Gerd Habermann, Gastautor / 10.01.2024 / 15:00 / Foto: GH / 16 / Seite ausdrucken

Der gewerkschaftliche Streik – ein archaisches Relikt

Früher war der Streik ein Notstandsrecht, als solcher im Kampf ums Überleben zu billigen. Aber worum geht es heute? Um Lohnprozente, um eine weitere Verringerung der Arbeitsstunden, um Nebenkonditionen wie Pausenregelungen. Dafür werden erpresserische Methoden angewendet.

Man muss sich über den Langmut wundern, in dem eine sonst an Recht, Regel  und Vertragstreue – kurz an zivilisierte Umgangsformen – gewohnte Öffentlichkeit den Einbruch mittelalterlicher Formen der Machtdurchsetzung hinnimmt. Normalerweise fallen Methoden, wie sie namentlich die im öffentlichen Bereich tätigen Gewerkschaften – aktuell gerade die kleine Eisenbahnergewerkschaft GDL – anwenden, unter die straftrechtlich zu ahnenden Tatbestände: Erpressung, Geiselnahme, Nötigung. Sie sollte für die Schäden haftbar gemacht werden können, die sie bei nichtbeteiligten Dritten anrichtet.

Indessen bleibt unser GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) stumm gegen diese Art des Schädigungskampfes. Der Arbeitsmarkt wird nicht einmal als Ausnahmebereich erwähnt. Es gilt hier der Grundsatz: Wer dem Anderen länger den Hals zudrücken kann, hat recht. Es herrscht auf diesem Markt nicht einmal ein „Gleichgewicht des Schreckens“: Die öffentlichen Arbeitgeber sind keine echte Gegenmacht gegen die Arbeitnehmerorganisation, weil sie selber nur angestellt sind und sich zur Not mit staatlichen Mitteln (über den Steuerzwang) finanzieren können. Das beeinträchtigt ihre Widerstandskraft. Auch sonst ist die Arbeitgeberseite seit langem eher auf dem Rückzug.

Der Staat versäumt hier die Durchsetzung des Rechtsfriedens. Kurt H. Biedenkopf schrieb einmal: „Die Kartellpartner fordern und erhalten das Recht zur Privatfehde, ohne dass sie einer vollziehbaren Haftung gegenüber dem Ganzen unterworfen wären, dessen Teil sie sind. Dem Staat setzen sie ihr Recht als Private, den Privaten ihre Befugnisse als Gesetzgeber entgegen.“ Eine Sozialbindung ist hier offenbar unbekannt.

Kein echtes Gleichgewicht der Macht

In der Geschichte der Streiks kam es häufig auch schon zu physischer Gewaltanwendung, etwa von Streikposten gegen sogenannte Streikbrecher. Zudem ist ein so erzwungener Vertrag nicht „abdingbar“, sondern hoheitlich verbindlich für die Beteiligten und manchmal („Allgemeinverbindlichkeit“) auch für Nichttarifpartner, wobei der Ausdruck „Partner“ ein Euphemismus ist. Diese „Partnerschaft“ mit Tarifzwang hat schon oft zum Untergang von privaten Unternehmen geführt. Aber öffentliche Arbeitgeber können ja nicht sterben.

Ursprünglich war der Streik ein Notstandsrecht, als solcher im Kampf ums Überleben zu billigen. Aber worum geht es heute? Um Lohnprozente, um eine weitere Verringerung der Arbeitsstunden, um Nebenkonditionen wie Pausenregelungen. Eine Situation, die den Gebrauch des Streiks als „ultima ratio“ rechtfertigt, ist heutzutage gar nicht mehr vorstellbar.

Der Staat unternahm bisher kaum einen Anlauf zur Kodifizierung des Arbeitskampf„rechts“. An seine Stellen treten Arbeitsgerichte als stark gewerkschaftlich beeinflusste Ersatzgesetzgeber. Es herrscht kein echtes Gleichgewicht der Macht mehr. Aussperrungen seitens der Arbeitgeber kommen kaum mehr vor. Nicht einmal frivole „Warnstreiks“ sind mehr ausgeschlossen. Arbeitgeberverbände, Gerichte, die allgemeine Öffentlichkeit haben das gewerkschaftliche Selbstverständnis unkritisch übernommen. So konnte sich die Lehre vom legitimen Ausnahmezustand im Bereich der Arbeitsbeziehungen durchsetzen. Rebus sic stantibus (lat., etwa: Bestimmung der gleich bleibenden Umstände, die Red.) wäre eine Regelung nach Art des Schweizer Friedensabkommens wünschenswert. Hier unterwerfen sich die Tarifpartner verbindlichen Schlichtungsregelungen (bereits seit 1938). Auch eine Art Taft-Hartley-Regelung wie in den USA (1947) könnte sinnvoll sein.

