Nehmen wir mal an, ein Talentsucher wird beauftragt, eine tolle Lola für Harrys Striptease Bar zu engagieren. Dann würde er sicher nicht auf Deutschlands Jahrmärkten nach einer Dame ohne Unterleib suchen.
Weiter angenommen, er sollte den Posten des EU-Kommissionspräsidenten neu besetzen, würde er dann Ursula von der Leyen dafür nominieren?
Wahrscheinlich auch nicht. Aber es war kein Headhunter, der der hannöverschen Managertochter den Weg in die Chefetage des Brüsseler Berlaymont-Palastes ebnete, sondern die deutsche Bundeskanzlerin.
Zunächst sollte der CSU-Politiker Manfred Weber den Job übernehmen. Doch dann schanzte ihn Angela Merkel mit Hilfe von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ihrer Verteidigungsministerin, Ursula von der Leyen, zu. Und Weber dackelte gehorsam zurück ins Glied.
Platt aber wahr: Von der Leyen war eine Fehlbesetzung für eine Position mit der Verantwortung für 32.000 Mitarbeiter sowie einen Jahreshaushalt von rund 160 Milliarden Euro.
Die versemmelte Anschaffung von ausreichend Impfstoff war ein Armutszeugnis für die Hightech-Nationen in der Europäischen Union. Dem sonst eher schmallippigen Finanzminster und SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz platzte in einer Kabinettssitzung der Kragen. Er knurrte, es sei „richtig Scheiße gelaufen“.
Haben sich Merkel und Spahn strafbar gemacht?
Juraprofessor Volker Erb von der Universität Mainz hat letzte Woche in einem Gutachten sogar die Frage aufgeworfen, ob Gesundheitsminister Jens Spahn und Kanzlerin Merkel sich strafbar gemacht haben, weil sie den Export von Impfstoffen duldeten, die in Deutschland dringend gebraucht wurden. Er fordert einen sofortigen Ausfuhrstopp.
Es wäre zweckdienlicher gewesen, Gesundheitsminister Jens Spahn wäre Chef der Operation geblieben. Doch die Kanzlerin nahm ihm das Mandat ab und verschob es nach Brüssel. Und da hat bekanntlich die „Füße-hoch-Kommissarin“ das Sagen, wie die Bildzeitung sie nannte.
Angela Merkel setzt gefühlsmäßig stets stur auf Europa. So war es auch bei ihrer Entscheidung für die EU-Corona-Bonds, die nun vermutlich den Bundeshaushalt über viele Jahre mit vielen Milliarden Euro belasten werden. Ihr Gefolge spendete ergebenst Beifall. Sie hatten alle Kreide gefressen. Und für Europabesoffene gibt es noch keine Entziehungskur.
Andere waren bei der Beschaffung von Impfstoff schneller als die EU. Die Regierung in London gab ihre Bestellungen im Mai vergangenen Jahres ab, die EU-Kommission kleckerte ein Vierteljahr später hinterher.
Britenpremier Boris Johnson verfügte auch, dass Impfstoff, der in Großbritannien hergestellt wird, dort zu bleiben habe. Die unterschiedlichen Tempi erklärte von der Leyen damit, dass ein einzelnes Land ein Schnellboot sein könne, wohingegen die EU mehr ein Tanker sei.
Nicht genug geordert
Tanker neigen zum Dümpeln, wenn sie nicht unter Dampf stehen. Das biotechnische Unternehmen BioNTech hatte der EU ursprünglich 400 bis 500 Millionen Impfdosen angeboten. Die aber orderte nur 200 Millionen mit der Option auf weitere hundert Millionen. Das war bei weitem nicht genug, um 450 Millionen Europäer zweimal zu impfen. 55 Millionen weitere Dosen hat die deutsche Regierung dann noch auf eigene Rechnung bestellt.
Den verschleppten Deal hat freilich nicht nur die EU zu verantworten. Der New Yorker Nachrichtendienst „Business Insider“ berichtete, die Lieferanten hätten zunächst einen Preis gefordert, der etwa dreimal so hoch war wie der Preis, auf den man sich schließlich geeinigt habe. Das wird die Verhandlungen ausgebremst haben. „Business Insider“ bezieht sich auf Informationen von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“. Biontech-Gründer Ugur Sahin bestreitet das.
Der britische „National Health Service“ meldete am 15. Februar 22,2 Prozent der Bevölkerung als geimpft. Johnson krähte unter Bezugnahme auf den just erfolgten Brexit: „It’s so good we are out.“ Tatsächlich hatte die hohe Quote nichts mit dem Austritt des Vereinigten Königsreichs aus der Union zu tun.
