Interview / 12.02.2023 / 12:27 / Foto: Imago / 16 / Seite ausdrucken

„Wer sicher gültig wählen will, muss an die Urne.“

Marcel Luthe, ehemals Berliner Abgeordneter der FDP, war eine treibende Kraft bei der Aufklärung des Berliner Wahldesasters von 2021. Damals war er als Spitzenkandidat der Freien Wähler angetreten. Doch auch im Vorfeld der Neuwahlen ist es bereits zu Pannen gekommen. Im Interview mit Ulrike Stockmann beurteilt er Fehler bei der Übermittlung von Briefwahl-Dokumenten.

Vor den Berlin-Wahlen gibt es Meldungen, dass Briefwahl-Unterlagen doppelt oder mit fehlenden Siegeln verschickt wurden. Auch Fälle von Bürgern, die wenige Tage vor der Wahl gar keine Briefwahl-Unterlagen erhalten haben, machten die Runde. Welcher konkrete Schaden kann durch solche Pannen entstehen?

Die Briefwahl ist eigentlich die Ausnahme, nicht die Regel, hat aber inzwischen massive Bedeutung, auf die die Wahlämter faktisch nicht vorbereitet sind. Wer die Briefwahl beantragt, wird auch sofort im Wählerverzeichnis gesperrt und kann nicht an der Urne wählen – auch wenn er wegen Personalmangel in den Wahlämtern oder dem unverantwortlichen Streik der Kollegen von ver.di bei der Post die Unterlagen gar nicht bekommen hat. Der Berliner Wahlleiter geht von einer Bilderbuchwelt aus, in der die Postlaufzeit maximal drei Tage beträgt und kneift beide Augen zu. Wer sicher gültig wählen will, muss an die Urne.

Gibt es bezogen auf die letzte Wahl eine belastbare Zahl, wie viele Briefwahlstimmen aufgrund solcher beschriebener Pannen nicht gezählt wurden?

Die genauen Gründe lassen sich aus der Statistik nicht ersehen, aber wir können annehmen, das ein erheblicher Teil der „ungültig verwendeten“ Wahlscheine tatsächlich aus diesem Grund ungültig war. Anhand der Niederschriften aus den Wahllokalen nehme ich an, dass mindestens 40.000 Stimmen betroffen waren.

Warum kommt es in der Verwaltung überhaupt zu derartigen Mängeln? An welcher Stelle klemmt es?

Das ist eine Mischung aus Unfähigkeit und planvoller Absicht, die nur deshalb bestehen kann, weil die Verantwortlichen nicht namentlich bekannt gemacht werden. Eine Verwaltung muss ebenso kunden- und leistungsorientiert geführt werden wie ein Unternehmen.

Foto: Imago

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Marc Blenk / 12.02.2023

Das Briefwahlen eine gute Basis für Manipulationen sind, ist klar. In Seniorenheimen kann der Pfleger die Sache gleich im Dutzend erledigen. Auch zuhause kann die Wahl innerfamiliär kontrolliert werden. Vor allem aber wird auf dem langen bürokratischen Weg Beamten ermöglicht, an der Sache zu drehen. Interessant, dass im Kontext der Coronamaßnahmen massenhaft für Briefwahlen Werbung gemacht wurde. In solchen Zeiten sollte ausnahmsweise mehr Briefwahl möglich sein. Doch nun soll sich das offensichtlich als Teil des neuen Normal verstetigen. Schaut man sich die skandalösen Zustände bei den letzten Wahlen in USA an, kann man sich ausrechnen, dass politische Maßnahmen in Zukunft auch hier um sich greifen, die beispielsweise unliebsame politische Kräfte ausschließen oder deutlich schwächen. Es gibt Politiker der Parteien, die in Berlin regieren, die allen Ernstes die AFD verbieten wollen, obwohl nach den Maßstäben des Rechtsstaates dies völlig unmöglich ist. Das zeigt, dass bei diesen politischen Kräften ein instrumentelles Verhältnis zum Rechtsstaat vorherrscht. Wer aber den Rechtsstaat nicht mehr als zivilisatorischen Grund unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens annimmt, sondern das Recht instrumentell politisiert, ist noch zu ganz anderem fähig und zerstört das Recht. Und glaubt noch irgendjemand, es herrschten nur in Berlin solche Zustände? Es sieht danach aus, das technische Wahlmanipulationen sich mehr und mehr zum politischen Kampfmittel entwickeln. Als Beschleuniger fungiert ein lokalkolorierter lockerer Umgang mit den technischen Voraussetzungen von Wahlen, die Berliner Pannenkultur. Es wurden in den letzten Jahren immer öfter Stimmen laut, dass im Kampf gegen den politischen Gegner auch illegale Mittel erlaubt sein müssten. Für diese Leute sind Wahlmanipulation ein legitimes Mittel. Auch wenn es so direkt nur vom Fußvolk direkt artikuliert wird. Aber auch solche Leute sitzen im Wahllokal und sollen dafür sorgen, dass alles korrekt läuft.

