Claudio Casula / 25.12.2020 / 06:00 / Foto: Pixabay / 23 / Seite ausdrucken

10 Bücher für Umtauscher!

Schlechte Bücher unter den Baum gelegt bekommen? Die lassen sich umtauschen! Nein, ich werde hier keine Eulen nach Athen tragen; Achgut-Lesern muss ich die neuen Werke von Thilo Sarrazin, Jan Fleischhauer, Alexander Kissler oder Norbert Bolz wohl nicht erst empfehlen. Daher hier eine etwas andere, eher bunte Mischung von Büchern, die ich 2020 mit Gewinn gelesen habe:

Jodi Magness:
Masada
Der Kampf der Juden gegen Rom
wbgTheiss, 36,00 €

Eines der wenigen Bücher, die ausführlich über Details der Felsenfestung des Herodes am Toten Meer und die Rebellion Judäas gegen die Römer 66–73 n.Chr. berichten. Damals verschanzten sich nach dem Fall Jerusalems etwa 1000 jüdische Aufständische auf dem Plateau und nahmen sich nach Schilderungen des antiken Autors Flavius Josephus lieber selbst das Leben, als sich als Sklaven in die Hände der Römer zu begeben. Die Autorin ist Archäologin, studierte bei Yigael Yadin, dem wichtigsten Ausgräber Masadas, und leitete selbst Grabungen der römischen Belagerungsanlagen. Umfassende und sehr lesbare Darstellung des aktuellen Forschungsstands nebst einer Erläuterung zum Mythos Masada für das Selbstverständnis des Staates Israel!

 

Birk Meinhardt:
Wie ich meine Zeitung verlor
Ein Jahrebuch
Das Neue Berlin, 15,00 €

Der Journalist, der lange für die Süddeutsche Zeitung arbeitete, erzählt seinen beruflichen Werdegang und die schleichende Mutation der einst „der Wahrheit verpflichteten“ Presse zu einer Ansammlung von Haltungsmedien. Als gebürtiger Ostdeutscher kennt Meinhardt die (Selbst-)Zensur wegen der Gefahr des „Missbrauchs durch den Klassenfeind“ im Westen und wird hellhörig, wenn Medien heute auf Reportagen verzichten, die „den Rechten in die Hände spielen“ könnten.

 

Michael Lewis:
Rebellen des Denkens
Wie Daniel Kahneman und Amos Tversky die Psychologie revolutionierten
Goldmann, 11,00 €

Ein sehr schönes Buch über die ungewöhnliche Freundschaft von zwei israelischen Psychologen, die, obwohl sehr unterschiedliche Charaktere, hervorragend zusammenarbeiten konnten. Dabei erfährt man nicht nur viel über zwei außerordentlich interessante Menschen, sondern auch über Psychologie, Erkenntnistheorie und Entscheidungsfindung. Mag sich sperrig anhören, aber es ist eine sehr lesbare und durch die eingestreuten Anekdoten auch unterhaltsame Lektüre.

 

Jan Roß:
Boris Johnson
Porträt eines Störenfrieds
Rowohlt, 18,00 €

Auf fluffigen 170 Seiten liefert Roß, im politischen Ressort der „ZEIT“ tätig, einen Abriss über die Karriere des britischen Premierministers und legt dabei ein erstaunliches Maß an Fairness an den Tag. Zwar versäumt er nicht, auch die schillernden Seiten des unkonventionellen Engländers kritisch zu beleuchten, schildert aber auch das Potenzial, das in dem so häufig wie zu unrecht als Clown geschmähten Alexander Boris de Pfeffel Johnson schlummert. Dem umfassend gebildeten Premier, der mal eben über etliche Minuten frei aus Homers „Ilias“ rezitieren kann (natürlich im altgriechischen Original und in sauberen daktylischen Hexametern) und über einen herrlichen Sinn für Humor verfügt, bescheinigt Roß eine ehrliche liberal-konservative Gesinnung, ein ernsthaftes Programm und die Fähigkeit, mit noch so manch einer Überraschung aufzuwarten. 

