Roger Letsch / 26.07.2022 / 06:15 / Foto: Pixabay / 73 / Seite ausdrucken

Die Grünen im Streckbetrieb

Die Grünen zeigen sich gegenüber der Atomkraft neuerdings konziliant, die Frage ist nur, wie lange. Wollen sie sich mittels Atomstrom über den Winter retten, ohne den Betreibern langfristig Planungssicherheit zu bieten? Das wird nicht funktionieren.

Bei 30 Grad im Schatten lässt es sich wunderbar theoretisch über winterliches Frieren palavern, zumal bei den Quasseltanten des ÖRR. Mit einer Herablassung, die sogar einem griechischen Philosophen schlecht zu Gesicht stünde, belehrt uns das Politikpersonal nun schon seit Wochen, dass wir vielleicht eine Gasknappheit bekämen, uns jedoch auf keinen Fall der Strom ausgehen werde! Das Claudia Roth’sche „Mit Atomstrom kann man im Winter nicht heizen“ lässt schön grüßen. Doch die offensichtliche Tatsache, dass die empfohlenen Wärmepumpen große Stromverbraucher sind und dass die Leute, statt CO2-neutral zu erfrieren, im Notfall sicher zu elektrischen Alternativen wie Heizstrahler, Radiator oder Infrarotpanel greifen werden, scheint nun selbst bis ins Kopfstroh grüner Spitzenvertreter vorgerückt zu sein.

Von Anne Will in die argumentative Enge getrieben, ringt sich Katrin Göring-Eckardt zu folgender Aussage durch: „Wenn es dazu kommt, dass wir eine wirkliche Notsituation haben, dass Krankenhäuser nicht mehr arbeiten können, wenn eine solche Notsituation eintritt, dann müssen wir darüber reden, was mit den Brennstäben ist.“

Ich habe die Sendung nicht gesehen, das wäre auch nicht gut für meinen Blutdruck. Aber das Echo am nächsten Morgen im Bekanntenkreis kam mir verdächtig vor. Die Grünen sperrten sich nun nicht länger gegen eine Laufzeitverlängerung, so hieß es. Die AKW können am Netz bleiben, wurde sogar hineininterpretiert.

Hinterhältigkeit nicht ohne Zweck

Meine erste Frage war, ob der Bundestag vorzeitig aus der Sommerpause zurückgeholt wurde. Denn wie soll ein Weiterbetrieb der Kraftwerke möglich sein, wenn es ab dem 1. Januar 2023 schlicht illegal ist, Strom aus Kernenergie zu erzeugen? Die Betriebserlaubnis der verbliebenen drei Kraftwerke erlischt um Mitternacht am 31. Dezember 2022. Man könnte sie auch nicht einfach verlängern, dazu müsste der Bundestag erst wieder den gesetzlichen Rahmen schaffen. Zusammenfassend sehen die Hürden momentan wie folgt aus: keine gesetzliche Grundlage, keine Betriebsgenehmigung für den Leistungsbetrieb, kein Personal, kein Brennstoff und – zweifellos entscheidend – keine Perspektive!

Die Idee von Göring-Eckardt, im sogenannten „Streckbetrieb“ die Anlagen weiterlaufen zu lassen, bis… ja, bis wann eigentlich… ist strenggenommen die Aufforderung an die AKW-Betreiber, gegen geltendes Recht zu verstoßen, um ausgerechnet den ideologisch vernagelten Grünen die Macht zu sichern. Kein Betreiber könnte oder will sich auf solche Spielchen einlassen! Ausgeschlossen!

Und doch ist der Vorschlag in all seiner Hinterhältigkeit nicht ohne Zweck geäußert worden, wie ich bereits an der Reaktion in meinem Bekanntenkreis feststellen musste. Klingen die Grünen nicht konziliant? Streckt man nicht einen Finger aus, um den Blackout abzuwenden und ist es nicht die „Atomlobby“, welche immer gleich die ganze Hand und langfristige Planungssicherheit will und deshalb Hilfe verweigert? Vielleicht greift man ja am Ende sogar noch tief in die Steuerzahlertasche und bietet Geld für den „Streckbetrieb“? Wird der Bürger merken, über welchen Schatten die Grünen hier nur scheinbar springen?

