Chaim Noll / 21.10.2019 / 11:00 / Foto: Freud / 44 / Seite ausdrucken

Abschied mit Lügen

Nach dreißig Jahren Hiersein verlässt die Korrespondentin der Berliner Tageszeitung taz, Susanne Knaul, ihre einstige Wahlheimat Israel. Natürlich nicht ohne einen „Blick zurück“. Der Text ist persönlich gehalten, sie beschreibt ihre wechselhafte Beziehung zu diesem Land und bringt sie auf die Formel: „Es war Liebe“. (Siehe auch Henryk Broders Beitrag zum Thema).

Bei einer so hoffnungsvollen Überschrift überliest man erste Falschheiten noch mit Schulterzucken. Etwa: „Israels Rechte startete eine Hetzkampagne gegen Rabin (…) Mit federführend war Benjamin Netanjahu, der sich inzwischen in der Hierarchie der Likud-Partei hocharbeitete, und über den ich nach meinem anfänglichen Eindruck zunehmend schlechter dachte. Radikale Rabbiner verhängten das Din Rodef, ein altes jüdisches Gesetz, mit dem sie Rabin zum Abschuss freigaben.“

Die üblichen Verzerrungen. Das Din Rodef wurde nicht „verhängt“ und Rabin von keinem einzigen „radikalen Rabbiner“ in Israel „zum Abschuss“ freigegeben. Beim Din Rodef handelt es sich um eine alte, gänzlich außer Gebrauch geratene halachische Regelung, die an einigen Jeshivot diskutiert wurde. Wie dort so ziemlich alles diskutiert wird. Zwischen solchen exegetischen Debatten und dem Mord an Rabin bestand kein nachweisbarer Zusammenhang. Die von deutschen Medien behauptete „Beeinflussung“ des Mörders, eines Jura-Studenten an der Bar-Ilan-Universität, durch fundamentalistische Rabbiner blieb Spekulation. Auch Netanjahu, damals Vorsitzender der führenden Oppositionspartei, kann schwerlich mit dem Attentat in Verbindung gebracht werden: Seine Angriffe gegen den Regierungschef, meist im Parlament vorgetragen, bewegten sich im Rahmen der verbalen Auseinandersetzungen, die in Mehr-Parteien-Demokratien üblich sind.

Dieser Satz ist eine glatte Lüge

Doch Susanne Knaul benutzt ihre Aversion gegen Netanyahu, um ihre Abwendung von Israel zu rechtfertigen. „Netanjahu führt dieses wunderbare Land systematisch in den Abgrund“, schreibt sie. „Er macht mir den Abschied leichter.“ Angesichts Israels wirtschaftlicher Blüte, Bevölkerungsentwicklung, der relativen Wohlhabenheit seiner Einwohner (nach UN-Statistiken pro Kopf größer als die der Deutschen) lohnt es kaum, auf das Gerede vom „Abgrund“ einzugehen. Trauriger ist: Frau Knaul hat in Israel einen inzwischen 19-jährigen Sohn, Tom, der hier wie alle Kinder zur Schule ging, das Abitur ablegte und viel Spaß hatte. Doch auch er muss als Legitimation für ihre Verbitterung herhalten: „Selbst wenn er wollte, könnte Tom als Sohn einer Schickse, einer nichtjüdischen Frau, nicht im Judenstaat studieren oder arbeiten.“

Hier nun wird es zu blöd, denn dieser Satz ist eine glatte Lüge. Hunderttausende Kinder nichtjüdischer Frauen studieren und arbeiten in Israel. Darunter zehntausende Araber beiderlei Geschlechts, allesamt nichtjüdisch. Von der runden Million russischer Einwanderer sind mehrere hunderttausend im rabbinisch-halachischen Sinn nichtjüdisch, da sie keine jüdische Mutter haben – selbstverständlich dürfen sie studieren und arbeiten. Auch die Kinder christlicher Einwohner, Korrespondenten, Diplomaten, zeitweilig oder dauerhaft hier lebender Ausländer, dürfen selbstverständlich an den Universitäten und Colleges des „Judenstaates“ lernen. Dazu tausende junge Leute, die extra wegen ihres Studiums nach Israel kommen. Ich habe zwanzig Jahre lang ausländische, zumeist nichtjüdische Studenten an der Universität in Beer Sheva unterrichtet und betreut.

Dass dieser Satz eine Lüge ist, weiß jeder, der sich auch nur drei Monate in Israel aufgehalten hat. Susanne Knaul hat es auf dreißig Jahre gebracht, ohne einen nichtjüdischen Studenten zu treffen. Offenbar hat sie die höheren Bildungseinrichtungen gemieden. Vermutlich, um sich ihre Ignoranz unbeschadet zu erhalten. Zugleich stellt sich die Frage: Für wie dumm und uninformiert hält sie die LeserInnen der taz? Denen zur Ehre sei erwähnt, dass sie den hoffentlich letzten Nonsens von Frau Knaul nicht unwidersprochen hinnahmen. Einigen war die Enttäuschung anzumerken: Immerhin hatte sich Susanne Knaul einst um Kompetenz bemüht, Hebräisch und Arabisch gelernt, an verschiedenen Orten des Landes gelebt und wirklich den hiesigen Alltag kennengelernt.