Impfweltmeister waren von Anfang an die Israelis. Premier Benjamin Netanyahu hatte persönlich mehrfach mit dem Vorstand des Pharmakonzerns Pfizer in New York telefoniert und mit ihm die Lieferbedingungen ausgehandelt. Bis zum 15. Februar war dann rund die Hälfte der erwachsenen Israelis geimpft.
Auch die USA hatten sich ihre Kontingente rechtzeitig gesichert. Die Experten erklärten, bis Mitte des Jahres würden ausreichend Impfstoffe für alle Amerikaner zur Verfügung stehen. Präsident Donald Trump verkürzte den Zieltermin auf April. Und es sieht so aus, als hätte er damit richtig gelegen. Er zahlte allerdings einen Kaufpreis, der erheblich über dem Tarif für die Europäer lag. Den Chef der Gesundheitsbehörde FDA, Stephan Hahn, bellte er per Twitter an: „Hören Sie auf, Spielchen zu spielen.“ Und: „Fangen Sie an, Leben zu retten.“
Hat Trump alles richtig gemacht?
Die Seuche hat in den USA schrecklich gewütet. Aber der „schlechteste Präsident aller Zeiten“, wie Ex-Hollywood-Rambo Arnold Schwarzenegger Trump nannte, schaffte es, sein Land in der Spitzengruppe der Impfbesten zu platzieren. Mitte Februar waren 15 Prozent aller Amerikaner geimpft. Und nur 3,6 Prozent der Deutschen, Stand 18.2.2021. Bei der Impfstoffbeschaffung hat Trump wohl alles richtig gemacht.
Ob der britischen Erfolge überschlugen sich die Londoner Tabloids vor Häme. Der "Daily Telegraph“ erklärte gönnerisch, dass ihrer Majestät Regierung sicher bereit sei, der EU aus der Patsche zu helfen. Kanzlerin Merkel stand nicht mehr als „Kämpferin des Jahres“ da, wie von der Leyen sie in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“ gepriesen hatte.
Brüssel und Berlin wollen sich auch um den russischen Impfstoff Sputnik V bemühen, der zunächst vielfach als „Murks aus Moskau“ verspottet wurde. Die Daten sind gut, das Handling einfach. Außerdem soll er besonders gegen die britische Mutation wirken. Aber der Stoff braucht noch die Zulassung der „Europäischen Arzneimittelagentur“ (EMA). Und das kann dauern. Nach Sputnik V stehen schon viele Staaten an. Die Europäer müssten sich hinten anstellen.
UvdL verlässt den Saal
Die Mainstream-Medien trauten sich nicht, den Brüsseler GAU mit dem nötigen Furor zu missbilligen. Sie hätten ja auch dem Zeitgeist in die Fresse hauen müssen. Europa-Jubler hatten Kritiker schon als Impfnationalisten gebrandmarkt. Warum nicht gleich als Impfnazis?
Von der Leyen brennt jetzt das Hemd. Im Europaparlament forderte der AfD-Abgeordnete Jörg Meuthen wutentbrannt ihren Rücktritt. Nur, von den 705 Abgeordneten waren nicht mal fünfzig anwesend. UvdL, wie sie auch genannt wird, hatte es vorgezogen, während Meuthens Rede den Saal zu verlassen. Sie kam erst zurück, nachdem er geendet hatte. Zu einer Generalabrechnung mit der Präsidentin kam es nicht. Die Parlamentarier fabulierten von „europäischer Solidarität“. Nur gemeinsam sei die Pandemie zu bewältigen. Dabei wurde gerade das Gegenteil bewiesen.
UvdL sagte noch, sie werde eine Kontaktgruppe für einen besseren Informationsaustausch mit dem Parlament einrichten. Andere treten ans Mikrofon und teilen mit, was sie mitzuteilen haben. Sie braucht dafür eine Kontaktgruppe.
„Bild“ will erfahren haben, dass der Haushaltsausschuss des EU-Parlaments der Präsidentin anderthalb Milliarden Euro angeboten habe, um die Impfstoff-Produktion zu beschleunigen. Aber so einfach wird man bei der EU-Kommission ein Präsent nicht los. Sie schwimmt ja in Milliarden. Zunächst kam gar keine Antwort. Als die Ausschussmitglieder Monika Hohlmeier (CSU) und der Belgier Johan van Overtveldt in einem Brief an Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides das Angebot erneuerten, habe ein Kommissionssprecher erwidert, ein sofortiger Beschluss oder eine Antwort an das Parlament sei nicht möglich. Also ab damit auf die lange Bank. Sie ist ein ganz wichtiges Möbel im Berlaymont.
Nobelpreis für Uschi?