Schließlich betonen sie seit Dekaden die Gefahren des Atoms, nur um am Ende auf dem kleinen Dienstweg dem ungenehmigten Weiterbetrieb zuzustimmen? Wohl kaum! Die dafür notwendigen gesetzlichen Anpassungen verweigern sie nämlich. Nein, die Grünen wissen sehr gut, dass kein Kraftwerksbetreiber sich auf solch einen Deal einlassen würde. Die bisher makellose Sicherheitsbilanz der Kernenergie in diesem Land stünde auf dem Spiel. Nur eines könnten die Grünen auf diese Weise erreichen: den Schwarzen Peter den Kraftwerksbetreibern zuzuschieben, die sich der Notfallübung „Rettet die Energiewende“ verweigern.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

 

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Leserpost

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Bernhard Freiling / 26.07.2022

Notwendige Berichtigung meines Beitrages von vorhin: Natürlich lieferte Deutschland keine! Panzer. Vielmehr handelte es sich um mit Panzerstahl ummantelte Selbstfahrlafetten, die mit Rohren in die Luft schiessen können. # Wegen meiner ursprünglichen Bezeichnung bitte ich um Pardon.

Bernhard Freiling / 26.07.2022

Wem oder was haben wir diese Situation zu verdanken? Lassen Sie mich kurz rekapitulieren # bis 23.2.22: trotz des Zirkus um Nordstream 2 liefert Russland Billiggas gemäß bestehender Verträge nach Deutschland. Der Ausfall durch die Abschaltung der AKW scheint durch russisches Gas kompensierbar. # 24.02.2022: Deutschland ruft zum Boykott Russlands auf und droht an, kein russisches Gas mehr abnehmen zu wollen. Daraufhin reduziert Russland die Gaslieferung nach Deutschland. Deutschland ruft den Gasmangel aus. 04/22: Aussenminister Baerbock verspricht, auch nach Kriegsende keine Geschäftsbeziehungen zu Russland aufrecht erhalten zu wollen. Russland reduziert die Gaslieferung ein weiteres Mal. Deutschland ruft den Gasnotstand aus. # 25.7.22: Unter lautem Getöse liefert Deutschland 3 Gepard-Panzer an die Ukraine. Russland kündigt eine weitere Reduzierung der Gaslieferung an. Deutschland fordert die EU-weite “Gassolidarität” ein. Die Kompensation der AKW-Abschaltung ist gescheitert. Russland/Putin trägt an Allem die Schuld. # SO sieht die Eiderfüllung von Grünrot, zum Nutzen Deutschlands zu arbeiten, aus. # Die Grünen sind die zweitstärkste Partei und stellen mit Habeck und Bärbock die beliebtesten Politiker Deutschlands. # Fröhliches Frieren am Weihnachtsabend, Alle zusammen. Gemeinsam für die Ukraine frieren macht stark!

Hartmut Laun / 26.07.2022

Die Grünen verbieten das und etwas anderes, immer wieder die Grünen fordern in der Regierung mit der SPD. Wer in diese Regierung ist dann nun der Bundeskanzler, von welcher Partei welcher die Richtlinien der Politik zu bestimmen hat? Gerade dann, wenn wie im Augenblick, eine Energienotlage von Nationaler Tragweite sich abzeichnet. Und dann bestimmen die Minister der Grünen, hier Habeck oder die Unaussprechliche Außenministern wie es mit der Erlangung der Versorgungssicherheit weiter gehen soll?  Die Grünen, die Grünen und immer wieder die Grünen, die wie die Zauberlehrlinge auftreten und damit fröhlich angefangen haben: “Hat der alte Hexenmeister sich doch einmal wegbegeben! Und nun sollen seine Geister auch nach meinem Willen leben.” Und die sich nun hilflos umsehen und nach dem Meister rufen: “Und sie laufen! Naß und nässer, wirds im Saal und auf den Stufen. Welch entsetzliches Gewässer! Herr und Meister! hör mich rufen! – Ach, da kommt der Meister! Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los.” Nun das der Meister nicht kommt, denn ein Meister ist der BK Scholz nun wahrlich nicht