Auch mir schien sie einst weniger tendenziös, weniger borniert als Inge Günther, die sprachlos machende Berichte für Frankfurt Rundschau und Berliner Zeitung verzapfte, oder die Damen vom Spiegel, Ulrike Putz, Juliane von Mittelstaedt, Nicola Abé und wie sie hießen, deren Inkompetenz – beginnend mit ihrer Unkenntnis der Landessprachen – unter hiesigen Experten sprichwörtlich ist. „Es war Liebe“, überschrieb Susanne Knaul ihren Text. Wie kommt es, dass schließlich bei deutschen Journalisten doch die Liebe zur Unwahrheit obsiegt? Warum setzt sich im deutschen Medienbetrieb am Ende das Muster Relotius durch, das Für-dumm-Verkaufen der Leser, die Fabrikation, die finstere Lüge? Und welche Wirkung verspricht man sich davon – außer nachhaltig den eigenen Ruf zu ruinieren?

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Leserpost

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Thomas Taterka / 21.10.2019

Auf eine verdrehte Art ” lieben ” ja Stalker*innen das Objekt der Begierde auch. Sie wollen es ganz beherrschen , wie sie selbst ganz beherrscht sind von ihrer glühenden Leidenschaft und das bizarre Bild der Abhängigkeit,das sie der Öffentlichkeit bieten,  gar nicht mehr erkennen können. Eine politische ” amour fou “, die sich erwiderte Gegenliebe erzwingen will . Und um Begründungen ringt, wenn sie abgewiesen wird. Wer will solch ein Temperament schon am Rockzipfel haben ? Wenn er mit echter Gefahr klarkommen muß,  wie Israel.

Klaus Reichert / 21.10.2019

Bei dem Satz, dass Nichtjuden nicht studieren dürfen, war ich raus. Das konnte ich mir nicht vorstellen. Gut, dass Sie das richtig gestellt haben. Ich glaube, die deutschen Medien haben sich tief in ihre Schützengräben zurückgezogen und kommen da nicht mehr raus. Sie sind wie die SPD, auf dem Weg in den Abgrund, aber unfähig, die Gründe zu erkennen. Es werden die Alternativmedien stetig wachsen und sie ablösen. Nur die Öffis werden sich als immer einsamere Regierungspropagandisten halten. So lange, bis sich die Mehrheiten in der Politik nachhaltig ändern.

Wilfried Cremer / 21.10.2019

Antwort: Weil die Dame Islamisten auf den Leim gegangen ist und dadurch Antisemitismus aufgesogen hat. Die kleben ja am selben Irrtum wie die Linken: Gerechtigkeit geht ohne Liebe.

Susanne antalic / 21.10.2019

Nein Herr Noll, sicher ruiniert sie nicht ihren Ruf, das Gegenteil ist der Fall, sie reiht sich in die Mehrheit der Israelhasser, die ihr gerne jedes Wort glauben und deren Abneigung gegen Israel bestätig werden( obwohl sie nie in Israel waren) und der Dame steht eine glänzende Karriere bevor- endlich ist sie, nach 30 Jahren, auf den “richtigen Weg”, ja ins Reich gekommen. Sie weisst, dass sie lügt, aber der Karriere wegen, lohnt sich das, wie vieles in Deutschland diese Jahre. Ich kenne ebenfalls 2 nichtjüdische Mädchen, die zum studieren nach Israel gegangen sind und jetz schon denken sie, dort zubleiben, aber man macht was man kann, Israel in Deutschland schlecht zu machen, wie man sieht, es lohnt sich, andereseits, welche Länder(ausser Iran) werden in Deutschland nicht schlecht gemacht.

Heinrich Niklaus / 21.10.2019

Herr Noll, um auf Ihre abschließenden Fragen zu antworten: Es ist pure ideologische Verbohrtheit. Diese Frauen sind Gefangene ihrer Weltsicht und der Logik nicht mehr zugänglich.

Ivan de Grisogono / 21.10.2019

Auch 30 Jahre Aufenthalt, Beherrschung einer Sprache, und Bildung sind nicht ausreichend um ein seriöser, objektiver Kenner eines Landes zu werden. Wir haben es bei Deutschen Medien überwiegend um Systemtragende-Schreiberlinge. Dadurch, und nicht durch wahrheitsgetreue und kenntnisreiche Berichterstattung, werden Geld und lukrative Posten verdient. Relotius- Syndrom, von Staat verordnet!  Charakteristisch für diese „Kämpfer“ ist „vorauseilender Gehorsam“, eine echte Volksplage in Deutschland ! Konform mit der Führung schwimmen, Andersdenkende diffamieren , Linke glorifizieren ! Wer manche Leser von TAZ kennt wundert sich nicht ! Mut und Denken kann bei Journalismus in Deutschland oft nur stören.

Joachim Neander / 21.10.2019

Seltsam, dass die von Noll namentlich erwähnten Negativbeispiele alles Frauen sind. Warum? Kann das jemand erklären?

Sabine Schönfelder / 21.10.2019

Ja, “Es war Liebe”, Liebe, wie sie Susanne Knaul empfindet. Eine egoistische, zweckgebundene Liebe, die, wie bei Kleinkindern, bei der nicht erwarteten Replik in trotzige Frustration umschlägt. Wer die Lüge zu einer schlechten Bewertung Israels hinzuzieht, schädigt sich selbst am meisten, entblößt seinen Verstand und verhökert seine Integrität. Aber Knaul ist zusätzlich hemmungslos. Um gegen Israel zu argumentieren, degradiert sie zynisch das Land zur internationalen Samenbank und trifft dabei den eigenen Sohn, der letztendlich deren Produkt ist, am tiefsten ins Herz. Sie ist eine unselbstständige Denkerin, gnadenlos und ein wenig träge. Eine typische linke Judenhasserin, die sich im Nachhinein für 30 Jahre Israel rechtfertigt, nicht ohne die letzten antisemitischen Giftspritzer abzulassen. Schäm Dich Susanne.

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