Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß der Fischer-Verlag, dessen Inhaber und viele seiner Autoren während der NS-Zeit ins EXIL mussten, mit Verweis auf diese Zeit, heute ausgerechnet einer Autorin kündigt, welche in einer Buchreihe EXIL publiziert. Einer Buchreihe, welche es sich mehr oder weniger zum Ziel gesetzt hat, dem sozialistischen Furor der Neuzeit sein verhängnisvolles Meinungsmonopol streitig zu machen. Vielleicht sollten einige Leute bei Fischer Verlag auch nochmal ein Buch lesen, welches nach dem Krieg als erstes publiziert wurde: “Der Process” von Kafka. Sie sollten es sogar unbedingt tun, und sich danach in Grund und Boden schämen.
Man sollte ein Buch schreiben: “Die Deutschen und der Nazi im Pullover des anständigen Ichs”. Oder: “Die verbotene Stadt des Ichs: Die Deutschen und ihre historische Persönlichkeit”. Man sollte beleuchten, wie wenig die NS Zeit aufgearbeitet wurde, wie sehr sie sozial kodiert ist und wie sich diese Kodierung in der sozialen Aktion erweist, selbst in der Frage wie man mit Zensur umgeht, ob es nicht nur ein pseudo - Ausbruch ist, sich gegen etwas zu wehren nur um darin anständig zu sein sich gewehrt zu haben - es aber nicht um Freiheit geht, die man ohnehin nicht versteht. Ich jedenfalls gehe davon aus, daß die meisten Deutschen nur nach Worten und Phrasen eine Forderung stellen, aber kaum einer einen emotionalen Bezug zu dem Inhalt der Worte hat - weil dies in der Sozialisation einer Kriegernation schlicht nicht veranlagt worden sein kann. Es fehlt ein ontogenetisches Modul in der deutschen Seele und diesem schmerzlichen Komplex entzieht man sich in der frage auch nur - politischer - Korrektheit um in den Phrasen bedeutungslos bleiben zu können.
Meinungsfreiheit galt und gilt für die Linke, die sich heute als aufgeklärt antirasssistisch tolerante Deutungselite empfindet, immer und ausschließlich für das eigene Milieu. Und selbst in der eigenen Blase nur dann, wenn keine abweichlerischen Meinungen vertreten werden. Der für sich proklamierte Kampf der Linken für “Meinungsfreiheit, Toleranz und Gleichheit” ist eine agitatorisch manipulative Lüge. Ein Instrument des Machtkampfes. Ganz oben steht in Deutschland eine Person, der man den Umgang mit diesem Sujet schon sehr früh antrainiert hat. Ihre erste Amtshandlung war folglich auch die Installation einer festen Agitprop Beratergruppe im Kanzleramt. Das hätte eigentlich deutlich mehr Bürgern die Augen und Ohren öffnen sollen.
Schade für den Fischerverlag das er sich in vorauseilenden Gehorsam den Druck des Mainstreamfaschismus beugt. Offensichtlich hat man dort nichts aus der Geschichte gelernt. Da kann man nur hoffen und wünschen, das die anständigen aufrechten und nicht ganz so feigen Autoren bei Fischer ihre Zusammenarbeit mit den Verlag aufkündigen.
Der Name „Exil“ ist, wie sich gerade zeigt, sehr passend gewählt, denn die aus der deutschen Verlagslandschaft ausgebürgerten Autoren können auf diesem Inselchen zumindest passager Aufenthalt, Erwünschtheit und eine kleine Heimat finden. Ich wünschte, ich hätte so einen Ort!
