Gerd Habermann, Gastautor / 19.05.2021 / 11:00 / Foto: Pixabay / 31 / Seite ausdrucken

Die Wahlprogramme im Schnelldurchlauf

Wahlprogramme mögen von den Wählern wenig gelesen werden. Im Wahlkampf entscheiden eher Persönlichkeiten und dramatisierte Einzelfragen. Dennoch sind sie wertvoll als Zeugnisse dessen, wes Geistes Kind die einzelnen Parteien sind. Viele Einzelpunkte können später zu legislatorischen Initiativen führen. Schriftstellerisch zeichnen sie sich selten durch erhabenen Schwung, hinreißende Prosa, geglückte Bilder aus. Eine vergnügliche Lektüre bieten sie kaum. Phrasen, abgenutzte Formeln, furchtbare Plattheiten langweilen, noch von der Widersprüchlichkeit vieler Punkte und überspannter Detaillierung abgesehen.

Für einen strengen Ordnungstheoretiker sind sie ein Greuel. Und dann erst noch der Umfang. Programme von mehr als zweihundert Seiten sind keine Seltenheit mehr – sie zeigen einerseits die wachsenden Finanzmittel unserer teilweise staatsfinanzierten Parteien, andererseits den Umfang des Regulierungsanspruchs. Ein Nanny-Staat kennt eben kaum noch Grenzen seiner Interventionslust, wogegen ein klassisch-liberaler Staat sich mit wenigen Grundsätzen begnügen kann, weil alles andere sich in Markt, Zivilgesellschaft, Konventionen und Bräuchen selber reguliert.

So denn auch die vorliegenden Prpgramme zur Bundestagswahl. Zwar wird der Ausdruck Sozialismus und Sozialisierung sogar bei der LINKEN vermieden, der Sache nach aber dominiert der Gedanke zumindest in den drei „roten“ Programmen: GRÜNE, LINKE und SPD, wobei es hier noch Abstufungen des Kollektivismus gibt; am eigentumsfeindlichsten bleibt die LINKE – sogar die sogenannte Klimakrise wird den „Reichen“ in Rechnung gesetzt. Die Steuerpolitik ist bei allen drei Parteien das wichtigste Mittel der Eigentumssozialisierung: „The power to tax is the power to destroy.“ Hinzu kommt ein ungebrochener Glaube an die Staatswirtschaft: Privatisierung, Deregulierung waren einmal, besonders deutlich bei Verkehr (Verherrlichung der staatlichen Bahn und des ÖPNV, Polemik gegen den motorisierten Individualverkehr, noch mehr gegen den Flugverkehr, Liebeserklärung an das Fahrrad, besonders bei den GRÜNEN) auch die Verklärung des  Gemeindesozialismus („kommunale Daseinsvorsorge“).

Deutsche Eigeninteressen stören nur

Von einer Notwendigkeit größerer Eigenvorsorge statt staatlicher Fremdvorsorge liest man nichts – im Gegenteil: es geht um die Verallgemeinerung der staatlichen Zwangsvorsorge („Bürgerversicherung“ im Gesundheitswesen, alle Selbstständigen in die staatliche Rentenversicherung, umfassende „Arbeitsversicherung“ (GRÜNE). Die Familien sind Gegenstand zunehmender Enteignung, als „Förderung“ getarnt – sei es durch staatliche Finanzierung, sei es durch staatliche Übernahme der Betreuungsfunktionen (Kita, Ganztagschule etc.). Noch nicht erwähnt ist die Verstaatlichung beziehungsweise Auflösung der privaten Energiewirtschaft im Zeichen einer sogenannten Klimakrise (Atomindustrie, Kohlewirtschaft, Erdöl- und Gaswirtschaft) in der utopischen Hoffung auf immerwährenden Sonnenschein und immerwehenden Wind. Das größtmögliche Hazardspiel, denn eine zuverlässige und preiswerte Energieversorgung ist die Basis unseres Wohlstandes.

Noch nicht erwähnt ist der Radikalegalitarismus im privaten Bereich (Genderideologie, diskriminierende Antidiskriminierung, rassistischer Anti-Rassismus), der sozialauflösend wirkt. Alle drei Parteien sind zentralistisch – glauben an einen Superstaat EU, am besten wäre (GRÜNE) ein Weltwohlfahrtsstaat. Deutsche Eigeninteressen spielen keine Rolle, stören nur. Zum Beispiel in der Geld- und Schuldenpolitik. Eine europäische Schuldenunion wird nicht gefürchtet, sondern gewünscht. Der Wunsch auf Geldwertstabilität ist offenbar veraltet, im übrigen ist Geld scheinbar unbegrenzt verfügbar. Der Klimautopismus mit der Steuerungsillusion eines so komplexen Systems wie des Klimas auf 1,5 Grad maximal zulässige Erwärmung einer fiktiven Weltdurchschnittstemperatur zeichnet fast alle Parteien aus, besonders aber wieder die GRÜNEN.

