Vive l’Europe! Vive l’Giegold!

Sven Giegold saß 12 Jahre, von 2009 bis 2021, für die deutschen Grünen im Europäischen Parlament, dann bekam er von seinem Parteifreund Robert Habeck ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte. Der Bilderbuch-Europäer zog nach Berlin und wurde Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, zuständig für den Schutz des Klimas.

Bereits als MdEP ließ Giegold die grüne Basis an seinen Aktionen und Aktivitäten teilnehmen, unermüdlich verschickte er Mitteilungen und Erklärungen, in denen es vor allem darum ging, was er, Sven Giegold, angeregt, initiiert, durchgesetzt oder verhindert hatte. Keine Frage, er nahm seinen Job ernst. Und er hatte eine Vision, ein geeintes, vereintes Europa ohne Binnengrenzen, mit Brüssel als Zentrale.

Und daran hat sich auch nach seiner Berufung zum Staatssekretär in Habecks Ministerium nichts geändert. Giegold ist noch immer auf Europa-Kurs. Folgt man seinen Erklärungen zur Lage der EU, muss man annehmen, die EU war noch nie in einer besseren Verfassung als heute, nicht eine der Ursachen für Europas multiple Probleme, sondern der einzige Weg zu deren Lösung.

Am 30. September verschickte Giegold eine relativ lange Erklärung zu einer wegweisenden Entscheidung der „Energieminister*innen der EU". Hier die Einleitung:

Heute haben die Energieminister*innen der EU mit großer Mehrheit grünes Licht für eine Notverordnung des Rates gegeben. Gewinne von Stromproduzenten werden gekappt und an die Verbraucher verteilt, Kriegsgewinne der Energiewirtschaft besteuert. Für Europa ein Durchbruch!

Der Rat, gemeint ist der Europäische Rat, „das Organ der EU, das die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten der Europäischen Union festlegt", bestehend aus den Staats- bzw. Regierunschef der 27 EU-Länder, hat „grünes Licht für eine Notverodnung" gegeben, und Sven Giegold kann sich vor Begeisterung nicht einkriegen. Das hat es noch nie in der EU gegeben, es ist ein „Durchbruch für Europa!"

Bei dem Wort „Notverordnung" bekommt der Staatssekretär keine Gänsehaut, sondern rote Bäckchen, als habe er noch nie von einem Regime gehört, das den Weg zum Untergang mit „Notverordnungen" erfolgreich vorangetrieben hat. Nach diesem Intro werden die einzelnen Punkte der Notverordnung vorgestellt. Der Durchbruch ist nur ein anderes Wort für den Zusammenbruch der Energiewirtschaft, deren Überführung unter staatliche Kontrolle. 

Giegolds 16-Punkte-Plan ist der feuchte Traum eines passionierten Bürokraten, der mit großer Liebe zum Detail Pläne für ein neues Europas schmiedet. Sein Ziel ist eine „sozial-ökologische Marktwirtschaft". Und dafür soll kein Stein auf dem anderen bleiben:

Punkt für Punkt, Gesetz für Gesetz arbeite ich daran hinter den Kulissen des BMWK – wie so viele im ganzen Regierungsteam!

Ja, Sven, hinter den Kulissen, da muss die Freiheit noch grenzenlos sein. Dass Ungarn und einige Steueroasen im Rat Ablehnung oder Skepsis ausgedrückt haben, könne vernachlässigt werden. Entscheidend sei, dass Europa in Rekordgeschwindigkeit Handlungsfähigkeit bewiesen und dabei absolutes Neuland betreten hat, nämlich in der Krise Übergewinne abzuschöpfen und zu besteuern, das wiederum ist ein großer Schritt zu einem geeinten Europa! Vive l‘Europe!

Oder besser gesagt: Vive l'Giegold, Ruhm und Ehre für Habecks Staatssekretär, der hinter den Kulissen des BMWK die Reise zum Mittelpunkt der Erde auf seine To-Do-Liste gesetzt hat! Schade nur, dass seine Utopie von einem Tropfen Rizinusöl getrübt wurde:

„Als langjähriger Europaabgeordneter schmerzt mich nur dass bei diesem Vorschlag das Europaparlament nicht mitentscheiden durfte. Aber: Das Europaparlament hat für eilig Entscheidungen anders als der Bundestag kein Eilverfahren. Wir haben einfach keine Zeit langsame Prozesse.“

Die Haltung ist schon prima, nur an Satzbau, Zeichensetzung und Grammatik muss der Klima-Staatssekretär noch ein wenig arbeiten.

Foto: Bündnis 90/Die Grünen NRW CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Bertram Scharpf / 03.10.2022

Zwei Dinge wollen Sie nicht sehen: Die eigenen Eltern beim Sex und Grüne an der Regierung.

