überflüssig und sogar gefährlich zu halten.

CZECH ALEX / 28.08.2021

Demento Joe wurde nur aufgestellt um die Wahlen zu gewinnen jedoch nicht um zu regieren oder Entscheidungen zu treffen. Die Frage ist doch vielmehr wer versteckt sich hinter dem Vorhang und läßt die Marionette Demento Joe stolpern an mehreren hundert Meter langen Fäden? Eigentlich sollten die 80 Millionen Wähler impeached werden, welche diese MarionettenKombi Demento und Harris gewählt haben. Die Amis wissen gar nicht wen oder was sie sich da aus Afghanistan nach sweet home Alabama holen. Keiner kann mir erzählen, dass 50.000 Übersetzer für die USA in Talibanland gearbeitet haben….lächerlich. Die bundesbunten Rautenschafe wissens erst recht nicht.  Immer mehr Menschen werden nach Buntland gelockt. Die Folgen werden aber schon länger hier lebende Steuerzahler ausbaden müssen. Wie lange wird der Krug noch zum Brunnen gehen, bis er bricht? Dazu kommt noch das pro Jahr ca. 250.000 gut ausgebildete Deutsche aus Buntland auswandern.

Frank Stricker / 28.08.2021

Was Herr Bökenkamp leider auch nicht verstanden hat, es geht nicht um die relativ überschaubare Zahl von ca, 55.000 Taliban, es geht darum, dass diese Taliban bei den 40 Millionen Afghanen einen so großen Rückhalt genießen ! Jedenfalls ist dieser Rückhalt deutlich größer als das Vertrauen in westliche Demokratien, Thats it !

Markus Kranz / 28.08.2021

Der Westen hat unglaubliche Technologien, Massen an Geld, unglaublichen Segen der gesamten Welt schlicht & ergreifend geschenkt. Wir haben nichts dafür bekommen, gar nichts. Das einzige, was wir gerade dafür zurück bekommen, ist Undankbarkeit, Hass, Drohungen und offener Rassismus.

Arthur Sonnenschein / 28.08.2021

Die Strategie der US-Amerikaner zielt nicht auf Nation Building oder den ganzen anderen Unfug, der im Zusammenhang mit dem Abzug aus Afghanistan jetzt diskutiert wird. Er ist deshalb auch mitnichten ein militärisches oder politisches Desaster. Es ist zum Schiessen :), dass gerade die Ausrüstung des afghanischen Militärs als Verlust angesehen wird, während diejenigen, die damit Milliarden verdient haben schon in den Startlöchern stehen, den Gegnern der Taliban das gleiche Zeug nochmal so teuer anzudrehen. Man sollte sich auch nicht die Illusion machen, die US-Dienste würden mit den Chinesen nicht das gleiche Spiel spielen wie einst mit der SU, so wie Unzahl von US-Stützpunkten auf der ganzen Welt nach wie vor die Hegemonalposition der USA innerhalb eines territorialen Konzeptes aufrecht erhält. Dem widerspricht auch ein Creveld nicht. Die Düsternis die in Sachen Afghanistan in Deutschland beschworen wird, entspringt der eigenen Impotenz, die man jetzt wutentbrannt auf die Amerikaner projiziert.

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