Dem Ordoliberalen Alexander von Rüstow ist wohl zuzustimmen, wenn er schrieb, dass das „illiberale Wohlwollen gegenüber dem Monopolismus der Gewerkschaften“ als ein Symptom „jener subsozialistischen Knochenerweichung  aus schlechtem sozialen Gewissen“ gelten könne.

 

Prof. Gerd Habermann, geb. 1945, ist Wirtschaftsphilosoph, Hochschullehrer und freier Publizist. Er ist seit 2003 Honorarprofessor an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam und geschäftsführender Vorstand der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft. Von Habermann ist das Standardwerk „Der Wohlfahrtsstaat. Das Ende einer Illusion“ erschienen, hier bestellbar.

Foto: GH

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Leserpost

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Thomin Weller / 10.01.2024

Gibt es ein Land auf dieser Erde das “ich möchte Selbstständig” so extrem massiv auf Kosten aller Bürger finanziert wie in Deutschland? NEIN. Welches Land auf dieser Erde subventioniert so massiv Firmen, Unternehmer wie Deutschland? Es gibt kein einziges Land. Was wäre wenn sämtliche AfA Abschreibungen restlos, sofort wegfallen? Warum zahlt der Angestellte für FirmenImmobilien in der Karibik der angeblich Selbstständigen? Ganz besonders Clans aus dem arabischen Raum. Nein, der Prof. Gerd Habermann ist auf einem massiven Scientology, Triaden Holzweg, typisch althergebrachte Inhalte und sollte sich dringend die DOKU solange sie noch da ist, von ARTE TV die Triaden ansehen. Das ein Justin Trudeau ein enger, persönlicher Freund der Triaden ist, Kanada immer mehr unter den Folgen der Drogen stöhnt, alles eine “Hayek” Scientology Handlung. Tipp, dringend die Doku da sie auch Europa, Kanada demontiert herunter laden. Die Zensoren sind extrem schnell sobald etwas öffentlich wurde. Ich bin gerne bereit diese Denke der Hayek Monster restlos zu demontieren. Einen Dank an die, die Beiträge schrieben. Egal welche Richtung.

Karl Vogel / 10.01.2024

Die Gewerkschaftler bilden ein Kartell und nutzen dieses, um sich Vorteile zu verschaffen. In einem konsequent marktwirtschaftlichen Umfeld wäre das gar nicht so tragisch, denn die Streikenden würden sich selbst arbeitlos machen, wenn die Kunden aufgrund gestiegener Preise wegbleiben würden. Im Fall der Bahn funktioniert dieser Mechanismus nicht, denn einerseits verfügt die Bahn großenteils über ein Quasimonopol, andererseits werden die gestiegenen Kosten auf die Steuerzahler überwälzt, unbeteiligten Dritten werden Lasten auferlegt. Dieses System breitet sich in D immer mehr aus und wird früher oder später zum Zusammenbruch führen, vielleicht ist es aber noch nicht zu spät, der Bauernaufstand macht Hoffnung.

R. Matzen / 10.01.2024

Da wird hier aber schweres Geschütz aufgefahren! Ich wünschte mir, ALLE Gewerkschaftsbosse und, nebenbei bemerkt, alle Kirchenfürsten, Staatsfunker und andere Champagner-Schlürfer wären so wenig korrumpiert wie Weselsky! Die Löhne und Gehälter in Deutschland sind allein schon im europäischen Vergleich ein Witz! Allein schon, wie die Regierung Schröder darauf kam, mit einem weit aufgefächerten Niedriglohnsektor und dem Mindestlohn ein Industrieland von Weltgeltung erhalten zu wollen, ist einfach unglaublich! Andere Ökonomen verlangten vor einiger Zeit mit guten Gründen, wie ich meine, pauschale Lohnerhöhungen in Deutschland von mindestens 20% in allen Bereichen. Dies wäre gegenüber dem Euro eine „interne Aufwertung“ , die den Arbeitnehmern eine Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg des Landes ermöglicht hätte. Es wird, so gesehen, noch viel zu wenig gestreikt in Deutschland!

