Henryk M. Broder / 22.06.2016 / 21:00 / Foto: Tim Maxeiner / 9 / Seite ausdrucken

Wie antisemitisch ist die Alternative für Deutschland?

Der Fall des AfD-Landtagsabgeordenten Wolfgang Gedeon, der kein Antisemit, sondern nur ein "dezidierter Antizionist" sein will, ist schon deswegen spannend, weil  sich weder die Politik noch die Journaille darauf verständigen kann, was Antisemitismus und wer ein Antisemit ist. Und das in einem Land, in dem man sich vor kurzem sehr wohl darauf verständigen konnte, wer ein Jude ist und wie man das Judentum aus der Welt schafft. Auch die Wissenschaft tut sich schwer und bietet als Ausweg idiotische Definitionen wie "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" an, nach denen wiederum die Politik und die Journaille dankbar greifen, weil sie alles und nichts beinhalten. 

Die Frage, ob Gedeon ein Antisemit ist, soll nun mit Hilfe eines Gutachtens geklärt werden. Dabei bemüht sich die AfD derzeit, einen jüdischen Gutachter bzw. jüdische Gutachterin zu finden, damir das Gutachten als glatt koscher präsentiert werden kann. Sollte es zu Gunsten von Gedeon ausfallen, so würde kein Fall von Antisemitismus vorliegen, sagt ein Spitzen-funktionär der AfD. Und dann wäre alles in bester Ordnung. 

Über diese Posse hat schon Karl Valentin das Richtige gesagt: "Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut." Man möchte schon gerne ein Antisemit sein, man traut sich nur nicht, Klartext zu reden. Deswegen all die Verrenkungem, die Flucht in den "Antizionismus" und in die "Israelkritik". Statt "Die Juden sind unser Unglück!" heisst es nun "Israel ist eine Gefahr für den Weltfrieden".

Eine Kollegin, die wissen wollte, wie antisemtisch die AfD ist, hat sich ins Archiv begeben und ist fündig geworden. Hier das Ergebnis ihrer Recherche:

"Antisemitisches aus der AfD" 

AfD, Wolfgang Gedeon, MdL Baden-Württemberg: Über ihn war die letzten Tage viel zu lesen, zuletzt wieder in der FAZ. Hier nur ein Zitat aus seinem Buch: "Könnte es vielleicht sein, dass, wie der Jude L. Deutsch schreibt, die Juden genügend Gründe für die ihnen entgegengebrachten Feindseligkeiten geliefert haben?"

AfD, Volker Olenicak, MdL Sachsen-Anhalt (und dort in der Parlamentarischen Kontrollkommission u.a. für Verfassungsschutz zuständig): Merkel sei "zionistische US-Agentin", Mossad habe Möllemann auf dem Gewissen, Rothschilds bereiten nächste Wirtschaftskrise vor.

AfD, Björn Höcke, MdL Thüringen: sagte im September 2015 "Christentum und Judentum stellen einen Antagonismus dar. Darum kann ich mit dem Begriff des christlich-jüdischen Abendlandes nichts anfangen."

AfD, Roland Gläser, Führung Berliner Landesverband: Ex-Liberaler, vertrat 2003 nach Möllemanns Tod ebenfalls die Mossad-These. Dieser hätte eine geplante Partei-Neugründung durch M. verhindern wollen.

AfD, Jan-Ulrich Weiß, Ex-MdL Brandenburg: verbreitete 2014 auf Facebook eine Rothschild-Cartoon-Collage, die diesen als geldgierig brandmarkt. Gauland schmiss ihn aus der Fraktion

AfD, Peter Ziemann, Ex-Schatzmeister Landesverband Hessen: verbreitete Ende 2013 Verschwörungstheorien über "satanische Elemente der Finanz-Oligopole, ... die wie Zecken das Blut der Völker aussaugen" und nannte in diesem Zusammenhang auch jüdische Namen (Rothschild, Soros). Musste zurücktreten.

AfD, Dirk Hoffmann, Vorstand Landesverband Sachsen-Anhalt: "Was aber die Israelis in Gaza machen, ist mindestens genauso schlimm wie der Holocaust.

AfD, Martin Hohmann, Kreistagsabgeordneter in Fulda: Hatte als CDU-MdB 2003 über Juden als "Tätervolk" im Rahmen der Revolution in Russland schwadroniert.

Das Schächtverbot aus dem AfD-Parteiprogramm (im Kapitel "Tierschutz") wird vom Zentralrat der Juden in Deutschland auch als anti-jüdisch empfunden, was die AfD vehement zurückweist.

Fazit: "Die AfD ist keine genuin antisemitische Partei", der Antisemitismus keine "ideologische Klammer", bringt es Netz-gegen-Nazis meiner Ansicht nach treffend auf den Punkt.

Die Debatte um den Antisemitismus in der Linken, der im Gaza-Krieg 2014 zum letzten Mal hochkochte, ist hinlänglich bekannt, weswegen ich mir Zitate, die zumeist eh ziemlich verschwurbelt sind, schenke.

Hier nur ein besonders krasses Beispiel von Dieter Dehm (MdB und Ex-IM) aus dem Jahr 2009: "Antisemitismus ist Massenmord und muss dem Massenmord vorbehalten bleiben." Sprich: Alles drunter ist kein Antisemitismus!

So weit die Recherche unserer Kollegin. Jetzt warten wir das Ergebnis des Gutachtens ab. 

Foto: Tim Maxeiner

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Bertram Scharpf / 22.06.2016

Wortlaut aus der Rede von Martin Hohmann: „Daher sind weder ‚die Deutschen‘, noch ‚die Juden‘ ein Tätervolk.“ Da steht ein eindeutiges Nein. Bitte bleiben Sie bei den Tatsachen. Blinder Aktionismus nützt niemandem.

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