Die drei „rechten“ Parteien (das Laschet-Programm liegt freilich noch nicht vor, aber das von 2017 gibt einige Auskunft über den aktuellen Geist dieser Partei) zeigen – wenigstens in Teilbereichen ihrer Programme – kein konsequentes Gegenbild, aber doch Elemente eines anderen Ordnungsdenkens, besonders in der Steuerpolitik oder in Fragen der Privatisierung von Staatswirtschaft (namentlich bei der FDP, die aber eurozentralistisch ist). Sozialpolitisch findet man bei keiner dieser Parteien ein liberales Ordnungskonzept, allenfalls eine Verteidigung des Status quo. Die AfD zeigt als einzige Partei milde patriotische Akzente, was nicht mit „rechtsextrem“ zu verwechseln ist. Sie verwirft das eurozentralistische Modell zugunsten eines Staatenbundes – und zieht äußerstenfalls sogar einen „DEXIT“ in Betracht. Sie ist wie die FDP eigentumsfreundlich.

Gesellschaftspolitisch ist die FDP eher nach links hin orientiert. Auffällig ist die Fetischisierung des Digitalen in allen Parteien – als ob es sich hier nicht um eine wundervolle Hervorbringung des Kapitalismus, also der Märkte handelt, sondern zuvörderst der Staat hier tätig werden müsste. Dabei wird außerdem ignoriert, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist und eine Ablösung persönlicher Dienste durch anonyme Automatismen nicht immer ein Fortschritt ist.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Horst Jungsbluth / 19.05.2021

Mit Sicherheit findet man in allen Parteiprogrammen keinen einzigen Satz über die Wiederherstellung des Rechtsstaates, der teilweise -besonders in Berlin- nur noch mit einer Lupe zu erkennen ist. Insofern sind alle Aussagen in diesen Programmen eigentlich sinnlos, denn wenn man eine unerlässliche Basis der Demokratie der Zerstörung preisgibt, dann kann man das Grundgesetz in die Tonne treten. Eine andere Säule ist eine funktionierende Wirtschaft, hier hat man dank der Corona-Pandemie bereits tiefe Breschen geschlagen und wenn das vorbei ist, dann hat man immerhin noch das “Klima”. Den Rest erledigen dann wie in der DDR Ämter, Justiz und die Medien.

Klaus Müller / 19.05.2021

Die Positionierung der Grün*innen gegen Israel wäre hier noch zu erwähnen

Reinmar von Bielau / 19.05.2021

@Frank Holdergrün: auf den Punkt gebracht! Ich erwarte demnächst grüne Flagellanten auf den Straßen Berlins. Was die Digitalisierung angeht: sie steht seit 16 Jahren “ganz oben” auf Merkels Agenda. Die sogenannte “Wissenschaftlerin” hat Deutschland von einem Industrieland zu einem Schwurbelland gemacht. Aber Hauptsache und Kern ihrer Politik war immer der Machterhalt. Sie hat damit ihrer Partei, in erster Linie aber dem Land geschadet. Ausländische Besucher wundern sich über das deutsche 4G Netz, wir hängen der Entwicklung locker 10 Jahre hinterher. Für eine Industrienation ist diese Entwicklung langfristig der Tod!

Uwe Zind / 19.05.2021

” Auffällig ist die Fetischisierung des Digitalen in allen Parteien -”  dumm nur, dass digitale Prozesse Strom brauchen und zwar dessen ständige Verfügbarkeit. Stattdessen wird die “angebotsorientierte Stromversorgung” als Zukunftsmodell angepriesen.  So ist das mit der Zukunft in D.

Heiko Stadler / 19.05.2021

Durch die jahrelange Misswirtschaft ist den Altparteien die deutsche Wählerschaft verloren gegangen. Deshalb müssen sie jetzt Millionen an neuen Wählern ins Land einschleppen. Helge Lindt übt deshalb schon fleißig arabisch.

W. Hoffmann / 19.05.2021

Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Politiker lügen? Ganz besonders bei Wahlversprechen und Parteiprogrammen. Ich gehe davon aus, dass keine einzige Partei gewillt ist, ihr veröffentlichtes Parteiprogramm auch einzuhalten. Besonders die Grünen werden sich um Größenordnungen selbst übertreffen und die Linken in ihren staatszerstörerischen Zielen rasant überholen.

Gerhard Schmidt / 19.05.2021

Ein Freund von mir (Neurodermitis) trank mal zu Heilungszwecken den eigenen Urin. Allein die “Wahl” zwischen den jetzigen Parteien erscheint mir NOCH unappetitlicher…

Sonja Bauch / 19.05.2021

Die neue Sendung “Tichys Ausblick” ist erhellend und informativ. Morgen zum Thema Energiewende. Zu sehen immer donnerstags auf youtube um 20:15 Uhr.

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