Roger Letsch / 12.08.2023 / 06:15 / Foto: Pixabay / 106 / Seite ausdrucken

Wie man ein Musikfestival kaputtmacht

Ein erfolgreiches und beim Publikum beliebtes Musikfestival in Hannover musste etwas "progressivem" und "inklusivem" weichen, doch kein Mensch wollte Tickets dafür kaufen. Jetzt gibts den zweiten Versuch unter besonderer Berücksichtigung nicht binärer "Flintas" –dem wohl letzten Sargnagel für das Publiklumsinteresse.

Die Presseinformationen zum Festival existieren noch. Und sie klangen folgendermaßen: „Frauen* sowie sich als weiblich identifizierende und nicht-binäre Personen sind in der Musikbranche noch immer unterrepräsentiert.“ So beginnt man allerdings keine Einladung zu einem Musikevent mit Kartenverkauf, sondern eine Rechtfertigung für einen Hausarrest, eine Umerziehung oder eine Tracht Prügel. Motto: Was jetzt kommt, tut mir mehr weh als dir. Im Text folgte viel „Zeichen setzen“ für „…mehr Geschlechtergerechtigkeit in allen Bereichen der Musikbranche.“ Ein voller Erfolg sollte es werden, das LineUp-Festival für Genderequality in der Musikbranche, dafür war auch eine angeschlossene Konferenz vorgesehen, auf der man lernen konnte, warum man das alles für gut, wichtig und alternativlos halten muss. Interaktiv, international, inspirierend! Die Alliteration saß perfekt, das Motto war progressiv und inklusiv, alles war vorbereitet für September 2022, doch dann blieben völlig überraschend die Zuschauer aus. Das als Großveranstaltung geplante und angekündigte Fest der Genderfreunde, Sichtbarmacher und Männliche-Privilegien-Checker wurde still und leise verschoben.

Was war nur schiefgegangen? Warum nur verkauften sich die benötigten 6.000 Tickets nicht wie gegendertes Brot? Solche Fragen werden sich die Macher(innen) wohl auch gestellt haben. Schließlich kamen sie offenbar zu dem Ergebnis, dass der Name „LineUp“ irgendwie nicht fordernd genug und die Botschaft zu zahm gewesen sei, gingen in Klausur und besserten nach. Das Festival soll nun am 1. und 2. September 2023 stattfinden und wird „Take *Space“ heißen. Raum einnehmen wollen die Veranstalter also. Wenn nicht gar besetzen, die Übersetzung ist da ja fließend. So viel Raum, dass man für die Besucher nicht mehr so viel einplanen will wie im letzten Jahr: Man rechnet nur noch mit 500. Viel wichtiger ist doch sowieso die Botschaft! Und bei der hat man auch etwas nachgeschärft:

„Die Musikbranche ist noch immer von patriarchalen Strukturen geprägt.“

Nimm das, Patriarchat! Wer unsichtbare Feinde hat, für den bekommt der Tag Struktur.

„Das Take *Space Festival mit Summit am 01. & 02. September 2023 setzt sich dafür ein, Alternativen und Lösungsansätze aufzuzeigen und FLINTA*-Personen in der Musikbranche sichtbar zu machen. Es eröffnet Chancen und ist ein Wegbegleiter für Geschlechtergerechtigkeit in der Musikbranche.“ 

Erst mal das Problem für die Lösung finden

Lösungsansätze in der Musik also. Musik und Volkserziehung – da bekommt man direkt Lust, eine Karte zu kaufen! Wenn man nur wüsste, wo das dazu passende Problem ist. Zu wenige weiblich gelesene Hilfskräfte, die Boxen und Kabel schleppen? Eine zu männlich gelesene „harte Tür“ beim Einlass? Verkaufen Taylor Swift, Beyoncé und Helene Fischer zu wenige Karten, weil sie an die gläserne Decke stoßen? Blockieren die Wildecker Herzbuben das Mädchenklo oder war gar wieder mal Rammstein im Spiel? Denk‘ nicht so misogyne Dinge, du Strolch von einem Autor, und lausche der Darlegung des Problems!