Rex Kramer / 10.01.2024

Arbeitnehmerrechte und Arbeitskampfmaßnahmen nur, wenn’s ums Überleben als solches geht? Och nö, bei allem Respekt, ... aber derart laienhafte pseudojuristische Ausführungen sind dem Ruf von achgut nicht zuträglich. Was der Autor vorliegend in untauglicher Weise strafrechtlich und unter abwegiger Bemühung des Kartellrechts (!) zu würdigen sich bemüht, ist schlicht die Ausübung eines Grundrechtes, Art. 9 III GG. Das Streikrecht ist Bestandteil der sogenannten Koalitionsfreiheit. Zu den durch Art. 9 III GG geschützten Mitteln zählen insbesondere auch Arbeitskampfmaßnahmen wie Streiks, die auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet sind. (Vgl. zu Vorstehendem: BVerfGE 84, S. 212 ff., S. 224; 88, S. 103 ff., S. 114). Wo genau will der Autor die erforderliche Mehrheit für eine Grundgesetzänderung herbekommen? Wir brauchen keinen Abbau von Grundrechten - weder von destruktiven rot-grünen Ideologen (CO2-Religion), noch von einem übergriffigen Konglomerat aus Big Pharma, lobbykonformer Machtpolitik und gleichgeschalteten Medien (Corona-Einschränkungen). Und auch nicht aus einer transsozialen, rückwärtsgewandt-neoliberalen Gesinnung heraus, die sich zurück in den Kapitalismus des 19 Jh. träumt…

Thomin Weller / 10.01.2024

Die Friedrich August von Hayek-Stiftung für eine freie Gesellschaft ist geistig ebenso 1918 stecken geblieben. Ganz elegant wird übersehen das Arbeitgeber die größten Erpresser sind. Wer zahlt für die Lehmann Pleite, wer rettete Hochtief, Karstadt und vieles andere? Genau, nicht die Verursacher oder politischen Nulpen wie bei der HSH Nordbank(-40 Mrd. Euro). Warum zahlt Bayer die Schulden von Monsanto oder noch besser warum zahlt die MünchnerRück und Allianz pädophile Priester Straftaten in den USA, über die Gruppenversicherung? Mit anderen Worten, Deutschland hat das Raubrittertum nicht abgelegt, es sieht, zeigt sich nur anders. Schon interessant wie sich in manchen Beiträgen die alte Gutsherrenart zeigt. Nebenbei der Grund warum die teils dringend benötigten Erntehelfer nicht mehr in Deutschland arbeiten wollen. @Peter Holschke “Hochverrat” genau das ist in Arbeit, die Ampel Triade plus CDU vollens dabei aus Europa ein großes Arbeitslager zu machen. Es wird spannend wie die AFD ihrer Verantwortung bei der nächsten Wahl gerecht wird. Fakt ist, die Deutschen Bürger, Angestellten stehen europaweit extrem blöde da. Jedes Jahr minimum 1 Milliarden kostenlose Überstunden, geringste Rente, längste Arbeitsleben. Arbeit macht frei, Deus lo vult. Es müssen andere Lösungen, Betrachtungen her, raus aus dem Stinnes-Legien Pakt und Politiker in volle Verantwortung nehmen. Da wären uns allen diese unsäglichen Dummköpfe wie die Langbreit etc erspart geblieben.

Bernd Neumann / 10.01.2024

Endlich mal wieder ein kleiner Nachweis, dass die Achse nicht heimlich linksliberal wird - nach all den Gewerkschafter-Elogen

sybille eden / 10.01.2024

A. SCHRÖDER, - ... ich wusste garnicht das die DB ” imperialistisch” ist. Und für Holschke ist das Niederlegen der Arbeit eine klassenkämpferische Heldentat. Wo bin ich hier gelandet ? Beim ” Neuen Deutschland” ???

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