 

Ian Mortimer:
Shakespeares Welt
So lebten, liebten und litten die Menschen im 16. Jahrhundert
Piper, 25,00 €

Ebenso interessantes wie unterhaltsames Buch des britischen Mittelalterhistorikers. Der deutsche Titel mag in die Irre führen: Um Shakespeare selbst oder seine Werke geht es nicht einmal am Rande, sondern um das Alltagsleben der Menschen im elisabethanischen Zeitalter, grob gesagt, der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in das sich zu begeben der Autor einlädt. Sehr detailreich und ungemein lebendig!

 

Kyle Harper:
Fatum
Das Klima und der Untergang des Römischen Reiches
C.H.Beck, 32,00 €

Zugegeben: Der deutsche Titel machte mich zunächst stutzig; ich argwöhnte, dass da jemand auf den im vergangenen Jahr gehypten Klimazug aufspringen wollte, um mit einer steilen These eine schnelle Mark zu machen. Ich irrte mich, zum Glück. Selten habe ich aus einem Buch über das alte Rom (und ich habe wirklich viele gelesen) so viele Erkenntnisse gewonnen. Der Autor behauptet auch gar nicht, dass etwa das Klima dem Römischen Reich den Garaus gemacht hätte (tatsächlich lautet der Originaltitel: „The Fate of Rome. Climate, Disease and the End of an Empire“), er erzählt vielmehr auch über Seuchen durch Viren und Bakterien, die Überdehnung der Grenzen und Nachschubschwierigkeiten etc. Ein sehr interessantes Werk!

 

James Donovan:
Apollo 11
Der Wettlauf zum Mond und der Erfolg einer fast unmöglichen Mission
DVA, 28 €

Ein Buch, das man gar nicht aus der Hand legen mag: Donovan schildert das amerikanische Raumfahrtprogramm von seinen Anfängen bis zur Mondlandung 1969, dabei immer auch die Entwicklungen bei der sowjetischen Konkurrenz im Auge behaltend. Das Mercury-, das Gemini- und das Apollo-Programm, die ersten Raketenversuche, Affen und Hunde im Orbit, Astronauten im All und auf dem Mond. Die technischen Fortschritte und Rückschläge werden ebenso geschildert wie die Geschichten der Männer, die sich auf die lebensgefährlichen Missionen begaben. Und es wird keine Minute langweilig.

 

Lindsey Fitzharris:
Der Horror der frühen Medizin
Joseph Listers Kampf gegen Kurpfuscher, Quacksalber & Knochenklempner
Suhrkamp, 14,95 €

Eine sehr kurzweilige Biographie des britischen Arztes Joseph Lister, der als „Vater der antiseptischen Chirurgie“ bekannt wurde. Lister bemerkte, dass jeder zweite Patient trotz erfolgreicher Operation das Zeitliche segnete, weil er sich in den recht unhygienischen Bedingungen in den Kliniken des 19. Jahrhunderts – Chirurgen arbeiteten in Straßenklamotten, Operationssäle und -besteck wurden nicht ordentlich gereinigt – unsichtbare, tödliche Keime eingefangen hatte. Zu Lebzeiten lange nicht ernstgenommen (Ärzte machten sich über ihn lustig, indem sie dazu aufriefen, die Fenster zu schließen, „damit nicht Mr. Listers Keime“ hereinflögen), machte der Arzt dennoch unverdrossen weiter, versorgte Wunden mit in Phenol getränkten Verbänden, ließ Instrumente desinfizieren und setzte Maßstäbe in der Krankenhaushygiene. Schließlich erfuhr Lister doch noch seine späte Anerkennung. 

 

Christoff Neumeister:
Der Golf von Neapel in der Antike
Ein literarischer Reiseführer
C.H. Beck, 14,95 €

Wie sah es im „glücklichen Kampanien“, der wunderschönen und fruchtbaren Provinz im Süden Italiens, in der Antike aus? In den beim Ausbruch des Vesuvs 79 n. Chr. verschütteten Städten Pompeji und Herculaneum? Im mondänen Badeort Baiae? In Neapolis, Surrentum (Sorrent) und auf Capri, wo der römische Kaiser Tiberius fernab von Rom residierte? Anhand zeitgenössischer Quellen, u.a. von Seneca, Tacitus, Cicero, Lukrez, Plinius, Sueton, veranschaulicht Neumeister historische Geschehnisse, die sich in der Region ereigneten, wie der Mord an Neros Mutter oder eben der Versuv-Ausbruch, aber auch das Leben in den Bädern und den Villen, die sich reiche Römer in Kampanien leisteten.