S. Andersson / 12.02.2023

Eilmeldung: Wahlergebnisse ab 18 Uhr bei ard, zdf & Co, oder ab sofort in unserer Mediathek. Ich bin gespannt… aber wenn die alten wieder nur die Stühle tauschen, kann ich mich des Eindruckes nicht erwehren das hier etwas gewaltig schief läuft….

Nikolaus Szczepanski / 12.02.2023

Das gilt für jede Wahl, jede Abstimmung; egal, ob Gemeinde, Land oder Bund. Briefwahldokumente entziehen sich für geraume Zeit der Aufsicht und Kontrolle aller daran Beteiligten. Der Manipulation ist damit Tür und Tor geöffnet. Sogar Wahlzettel in der Urne werden hin und wieder “versehentlich” falsch zugeordnet oder gar unterschlagen.. durch eifrige “Wahlhelfer” bestimmter Couleur. Siehe dazu z.B. Bremen.

Klaus D. Schlademann / 12.02.2023

Was ist eigentlich eine Bananenrepublik ? Ja, Richtig !

b.stein / 12.02.2023

Ich gehe davon aus, dass es auch bei den angekreuzten und zurückgeschickten Briefwahlunterlagen auf die Auszähler ankommt. Der eine oder andere hat bestimmt einen Doppeljob und fungiert als Auszähler und Austauscher,

D. Katz / 12.02.2023

Leider hat niemand die Absicht, eine Mauer zu errichten.

Peter Holschke / 12.02.2023

Meine Herren, wer glaubt denn noch an korrekte Wahlen? Und wo war denn bitteschön die Headline “Wahlbetrug in Berlin!”?

Bastian Kurth / 12.02.2023

Selbstverständlich KEINE Briefwahl! Die Möglichkeit zur Manipulation ist enorm groß! Danke, Herr Luthe für Ihre hervorragende Arbeit, Sie sind eine Bereicherung für unsere demokratische Gesellschaft! DANKE!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Interview / 09.02.2023 / 12:00 / 25

„Der Mittelstand wird unter die Räder kommen“

In seinem Buch „Krise als Mittel zur Macht“ legt der Volkswirt Fritz Söllner dar, wie die Krisen der vergangenen Jahre von der Politik zur Förderung…/ mehr

Interview / 10.11.2022 / 12:00 / 58

Corona-Virus: Neue Studien stützen These vom Laborunfall

Neue Erkenntnisse stützen die These Professor Roland Wiesendangers vom Ursprung des SARS-CoV-2-Virus durch einen Laborunfall im chinesischen Wuhan. Stefan Frank sprach mit ihm über die aktuellen Veröffentlichungen…/ mehr

Interview / 01.10.2022 / 12:00 / 24

Das Berliner Wahl-Chaos vor Gericht

Marcel Luthe, ehemals Berliner Abgeordneter für die FDP, war eine treibende Kraft bei der Aufklärung des Berliner Wahldesasters, das nun vor Gericht verhandelt wird. Im…/ mehr

Interview / 25.07.2022 / 06:00 / 91

„Ich mache mir große Sorgen um Deutschland“

Der US-amerikanische Fachjournalist und Thinktanker Michael Shellenberger (*1971) präsentierte in Berlin sein soeben auf Deutsch erschienenes Buch „Apokalypse, niemals! Warum uns der Klima-Alarmismus krank macht“.…/ mehr

Interview / 13.07.2022 / 06:00 / 72

Fossile Brennstoffe abschaffen? How dare you!

Orit Arfa sprach mit Bestseller-Autor Alex Epstein über die katastrophale Energiepolitik Deutschlands und unseren blinden Glauben auf fossile Energien verzichten zu können. Er sagt: "Das…/ mehr

Interview / 02.06.2022 / 06:00 / 30

NatSchRFrackingÄndG – Bürokratenpower statt Fracking-Gas

Fracking ist seit 2017 in Deutschland weitgehend verboten und als Gesprächsthema ein heißes Eisen mit dem man sich eigentlich nur in die Nesseln setzten kann.…/ mehr

Interview / 01.06.2022 / 06:15 / 160

Als General in der AfD gegen Putins Krieg

Zahlreiche ehemalige Bundeswehr-Offiziere nehmen Stellung pro Ukraine, auch der Generalleutnant a.D. und heutige AfD-Bundestagsabgeordnete Joachim Wundrak, der damit in seiner in großen Teilen eher pro-russischen…/ mehr

Interview / 16.05.2022 / 12:00 / 50

“Wir können den Ukraine-Weizen nicht kompensieren”

Dirk Andresen betreibt zwei Bauernhöfe in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Im Interview bewertet er Cem Özdemirs Pläne zur Eindämmung von Weizenengpässen sowie das Wieselwort Nachhaltigkeit. Das Gespräch…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com