„Die Musikbranche mag nach außen hin bunt und offen wirken, aber die Realität sieht anders aus.“

Nach außen also. Das ist das, was wir hören und sehen. Doch traue nicht Auge noch Ohr, erkenne die Barrieren in den Karrieren!

„Es gibt immer noch Barrieren, die es FLINTA*-Personen schwer machen, in der Musikindustrie Fuß zu fassen und erfolgreich zu sein.“

Flintas, also irgendwie Frauen und Lesben und noch irgendwas. Das „und“ wirkt hier lustig deplatziert, weil Lesben ja nach der herkömmlichen Definition auch Frauen sind und der Begriff „Frauen“ eigentlich keiner Beigesellungen bedarf, um als „Gruppe“ hinreichend groß, stark und unverzichtbar zu sein. Gibt es also zu wenige singende Frauen? Werden deren Tickets mit Abschlag verkauft? Gibt es unverschämte Männerquoten in Frauenbands? Man weiß es nicht so genau, aber die Barrieren müssen schrecklich sein! Welche genau? Das erfährt, wer ein Ticket für schlappe 45 Euro zum Festival mit dem Addendum „Summit“ erwirbt. Inklusive zwangsweise 50 Cent für ein Drittel eines Baumes, der irgendwo in Deutschland gepflanzt wird. Immerhin das! Einen Hinweis auf das schreckliche Unrecht gibt es immerhin.

Patriarchale Strukturen sorgen für Benachteiligung

„Studien zeigen, dass weiße cis-Männer immer noch die meisten Führungspositionen in der Branche besetzen, in Lineups bevorzugt werden und auch hinter der Bühne in technischen Bereichen dominieren. Dies ist ein Zeichen dafür, dass es noch viel Arbeit gibt, um die Branche inklusiv und vielfältig zu gestalten.“

Fragen Sie jetzt bloß nicht nach den exakten Studien, liebe Leser! Studien zeigen, das sei Fingerzeig genug! Kaufen Sie lieber ein Ticket, besonders dann, wenn Ihre Hautfarbe irgendwo zwischen Weißbrot und Hefezopf liegt. Und bedenken Sie, wie schlimm es um die Musikbranche bestellt sein muss, dass sich „Flintas“ weinend in den Armen liegen müssen, statt Verstärker zu schleppen und in Führungsposition Events zu veranstalten. Beides dürfen die nämlich gar nicht, dafür sorgen das Musikpatriarchat und Dieter Bohlen. Ja, denken Sie jetzt ruhig auch mal an Vader Abraham und die Schlümpfe! Allesamt männlich geschlumpft und gelesen, nicht eine Schlumpfine dabei! Schon gar keine mit Hut auf! „Sagt mal, wo kommt ihr denn her…?“ Von wegen aus Schlumpfhausen! Aus der Küche und Row Zero natürlich! Ist es nicht so? Aber das wird sich ändern:

„Patriarchale Strukturen in der Gesellschaft und in der Branche selbst tragen dazu bei, dass Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen immer noch benachteiligt sind. Es ist an der Zeit, dass wir uns dieser Tatsache bewusst werden und aktiv etwas dagegen unternehmen.“

Da haben wir’s doch! Dings… na, Sie wissen schon… Personen! Benachteiligt!

Bloß nicht gleich die Flinta ins Korn werfen!

„Wir müssen Strukturen aufbrechen, die FLINTA*-Personen daran hindern, ihr volles Potential auszuschöpfen, und ihnen die gleichen Chancen geben wie ihre männlichen Kollegen. […] Das Take *Space Festival will dafür sorgen, dass die Musikindustrie zu einem Ort wird, an dem sich jede*r willkommen und akzeptiert wird, unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung oder ethnischer Herkunft.“

Jeder ist willkommen, jawoll! Ausgenommen natürlich auf den Veranstaltungen des anschließenden Summit, auf denen nur Flintas zugelassen sind. Aber das versteht sich ja von selbst! Nieder mit Feminismus und Femininismus, es lebe der Flintaismus!