 

Bill Bryson:
Eine kurze Geschichte des menschlichen Körpers
Goldmann, 24,00 €

Gewohnt kurzweiliges Buch aus der Feder des mit seinen Reisegeschichten bekannt gewordenen US-Autors. Wir erfahren viel über den menschlichen Körper, alle Organe und Funktionen, unsere DNA, Schmerzen und Krankheiten, Geburt und Tod. Immer angereichert mit witzigen Anekdoten aus der medizinischen Forschung.

Foto: Pixabay

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Hans-Peter Dollhopf / 25.12.2020

Dieter Kief : “Kahnemann (ein Lieblingsdenker unserer lieben Kanzlerin, kein Witz)” Witzig oder nicht, die Rede ist hier aber von Daniel Kahneman! Nicht von einem Kahnemann oder Schellnhuber, Schwab, Altmeier oder sonst einem der Merkelflüsterern aus tausendundeinen Nächten.

Wiebke Ruschewski / 25.12.2020

Bei mir liegen haufenweise Bücher, die noch gelesen werden wollen. In Warteschleife sozusagen. Obwohl ich jeden Abend lese, komme ich einfach kaum hinterher. Das Buch über den Untergang Roms könnte was sein. Es würde das Werk über den Aufstieg Roms, das bereits in meinem Besitz ist vervollständigen. Was die schlechten/unpassenden Buchgeschenke betrifft, so stelle ich so etwas immer gerne an die Straße mit einem Zettelchen “zu verschenken”. Die Mitnahme und das Lesen des betreffenden Werkes passiert dann gewissermaßen auf eigene Gefahr. Verkaufen tue ich einen solchen Schund ungern, da ich dann mit meinem Gewissen in Konflikt komme. (Weil ich tatsächlich irgendeinem ahnungslosen und bemitleidenswerten Schwein auch noch Geld für diesen Sch… abgeknöpft habe.) Wegwerfen kommt jedoch nicht infrage! Nicht einmal für die Schlechten.

Johannes S. Herbst / 25.12.2020

Was tun mit nicht zu gebrauchenden oder schon gelesenen Büchern? Machen Sie enggeschlichtet eine Wanddämmung, eine Raumteiler oder Einbaumöbel draus.

Margit Broetz / 25.12.2020

@Heiko Stadler: Danke für den Tip! Lesenswert daran sind m.E. aber allenfalls die Bewertungen des ‘Werkes’ auf der amazon Website ... !

Caroline Neufert / 25.12.2020

Ungewollt bekam ich gestern “Barack Obama, Ein verheißenes Land. ”  Biete es zum Verschenken an. Wer möchte es ? AchGut vermittelt bestimmt ....

Archi W Bechlenberg / 25.12.2020

Unnütze Bücher eignen sich, wenn Umtausch nicht möglich, als “Sekundärliteratur”. So nannte mein (leider vor drei Jahren hochbetagt verstorbener) Professor Hans Holländer Bücher, mit deren Hilfe sich im Seminar der Diaprojektor in der Höhe ausrichten ließ. Allerdings weiß ich nicht, ob es heute noch Diaprojektoren an Hochschulen gibt. Dafür vermutlich um so mehr unnütze Seminare und Bücher und Professor*innen.

Jürgen Fischer / 25.12.2020

Hört ihr sofort auf mit euren Buchempfehlungen! Ich werd noch arm deswegen!

Petra Kehr / 25.12.2020

@ Dieter Kief, “Risiko” gehört eindeutig auch zu meinen “Inselbüchern” (einsame . . .) Kahnemann im Original reicht. ABER, für die hier versammelte nach meinem Eindruck vielseitig interessierte Klientel möchte ich einen Tip beisteuern, der mir in einer Weise Evidenz für die tatsächlichen Vorgänge in der Brüsseler Enklave namens EU geliefert hat, wie ich es nicht für möglich hielt (vorher): Fritz B. Glunk - Schattenmächte - Untertitel, Wie transnationale Netzwerke die Regeln unserer Welt bestimmen. Klingt trocken ist aber nicht nur exzellent recherchiert, sondern auch gut geschrieben. Und derart ausgewogen in seiner Betrachtung, dass gerade dadurch der Schrecken über die Verhältnisse noch größer wird. So, genug. Schöne Resttage in 2020. Die Insel ist für Mitte Januar gebucht . . .

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