Arne Ausländer / 03.10.2022

Den Europäischen Rat kann man, wie es auch in der beim Wort verlinkten Selbstbeschreibung getan wird, mit European Council übersetzen. Auf russisch aber hieße das “Jewropejskij Sowjet”, also sozusagen “Europäischer Sowjet”. Und die gute Uschi ist demnach ganz offiziell Vorsitzende des Sowjets. Wie schade, daß er nicht Oberster Sowjet heißt… Räte, Ratsherren u. dgl. gibt es natürlich schon viel länger als das Sowjetsystem. Und das hat diesen Namen ja eigentlich auch nur gestohlen: von den örtlichen Räten, die sich spontan zur Bewältigung der Krisen gebildet hatten und nur nachträglich und unvollkommen als “Arbeiter- und Soldatenräte” unter die Kontrolle der Bolschewiki kamen. Daher wurden sie auch nach deren Machtergreifung bald abgeschafft. Nur den Namen behielt man - für die pseudodemokratischen Strukturen aller Ebenen, lokal bis national. Diese informellen Bürgerräte müssen ja eine interessante, wirkmächtige Einrichtung gewesen sein, wenn man deren Bezeichnung zum Staatsnamen machte, obwohl zuvor in kommunistischer und sozielistischer Theorie m.W. davon kaum die Rede gewesen war. Waren sie aber zugleich machtlos, wenn man sie umgehend abschaffen konnte? Oder gelang die faktische Abschaffung nur durch ihre Vereinnahmung, die verständlicherweise nicht rechtzeitig durchschaut wurde? - Und warum sollte das wichtig sein? Weil vielleicht auch heute Bürgerräte als strukturierte Aufsicht über die Politik der jeweiligen Ebenen krisenbedingte Schäden eindämmen könnten. Und da es ja in Unternehmen seit vielen Jahren solch ein Nebeneinander von Vorstand und Aufsichtsrat gibt, kann das weder als Utopie noch als völlig systemwidrig abgetan werden. Freilich zeigen die Aufsichtsräte der Unternehmen, wie die bloße Existenz einer sinnvollen Struktur deren Funktionalität noch lange nicht automatisch gewährleistet.

Elias Schwarz / 03.10.2022

Und immer noch haben es die Grünninnende-Wähler besser, als manche Putin-Anhänger irgendwo bei Cherson.

Thomin Weller / 03.10.2022

Mit wehenden Fahnen gegen TTiP und mehr, und dann selbst genau das was er kritisiert, selbst mit heisser jur. Nadel diktatorisch installieren. Aber wie es meist ist, anfangs gut und endet im Desaster. Mehr Demokratie e.V. hat ein ähnliches Schicksal auf Bundesebene. Jeder Politiker will zum Lebensende wie ein Hund in seiner Straße die Bäume markiert, sich selbst ein Denkmal setzen. Die Grünen, braun und faulig geworden, bauen sich gerade ihr eigenes Wirtschaftsimperium ohne Rücksicht auf Verluste auf.—>“Es geht um den Erhalt und die Ernährung der Bürokratie. Die Bürokratie hat das Herrschen zu ihrem Beruf gemacht und sich in eine mächtige Kaste von Spezialisten der Futterkrippe verwandelt. Sie hat die Wirtschaft übernommen oder umgekehrt jedenfalls sind sie zu einem untrennbarem Koloss verschmolzen. Bürokratismus, wächst direkt proportional zum Entwicklungsgrad der Eigentumsvorrechte der Minderheit und umgekehrt proportional zum von der Gesellschaft erreichten Grad der sozialen Harmonie. Ihrem sozialen Wesen nach Bewahrerin der Ungleichheit und materiellen Privilegien einer Minderheit, schöpft die Bürokratie selbstredend den Rahm für sich selbst ab.”

Fred Burig / 03.10.2022

@Jakob Mendel:”.... Habe ich richtig verstanden, daß mit einer Notverordnung Not verordnet wird?” Klar doch, schließlich wird ja dann mit der Notbremse die Not wieder gebremst - was ein Not- ariat jederzeit bestätigen würde! MfG

Klaus Keller / 03.10.2022

...Kriegsgewinne der Energiewirtschaft besteuert… - Da hatten Firmen wie Rheinmetall (Kursgewinn lfd Jahr 94%), Diehl und Krauss-Maffei und wie sie alle heißen ja noch mal Glück* das ihre Kriegsgewinne nicht versteuert werden. *Glück ist das begleitende Gefühl des Gelingens, meinte Herr von Goethe. Ob es in dem Fall auch mit Lobbyistenarbeit zu tun hat, kann ich aber nicht sagen. Rheinmetall baut u.a. Tierpanzer oder Teile dafür. Wie z.B. die Rohre für Haubitzen und es liefert auch gerne die Munition dafür, die in Osteuropa im Moment gut verkauft wird.

Gus Schiller / 03.10.2022

Und weil die Grünlinge alle so überaus erfolgreich “arbeiten”, werden sie auch am 9.10.22 in Niedersachsen wieder auf der Regierungsbank bei Stefan “langweilig” Weil platznehmen dürfen. Das gibt dem Land dann den finalen WUMMS.

Martin Müller / 03.10.2022

Erinnert irgendwie an DDR-Sprech des Politbüros, auch so ein “Rat”.....

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