In diesem Tempo geht’s weiter. Die EU hat ihr Portfolio um 300 Millionen Dosen vom amerikanischen Pharmakonzern Moderna erweitert. Die erste Hälfte davon soll noch in diesem Jahr geliefert werden. Nota bene, noch in diesem Jahr...
Die Brüsseler Blamage kann nicht überraschen. Als Verteidigungsministerin hatte UvdL keine gute Figur gemacht. Die Kampfkraft der deutschen Streitkräfte ist über die Jahre verkümmert. Von den Panzern, Hubschraubern, Schiffen und Flugzeugen der Bundeswehr ist immer nur ein kleiner Teil einsatzfähig.
Warum hat die Dame eigentlich nicht den Friedensnobelpreis bekommen? Sie hat es geschafft, eine 185.000-Mann-Armee unter ihre ursprüngliche Kampfbereitschaft abzuwirtschaften. Das war doch ein wahrhaft friedensförderndes Verhalten.
General Harald Kujat, vormals Generalinspekteur, fasste seinen Zorn über den Zustand des deutschen Militärs so zusammen: „Wir haben die am schlechtesten ausgerüstete Bundeswehr, die wir jemals hatten. Und wir haben die Bundeswehr mit der niedrigsten Moral.“
Hart hat von der Leyen auch dem Korpsgeist der Truppe zugesetzt. Nachdem ein Oberleutnant in Terrorverdacht geraten und Nazidevotionalien bei Soldaten gefunden worden waren, fiel die extreme Linke feixend über sie her. Die Oberkommandierende hätte sich vor ihre Soldaten stellen können. Aber sie haute sie in die Pfanne.
Die Kanzlerin übte sich diesmal wieder im Beschwichtigen. Sie ließ wissen, im Großen und Ganzen sei beim Impfen nichts schiefgelaufen. Das ist so plausibel, wie wenn sie ihren Sonntagsbraten im Backofen verschmoren ließe, dass die Küche voll schwarzem Qualm ist, und sie sagt, im Großen und Ganzen sei nichts angebrannt.
Damit alles bleibt, wie es ist
Zu den Politikgeschädigten gehört auch der achtzig Jahre alte FDP-Politiker Hermann Otto Solms. Er versuchte drei Wochen lang, einen Termin zu bekommen. Ohne Erfolg. Überall die gleiche Antwort: Zu wenig Impfstoff. Er sagt: "Hier geht es um Leben und Tod... Es sterben laufend Leute, die hätten geschützt werden können."
Dann teilte der schwedisch-britische Konzern AstraZeneca auch noch mit, man müsse die vereinbarte Liefermenge im ersten Quartal von 80 Millionen Dosen auf die Hälfte kürzen. Das wollte sich von der Leyen nicht gefallen lassen. Im Gegenzug teilte sie mit, man habe mit AstraZeneca einen glasklaren Vertrag. Außerdem wurde bereits ein dreistelliger Millionenbetrag angezahlt.
Alexander Ehlers, Fachanwalt für Medizinrecht, erklärte dagegen in einem Interview der „Tagesschau“, eine Verpflichtung, eine bestimmte Menge zu einem bestimmten Zeitpunkt auszuliefern, gebe es nicht. Die EU sei eindeutig in der schwächeren Position in der Auseinandersetzung. Vorausgesetzt, dass sich hinter den geschwärzten Stellen in seinem Vertragsexemplar nichts Gegenteiliges verbirgt.
Wenn das so ist, wäre ein ernstes Wort mit dem Juristen, der den Vertrag entworfen hat, sicher angemessen.
Bei der Verwendung von AstraZeneca hat sich ein weiteres Problem ergeben. Es soll unangenehme Nebenwirkungen geben. Die Bereitschaft, sich mit dem Produkt impfen zu lassen, ist breitflächig zurückgegangen. Die Impflinge haben aber keine Wahl. Sie müssen nehmen, was auf den Tisch kommt.
Der Pariser „Figaro“ kommentierte die europaweite Notlage so: „Von der Leyen will Lektionen für die Zukunft lernen, während die Europäische Union am Dienstagabend die Marke von 500.000 Toten überschritten hat.“ Was tun?
Theoretisch hat das EU-Parlament zwar die Befugnis, die gesamte Kommission zu entlassen, wenn es einen Anlass dazu sieht. Für ein erfolgreiches Misstrauensvotum ist aber eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich. Und die kommt nie zustande. Denn wer Front gegen die heilige Kuh EU macht, wird als europafeindlich abgekanzelt. Darin sind die großen Fraktionen solidarisch.
Die Solidarität lebt aber nicht von einer gemeinsamen Geisteshaltung. Europaparlamentarier sind die mutmaßlich am besten bezahlten Volksvertreter der Welt. Und das bleiben sie nur, wenn die EU-Strukturen so bleiben, wie sie sind.