„Lasst uns sicherstellen, dass FLINTA*-Personen in der Branche endlich den Platz einnehmen, der ihnen zusteht, und dass wir alle von ihrer Kreativität und ihrem Talent profitieren können.“

Viele wissen ja gar nicht, dass das Leben ein Kino mit Sitzplatz- und Popcorngarantie ist und dass Erfolg, sei er künstlerisch oder wirtschaftlich, nach Proporz und Geburtsrecht verteilt wird. Man muss nur einen Teil seiner Identität, der nichts mit Musik zu tun hat, als anspruchsberechtigt nach vorne schieben, und schon läuft es mit dem Verkauf von Tickets, dem Streaming, den Klicks und den Grammys. Musik – egal wie gelesen – bekommt man ja überall, für woke Musik muss man schon nach Hannover und zum Take *Space-Festival gehen.

Und falls es auch in diesem Jahr und im zweiten Anlauf nicht klappen sollte mit dem Fest, bloß nicht gleich die Flinta ins Korn werfen! Auf das Publikum kommt es ja gar nicht an, und Sponsoren wie Sennheiser, Rossmann, Sparkasse Hannover und die Einbecker Brauerei werden ihre Gelder schon nicht zurückfordern. Schließlich haben die nicht für Musik, sondern für ein paar schicke ESG-Punkte bezahlt, und 2024 ist ja auch noch ein Jahr, das Patriarchat zu besiegen. Dass dies schlussendlich sowieso – zumindest in Hannover ­­– gelingt, garantiert schon die Kooperation mit dem Pavillon Kulturzentrum. Der eine oder andere Leser wird sich erinnern: Das waren die aufgeweckten „Flintas“ von der Mach-dein-eigenes-Ding-Fraktion, die im letzten Jahr das beliebte, tradierte und erfolgreiche Masala-Festival in Hannover gekillt haben. Dessen Gründer waren ja aber nur Männer und was das für welche sind, wissen wir ja nun…

 

Roger Letsch, Baujahr 1967, aufgewachsen in Sachsen-Anhalt, als dieses noch in der DDR lag und nicht so hieß. Lebt in der Nähe von und arbeitet in Hannover als Webdesigner, Fotograf und Texter. Sortiert seine Gedanken in der Öffentlichkeit auf seinem Blog unbesorgt.de, wo auch dieser Beitrag zuerst erschien.

Foto: Pixabay

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

T. Schneegaß / 12.08.2023

@Sabine Schönfeld@ Volker Kleinophorst: Aber liebe Frau Schönfeld, ich bin mir sicher, dass auch Herr Kleinophorst weiß, dass es Ausnahme-Frauen gibt, die die Regel nicht bestätigen.

Peter Krämer / 12.08.2023

Im Gegensatz zu Ihnen wissen viele Menschen in Deutschland, besonders im Westen nicht mehr, wie es in der DDR gewesen ist. Aber sie werden es bald wissen.

Werner Geiselhart / 12.08.2023

Das Schlimme an diesem woken Irrsinn ist, dass für die Kosten einer solchen Veranstaltung nicht mehr der Nutzer, also der Besucher aufkommt, sondern wegen deren Abwesenheit der Steuerzahler, also wir alle. Das Ganze ähnelt sehr der Zwangsabgabe für den ÖRR, denkende Menschen wollen sich nicht indoktrinieren lassen, müssen aber bezahlen.

Ilona Grimm / 12.08.2023

Kommentar versehentlich zu früh abgeschickt. Es muss noch ein PS dran: Dem Musikfestival wünsche ich RIP in Ewigkeit.

Ilona Grimm / 12.08.2023

@V.Kleinophorst: Mein „Bekanntenkreis“ (sehr weit gefasster Begriff) ist wie Ihrer und besteht überwiegend aus grünlinksdrehenden „toleranten“ Frauen – soweit es um das eigene Narrativ und die dunkelhäutigen und dunkeläugigen „Jungen“ und Männer (Geschenke) ohne Kultur angeht. Es muss ganz toll (aphrodisierend – bzw. afrodisierend) sein, jederzeit mit einer Vergewaltigung im nächstbesten Gebüsch oder einem Messer in der Brust rechnen zu dürfen. Ich kenne nur eine einzige Frau, die zumindest gesprächsbereit ist und mir auch in manchen Aspekten zustimmt. Männer sprechen mit mir, wenn ihre eigenen Frauen davon nichts mitkriegen. Dann sind sie aber mitunter deutlich. Das war schon mal ganz anders. Ich kann mich an lebhafte Diskussionen in meinem damals noch relativ großen Bekanntenkreis mit einer echten Vielfalt an Meinungen erinnern. Da ging es manchmal hoch her, aber hinterher waren immer noch alle Freunde – Männer wie Frauen! Ist das wirklich erst ein paar Jahre her??? - - - Nach FLINTA musste ich erst mal guckeln. Ich kannte bisher nur Flintenweiber. Aber die sind natürlich längst ausgestorben.

