Volker Seitz / 30.08.2020 / 11:00 / Foto: Heike Huslage-Koch / 23 / Seite ausdrucken

Achille Mbembe: Unbequem ist stets genehm

Der Historiker Achille Mbembe aus Kamerun wurde in Deutschland mit Preisen überhäuft. In der WELT vom 29. August 2020 vermutet Thomas Schmid in „Politik der Feindschaft“, dass die hochrangigen Repräsentanten aus Politik und Kultur, die sein Werk so emphatisch gewürdigt haben, die Bücher (in denen er die immer gleichen Thesen variiere) nicht gelesen haben. Mbembe wurde in den vergangenen Jahren hintereinander mit dem Geschwister-Scholl-Preis, dem Gerda-Henkel-Preis und dem Ernst-Bloch-Preis ausgezeichnet.

Mbembe kam in Deutschland zuletzt ins Gerede, weil ihm vorgeworfen wurde, er unterstütze die BDS-Bewegung und sei antisemitisch. Das erwähnt Thomas Schmid aber nur am Rande. Mbembe schrieb dem jüdischen Staat Ausrottungsphantasien und die Absicht zu, das palästinensische Leben wie Müll entsorgen zu wollen.

Mbembe schreibt über die aktuelle Situation mit Covid-19 und entwirft ein hybrides Horrorszenario.“Die Pandemie kommt dem entfesselten Kapitalismus des 21. Jahrhunderts gerade gelegen, um sein Programm der Eliminierung der „Überflüssigen“, der „Trennung“, der „Auslöschung", der „Vernichtung der und des Anderen“ und der "Zementierung eines neuen, globalen Kolonialismus noch hemmungsloser voranzutreiben als bisher:“

Schmid schreibt, Mbembe könne solchen Unsinn nur behaupten, weil der die Realität hochmütig nicht zur Kenntnis nehme. Er wäge nicht ab, es gebe bei ihm keine Ambiguitäten, keine Nuancen, keine Fortschritte. Er spräche den liberalen Demokratien grundsätzlich die Fähigkeit ab, sich vom dunklen Erbe des Kolonialismus zu lösen. Die westlichen Länder, so Mbembe, würden den Rassismus in den Dienst aller möglichen mehr oder weniger verrückten Geschichten stellen.

„Ein Lichtmacher aus Afrika...“

Schmid bezeichnet Mbembe als einen intellektuellen Verwirrer. Seinem überhitztem Werk fehle der Ernst. Freihändig werfe er ständig mit absichtsvoll ungenauen (fast immer fehlen Namen, Orte, Städte, Verantwortliche. Stets sind anonyme Kräfte am Werk), trennschwachen Begriffen aus der intellektuellen Küche der französischen dekonstruktivistischen Schule um sich – wie ein Foucault für Arme im Geiste. Sein Geschäft sei die profitliche Publikumsbeschimpfung – insbesondere dann, wenn dieses Publikum aus westlichen Ländern stamme. Weiße Frauen und Männer hätten angesichts der kolonialen Geschichte ihrer Länder oft ein schlechtes Gewissen. Dieses bewirtschafte Achille Mbembe.

Als ihm vor zwei Jahren den Gerda-Henkel-Preis verliehen wurde, hielt Michelle Müntefering (SPD), Staatsministerin im Auswärtigen Amt, die Laudatio. Sie sagte unter anderem: „Für mich und alle, die sich nicht scheuen, genauer hinzusehen, ist Achille Mbembe ein Lichtmacher aus Afrika... Aus einem Ansprechpartner, einem streitbaren Gast, ist ein Freund im Geiste geworden.“ Auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) fand in diesem Jahr lobende Worte für das Werk Mbembes. Thomas Schmid empfiehlt beiden Ministerinnen, nachzulesen, was Mbembe wirklich geschrieben hat.

Nach Mbembes leben wir im Zeitalter „eines schamlosen Nanorassismus“. Und dies sei „in Wirklichkeit das eines schmutzigen Rassismus, dreckig und dem Spektakel von Schweinen ähnlich, die sich im Schlamm suhlen.“ Zudem würden der „Wunsch nach Feinden, der Wunsch nach Apartheid und die Ausrottungsphantasie die demokratischen Regime allenthalben zwingen, aus dem Mund zu stinken und in ihrem hartnäckigen Delirium wie Betrunkene zu leben.“

Thomas Schmid fragt sich, ob Frau Müntefering und Frau Grütters tatsächlich der Meinung seien, dass der „Lichtmacher“ und „Freund im Geiste“ eine zutreffende Charakteristik eines Staates wie die Bundesrepublik Deutschland liefere.

Im Lichte dieser Aussagen könnte man zu dem Schluss kommen, dass man in den Gremien seine Schriften nicht gelesen und gemerkt hat, wie wirr und eklektisch die Schriften sind. Thomas Schmid meint: Wer so denke und empfinde, dem komme der mit dem „postkolonialen“ Glorienschein ausgestattete Achille Mbembe gerade recht, das Lied der Verkommenheit des Westens anzustimmen.

 

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Drei Nachauflagen folgten 2019 und 2020. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

Foto: Heike Huslage-Koch CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Roland Stolla-Besta / 30.08.2020

Betreibt dieser Herr Mbembe nicht das, was man in diesem unserem Lande allen unliebsamen Kritikern etwa des Corona-Hypes vorzuwerfen pflegt: eine Verschwörungstheorie? Zu den Verlautbarungen der beiden Staatsministeusen verkneife ich mir eine Bemerkung, um nicht wieder der Misogynie bezichtigt zu werden.