Der letzte Satz sagt Alles. Als Chaplin sich Anfang der 1920er Jahre von seiner Filmgesellschaft zur sehr gegängelt fühlte, gründete er u.a. mit Douglas Fairbanks die “United Artists” und machte ab sofort sein “eigenes Ding”. ++ Es ist der Zeitgeist, der Fischer dazu treibt. Eine eigene Entscheidung kann es m.E. nicht gewesen sein. Wie ich anderwärts las, hatte Fischer der Veröffentlichung bei der Edition Loschwitz zugestimmt. Weiß der Teufel, wer ihm nun mit Boykott gedroht haben mag. Diese “Liberalen” finden wir ja heute an jeder Ecke. Fischer muß diese Entscheidung auch noch als seine eigene “verkaufen”. Sollte Fischer outen, von welcher Seite der Druck aufgebaut wurde, wäre der Effekt für ihn der gleiche. Da scheinen mächtigere Leute am Werk zu sein als Steinewerfer und Autoanzünder. Soll die Existenz des Verlages riskiert werden? ++ Wem das zu viel Verschwörungstheorie ist: Ich bestimme, welche Werkstatt mein Auto repariert. Muß ich das begründen? Sie bestimmen, welches Buch Sie lesen oder welches Fernsehprogramm Sie anschauen. Müssen Sie Ihre Entscheidung begründen? Warum also sollte ein Verlag nicht bestimmen, mit welchen Autoren er zusammen arbeiten will? Mit guter, schlechter oder gar keiner Begründung. ++ Da bekomme ich noch eine andere Assoziation: Wenn man sich nach 40 Jahren Ehe scheiden läßt, antwortet man auf die Frage nach “dem warum” am besten mit “ich will nicht mehr”. Jede weitere Begründung führt zu endlosen Diskussionen und Auseinandersetzungen bis hin zum viel beschriebenen Rosenkrieg. Zu Beginn der Beziehung hat keiner nach “dem warum” gefragt, warum sollte man es am Ende tun?
Bereits in der DDR gab es Literatur, die “nicht hilfreich” war und die nicht verlegt wurde oder in sehr geringer Stückzahl oder der Partei erst hinterher auffiel, was da geschrieben stand. Der Unterschied war aber, daß es eine staatliche Zensur gab und man die “austricksen” konnte. Hier, in dem Deutschland, in dem Neu Hinzugekommene gut und gerne leben, findet eine Selbstgleichschaltung der Verlage statt, als gelte es entartete Schriftsteller oder unarische Bücher zu verhindern. Das ist aber auch kein Wunder, denn das ganze Land ist seit der Machtübernahme unserer geschätzten Kanzlerin in einem geistigen Wandel begriffen. Es geht nicht mehr um Literatur, es geht um Haltung. Und Verleger sind auch nur Menschen, die die ÖR konsumieren, ob bewußt oder unbewußt. Kaum einer will aus der Reihe scheren, denn es drohen boykottazfrufe und die Ächtung. Sollte man auch mal daran denken, daß es da um die bürgerliche Existenz geht, die niemand, der Haltung fordert, gerne aufgibt. Zum Glück gibt es noch kleine Verlage wie den in Schnellroda, die die Anbetung der Mächtigen und Weisen, der Mutter der Menschheit, nicht mitmachen. Aber wie lange noch? Nebenbei, mein erstes Buch von Stefan Heym, “Kreuzfahrer von heute”, las ich so um 1981. Ein Stubengenosse hatte ein altes Exemplar mitgebracht. Das war das erste Buch, das den D-Day aus Sicht eines amerikanischen Soldaten behandelte. Der D-Day kam praktisch in der DDR nicht vor. Stefan Heym war zwar ein unverbesserlicher Kommunist und priveligiert aber die Bücher, die es zur Wendezeit wieder zu kaufen gab, wie “5 Tage im Juni” und “Stalin verläßt den Raum”. haben mich etwas fassungslos gemacht. Kein Wunder, daß die als politischer Sprengstoff angesehen wurden.
Als hier vor knapp drei Wochen diese Kolumne kam, nach dem Motto, “Wir listen jetzt mal auf, wer so alles abserviert wird” dachte ich mir so,ob das wohl ein “füllendes Thema” wird. Ja, es wird! Beinahe im Wochentakt werden Abservierungen laut. Das hätte ich nicht für möglich gehalten (in dem Ausmaß).
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