Jochen Brühl / 12.08.2023

Jetzt weiß ich wenigstens sofort bescheid, wenn mir demnächst in irgend welchen Behördenschreiben und ÖRR-Erzählungen der Flintaismus begegnet. Insofern ein sehr hilfreicher Beitrag.

Sabine Heinrich / 12.08.2023

@Claudius Pappe - zu Rossmann: Was für ein übler Zeitgenosse der ist, hat er als Förderer und Gewinnler während er sogenannten Pandemie bewiesen. Aussagekräftige Zitate von ihm gibt’s bei “Ich habe mitgemacht”.

Leane Kamari / 12.08.2023

Was sind denn Flintas??? Flintenweiber vielleicht?

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Roger Letsch / 02.05.2024 / 06:10 / 64

USA: Ein Trump-Attentat-Förderungsgesetz

In ihrem Furor gegen den amerikanischen Ex- und möglicherweise Zukunfts-Präsidenten Donald Trump ziehen seine politischen Gegner mittlerweile sämtliche Register – bis dahin, seine körperliche Unversehrtheit…/ mehr

Roger Letsch / 24.04.2024 / 12:00 / 58

Meuterer auf der Energiewende-Bounty

Es wird viel über den Rückbau der Gasnetze diskutiert. Bei den Kostenbetrachtungen wird aber meist vergessen: Wenn die eine Infrastruktur rückgebaut wird, muss eine andere her,…/ mehr

Roger Letsch / 01.04.2024 / 12:00 / 58

Der große Lastenfahrrad-Test

Der Versuch einer Jugendgruppe, die nachhaltige Kaffeeversorgung der Kreisstadt Eberswalde per Lastenfahrrad-Ferntransport sicherzustellen, führte zu aufschlussreichen Erkenntnissen. Wir leben in aufregenden Zeiten, denn dank unserer…/ mehr

Roger Letsch / 27.03.2024 / 06:00 / 81

Die „Young Leaders“ werden vom Himmel geholt

In den letzten Jahren brillierten im Westen junge, aktivistische Politiker mit woker Superkraft. Nun disqualifiziert sich einer nach dem anderen selbst. In vielen westlichen Staaten…/ mehr

Roger Letsch / 11.03.2024 / 06:00 / 89

Das Phänomen Trump und die deutsche Angst

Er ist wieder da! Und in Deutschland zittern die Medienschaffenden beim Gedanken an Donald Trumps Rückkehr an die Macht. Das Grinsen von Heusgen und Maas bei der…/ mehr

Roger Letsch / 07.03.2024 / 06:00 / 55

Wer die Demokratie wirklich rettet

Demokraten-Darsteller versuchen, die Demokratie mit undemokratischen Mitteln zu retten. Doch Gerichte und Institutionen wachen langsam auf – vom Supreme Court in USA bis zum Wissenschaftlichen Dienst des…/ mehr

Roger Letsch / 05.03.2024 / 16:00 / 7

Die schiefe Verachtung nach unten

Alexander Wendt analysiert in seinem neuen Buch die Entwicklung des Kulturkampfes und zeigt auf, wie man sich dagegen wehren kann. Das macht fast ein bisschen optimistisch.…/ mehr

Roger Letsch / 20.02.2024 / 14:00 / 33

Die Risiken und Nebenwirkungen des Trump-Urteils

In New York ist Donald Trump zu einer bemerkenswert hohen Strafzahlung verurteilt worden. In dem Eifer, Trump zu schaden, riskieren die Akteure eine verhängnisvolle Entwicklung.…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com