J.G.R. Benthien / 26.07.2022

In den Bereichen Energie, Energieversorgung und Physik sind die Grünen qualifikationslose Vollidioten. Dafür sind sie unübertroffen darin, wirtschaftlich absurde Forderungen zu stellen, die deutsche Sprache durch Willkür zu verhunzen und inkompetenten Frauen mittels Quotenregelung zu hohen Einkommen ohne adäquate Gegenleistung zu verhelfen. Alles keine Basis für eine Zukunftsperspektive Deutschlands.

Martin Landvoigt / 26.07.2022

Die Lächerlichkeit all dieser Spielchen wird den Verantwortlichen auf die Füße fallen, wenn die Menschen frierend im Blackout sitzen. Auch die EU wird betroffen sein, und die Schuldigen in der deutschen Regierung identifiziert werden. Wie wollen die aus so einer Nummer heraus kommen?

Heiko Stadler / 26.07.2022

Leider glauben die meisten Leute, viele Windräder und PV-Anlagen könnten ein Dauerlastkraftwerk ersetzen. Genau umgekehrt ist es. Je mehr Windkraftanlagen gebaut werden, desto mehr Dauerlastkraftwerke werden benötigt, um die immer größer werdenden Stromlücken bei Dunkelflaute zu überbrücken. Konkret heißt das, dass der Weiterbetrieb der drei Kernkraftwerke bei Weitem nicht ausreicht. Unter Anderem musste das kürzlich gesprengte Kraftwerk Moorburg wieder aufgebaut werden. An Personal für den Aufbau dürfte es nicht fehlen. Einfache Hilfsarbeiten, zum Beispiel Betonmischen oder Zementsacktragen, könnte von den Leuten ausgeführt werden, die für die Sprengung verantwortlich sind. So wie Deutschland nach der ersten sozialistischen Diktatur wieder neu aufgebaut wurde, so muss es auch nach der dritten sozialistischen Diktatur wieder neu aufgebaut werden.

Dr. Joachim Lucas / 26.07.2022

Irgendwann wird es so sein, dass all die grünen Spinnereien auf dem Papier aufrecht erhalten werden und man der Realität Tribut zollen muss. Aber Planungssicherheit gibt es dann noch lange nicht, denn alles ist auf Abruf gestrickt. Immer wieder zu verlängernde Sonder- und Ausnahmegenehmigungen fürs Verbrennerfahren (mit Nachweis der Notwendigkeit), ausnahmsweiser Weiterbetrieb von Kraftwerken zeitlich befristet oder am liebsten täglich abschaltbar, Hochfahren und Runterfahren der Landwirtschaft nach Lust und Gnädigkeit des Kindergärtners Özdemir, Sondergenehmigungen für die Produktion mussliebiger Produkte usw., usw. Die totale Planwirtschaft mit allen verheerenden Folgen. Es gibt wie gesagt dann keine Planungssicherheit, keine Rechtssicherheit, keine berechenbare wirtschaftliche Kalkulationsmöglichkeit für irgenwas mehr. Das Land wird abschmieren, so oder so. Die grüne Ideologie ist das absolute Grundübel, nicht reformierbar.

S. Andersson / 26.07.2022

Bei uns sind die ÖR Sender gesperrt, würde auch mein Blutdruck nicht aushalten denen zu lauschen. Aber das die grünen das ganz alleine zu verantworten haben? Nee….das ganze machen so gut wie alle Poltiker mit. Gesetze ändern .... nicht doch .... das braucht die Elite nicht. Anrufen und unter dem Tisch einen Deal machen… fertig. Als ob sich Politik & Co an Regeln hält. Das konnte man die letzten 2,5 Jahre sehr schön beobachten wie viel die von Regeln und Gesetzen halten…. Amen

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