Rainer Möller / 30.08.2020

Zweiter Aufguss eines Kommentars von Thomas Schmid. Der ist, wie seine Monika-Maron-Kritik zeigt, keine große Leuchte (man lese dazu parallel Vera Lengsfeld bei Achgut). Weder aus Schmids Kommentar noch aus Seitz’ Remake kann ich mir einen klaren Eindruck von Mbembe verschaffen. Übrigens: Bei Wissenschaftlern setzt man normalerweise an ihren stärksten Stellen, ihren originellen Einsichten etc. an - hat Schmid das gemacht?

Gudrun Meyer / 30.08.2020

Eben weil Mbembe pseudo-intellektuellen Müll schreibt, ist er doch ein mehrfach preisgekrönter Freund im Geiste des Zeitgeists, nämlich linksrassistisch und geschichtsvergessen (der Kolonialismus war ein Instrument der Ausbeutung, aber es waren auch, und besonders in Afrika, die Kolonialherren, die die Sklaverei abschafften. Vorwürfe sind berechtigt, dürfen aber nicht dieses wirkliche Lorbeerblatt verschweigen). Wenn unsere politisch-mediale Elite, d.h. der parasitäre Teil der herrschenden Minderheit, nicht so jämmerliche Geschichtskenntnisse und ein mehr als abstruses Verständnis von wirtschaftlichen und sozialen Realitäten hätte, würde Mbembe kritischer gesehen? Aber so? Er ist postnormales, dt. Mittelmaß, vielleicht noch etwas aggressiver als gleichgesonnene Kollegen, aber sonst nicht von diesen unterscheidbar. Auch Mbembe gehört ja zum parasitären Teil der Elite, nämlich dem an den Universitäten. Nicht etwa, dass es in den Geistes- und Sozialwissenschaften nur Schlagwortproduzenten gäbe, weit gefehlt! Aber sonderbarerweise werden echte Historiker wie Egon Flaig totgeschwiegen und, sobald das nicht mehr funktioniert, als “krampfhaft und einseitig” (die Alpen-Prawda über Flaig) oder gleich als “rechts” etikettiert. Und überhaupt, warum machen Sie so viele Worte um einen einfachen Tatbestand, der einen höchst alltäglichen, dt. “Intellektuellen” betrifft? Die Mitteilung “Mbembe kotzt ab. Gilt als zeit- und gesellschaftskritisch” hätte doch gereicht.

Uta Glaubitz / 30.08.2020

Diese Preisverleihungen sind eine Pest geworden. Erinnern wir uns an Kurt Beck, Roland Schmidt von der FES - und den Women’s March.

Volker Franzen / 30.08.2020

Die Ergebnisse dieser Recherche sind unglaublich und für die Preisverleiher sowie Laudatoren mehr als peinlich! Volker Seitz zeigt, wie wichtig es ist, Vorgänge ohne Rücksicht auf vordergründigen “Glanz” zu hinterfragen.

Rudolf George / 30.08.2020

Dass die genannten Politikerinnen nichts von dem gepriesenen Autor gelesen haben, dürfte business as usual sein. Man fliegt ein, liest eine von jemand anderen vorbereite Rede, posiert für Fotos und verschwindet dann wieder. Herr Mbembe verfolgt ein einfaches Geschäftsmodell: beschäme diejenigen, die danach lechzen, beschämt zu werden, und lass dich dafür bezahlen. Kurzum: er spielt die Domina in einem Kultur-Sado-Maso-Spiel für geistig und moralisch leere Europäer, die sich von ihrer „Bestrafung“ Erfüllung und Erlösung versprechen.

Petra Wilhelmi / 30.08.2020

Wir müssen nichts über diesen Menschen wissen. Er kommt von der Destination, von der die geliebten Menschen, die besseren Menschen lt. heutiger MS-Sicht herkommen. Deshalb auch die vielen Auszeichnungen, die er in Deutschland erhalten hat. In Deutschland erhält man Auszeichnungen, wenn man a) Linker ist, b) gegen den Kapitalismus hetzt, c) farbig ist, je dunkler, desto besser. Und wenn man alles 3 plus Frau ist, dann ist man hier Gott ähnlich.

giesemann gerhard / 30.08.2020

Wären wir klug, so täten wir die Gunst der Stunde nutzen: Seit 1919 hat Deutschland keine Kolonien mehr. Das hat uns vor weiteren Untaten, Völkermorden, Entkolonialisierungskriegen bewahrt. Den Engländern und anderen sei Dank. Aber wir sind nicht klug, sondern strunzdumm. Gängigstes Beispiel: Namibia. Die Leute dort erinnern sich noch an die Deutschen damals, durchaus positiv; die Herero- und Namakatastrophe könnte man längst beilegen, mit ETWAS mehr Menschlichkeit. In Swakopmund am Atlantik steht ein Gebäude mit der Überschrift “Amtsgericht”, einmal in einem Café dort aßen wir mal Schwarzwälderkirschtorte, nach ein paar Minuten kam die Bedienung, eine ganz Süße, pechschwarz, verbeugte sich leicht und fragte: “Alles recht?”. Wie sie strahlte, als wir ihr ein gutes Trinkgeld gaben. In Kamerun, Ost-Afrika erinnert man sich noch gerne an die Deutschen, trotz mancher Reibereien. Auch der Franzose Albert Schweitzer, der in Lambaréné im heutigen Gabun begraben ist, bleibt in guter Erinnerung dort. Aber wir haben es lieber mit Moslem, allez. Die alten Sklaventreiber.

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